Protokoll der Sitzung vom 12.11.2010

(Heiner Schönecke [CDU]: Ja!)

- Danke.

Für die SPD-Fraktion hat Frau Geuter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die durch die spekulativen Geschäfte international tätiger Banken ausgelöste Finanzmarktkrise hat die Notwendigkeit einer stärkeren Regulierung der Kreditwirtschaft mehr als deutlich gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Nicht immer wird bei den geplanten Maßnahmen allerdings zwischen den großen an den globalen Finanzmärkten agierenden Instituten und den regional tätigen Sparkassen und Genossenschaftsbanken ausreichend unterschieden.

(Zustimmung bei der SPD)

Das gilt auch für die geplante europäische Einlagensicherungsrichtlinie, die Bestandteil des Antrags der Regierungsfraktionen ist. Klar ist: Weder die deutschen Sparkassen noch die deutschen Volks- und Raiffeisenbanken waren ursächlich am Entstehen der Finanzkrise beteiligt.

(Beifall bei der SPD)

Keine Sparkasse und keine regionale Genossenschaftsbank ist infolge der Finanzkrise in eine exis

tenzbedrohende Situation geraten, die staatliche Unterstützung notwendig gemacht hätte.

(Johanne Modder [SPD]: Genau!)

Die in Deutschland von den Kreditinstituten auf dem Gebiet der Einlagensicherung freiwillig etablierten und auch mitgliedstaatlich anerkannten Schutzsysteme gewährleisten für die Einleger bereits jetzt ein Schutzniveau, das deutlich über die Regelungen der geplanten EU-Einlagensichrungsrichtlinie hinausgeht.

Der Vorschlag der EU-Kommission für die Neufassung einer europaweiten Einlagensicherungsrichtlinie sieht vor, dass künftig jedes Kreditinstitut innerhalb der EU einem Einlagensicherungsfonds angehören muss, der Einlagen in Höhe von 100 000 Euro je Kunde sichert.

Damit würden die deutschen Kunden der Sparkassen und Genossenschaftsbanken den vorhandenen besseren Einlegerschutz verlieren; denn mit der neuen Richtlinie ist auch ein Paradigmenwechsel verbunden: Die bisher in der geltenden Richtlinie akzeptierte Gleichwertigkeit der Institutssicherung zur Einlagensicherung wird durch eine zwingende Verpflichtung aller Kreditinstitute zur Mitgliedschaft in dem neuen Einlagensicherungssystem ersetzt. Eine Institutssicherung ist zukünftig grundsätzlich nicht mehr vorgesehen. Sie ist allenfalls kumulativ möglich.

Obwohl eine Anwendung der Einlagensicherungsrichtlinie für Sparkassen und Genossenschaftsbanken daher zu keinem besseren Kundenschutz führen würde, würden die betroffenen Institute dennoch erheblich belastet. Allein die niedersächsischen Sparkassen müssen in den nächsten Jahren 1 Milliarde Euro in den Einlagensicherungsfonds entrichten. Das Geld fehlt dann natürlich bei den Möglichkeiten der Kreditvergabe gerade an die mittelständischen Betriebe.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Sie sehen, in diesem Punkt stimmen wir mit den Intentionen Ihres Antrages voll überein. Aber, da fehlt doch noch etwas!

(Reinhold Hilbers [CDU]: Da sind wir aber gespannt!)

Wenn Sie die Landesregierung ausdrücklich für ihr Verhalten im Bundesrat im September dieses Jahres loben, warum loben Sie die gleiche Landesregierung dann nicht auch für ihr Verhalten im Okto

ber dieses Jahres im Bundesrat? - Denn dort wurde über das Gesetz zum sogenannten Restrukturierungsfonds, in dem auch die Bankenabgabe enthalten ist, diskutiert. Kann das vielleicht daran liegen, dass im Bundesrat ausdrücklich festgestellt worden ist, dass es einen Kontext zwischen der EU-Einlagensicherungsrichtlinie und dem Restrukturierungsgesetz auf Bundesebene gibt?

(Zustimmung von Hans-Jürgen Klein [GRÜNE])

Der Bundesrat hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung mit dem sogenannten Restrukturierungsgesetz und der darin enthaltenen sogenannten Bankenabgabe beabsichtigt, die Verursacher der Finanzmarktkrise auch finanziell in die Pflicht zu nehmen und sie an den Kosten für mögliche künftige Bankenrettungen zu beteiligen.

Dort gilt das Gleiche, was auch für die Einlagensicherungsrichtlinie gilt: Eine Beteiligung von Sparkassen und Genossenschaftsbanken an der sogenannten Bankenabgabe würde gerade die Gruppen von Kreditinstituten belasten, die aufgrund ihrer Geschäftsausrichtung und ihrer eigenen, selbst finanzierten Sicherungssysteme nicht in der Gefahr stehen, je von staatlichen Hilfen abhängig zu werden.

Der Bundesrat hat daher zu Recht festgestellt, dass unter diesem Vorzeichen institutsgesicherte Banken und Sparkassen nicht vom Restrukturierungsfonds profitieren und infolgedessen auch nicht in ihn einzahlen sollten.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, da im Deutschen Bundestag auch dieses Gesetz inzwischen abschließend beraten und beschlossen worden ist, fragen wir Sie, weshalb Sie nicht den gleichen Kontext wie Ihre eigene Landesregierung hergestellt und in Ihrem Antrag die schwarz-gelbe Bundesregierung aufgefordert haben, die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken von der Bankenabgabe auszunehmen.

(Johanne Modder [SPD]: Aha!)

Das dürfte Ihnen doch bei Ihren Parteifreunden in Berlin viel leichter fallen als das in Ihrem Antrag enthaltene Engagement gegenüber der Europäischen Kommission.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Im Übrigen würden Sie damit auch die Zusagen einhalten, die Ihr eigener Ministerpräsident auf dem Parlamentarischen Abend des Sparkassenverbandes Niedersachsen am 8. September 2010 gemacht hat.

(Johanne Modder [SPD]: Ah ja! - Ulf Thiele [CDU]: Hervorragende Rede!)

Meine Damen und Herren, die bisherigen freiwilligen Sicherungssysteme im Haftungsverbund der Sparkassen und der Sicherungseinrichtungen der Volks- und Raiffeisenbanken haben in der Vergangenheit sehr gut funktioniert und bewiesen, dass sie präventiv und Krisen abweisend wirken. Diese wollen wir erhalten und wenden uns gegen jede Regelung, egal auf welcher Ebene, die zu einer Verringerung des Anlegerschutzes in Deutschland führen und die Wettbewerbsgleichheit im deutschen Bankensystem gefährden würde.

Insofern ist Ihr Antrag, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, vollkommen richtig, aber leider unvollständig. Darüber hätten wir gerne im Ausschuss diskutiert. Von daher werden wir uns heute bei der Abstimmung enthalten.

(Starker Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Geuter. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Möllring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Geuter, was Sie hier gerade eingefordert haben, haben wir gestern im Finanzausschuss des Bundesrates beantragt. Das war ein gemeinsamer Antrag von Hessen und Niedersachsen. Es waren insgesamt sechs verschiedene Anträge - ich habe nicht alle dabei -, die zum Teil mit 16 : 0 und zum Teil auch mit 14 : 2 durch den Finanzausschuss des Bundesrates gegangen sind. Alles, was Sie hier gefordert haben, ist also bereits gestern von uns erledigt worden, sodass Sie diesem Antrag inzwischen auch zustimmen können.

(Reinhold Hilbers [CDU] - zur SPD -: Wir sind Ihnen bereits voraus! - Ge- genruf von Renate Geuter [SPD]: Wa- rum wollen Sie das dann nicht in den Antrag aufnehmen?)

- In den Antrag muss das nicht aufgenommen werden, weil es gestern erledigt worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Warum ha- ben Sie denn überhaupt einen Antrag gestellt?)

Nun hat Herr Klein für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir können den Antrag heute selbstverständlich durch Sofortabstimmung erledigen. Allerdings können wir Ihnen keine Zustimmung bieten. Mit viel gutem Willen werden wir uns bei diesem Antrag enthalten, weil Ihre vier Beschlusspunkte nicht grundsätzlich falsch sind und weil uns auch gewisse Parallelitäten zu dem Entschließungsantrag in Baden-Württemberg aufgefallen sind, der von CDU, SPD, FDP und den Grünen gemeinsam verabschiedet worden ist.

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

Aber es gibt drei Mängel.

(Ulf Thiele [CDU]: Ein Zeichen von Schwäche!)

Erstens, Herr Thiele, reflektiert dieser Antrag nicht den aktuellen Sachstand der Diskussion. Die Subsidiaritätsrüge des Bundes ist inzwischen längst gescheitert - erwartungsgemäß. Sie ist erwartungsgemäß gescheitert, weil es relativ klar war, dass es in unserem Binnenmarkt inhaltlich und rechtlich nicht zu halten ist, der EU Zuständigkeiten für Finanzmarktfragen abzusprechen. Sie ist auch deswegen erwartungsgemäß gescheitert, weil CDU und FDP es eben nicht im Kreuz hatten, eine Lösung vorzuschlagen, wie man die Besonderheiten des deutschen Bankensystems in die europäischen Belange einarbeiten kann, sondern auf dem Status quo beharrten. Ich kann nur das Fazit ziehen, dass wir hier eine weitere europäische Fehlleistung von Schwarz-Gelb haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der zweite Mangel: In diesem Antrag steht eine Menge drin, aber per Saldo transportiert er die Botschaft: Alles ist gut in Deutschland, und eigentlich können wir doch alles so lassen, wie es ist.

Mit Verlaub, meine Damen und Herren: Die Aussage, das deutsche System der Einlagen- und Institutssicherung habe sich bewährt, finde ich

leichtfertig, hochspekulativ, ja, schlicht und einfach unzutreffend; denn es war die Garantieerklärung von Merkel und Steinbrück, durch die sich genau diese Bewährungsprobe erübrigt hat. Gott sei Dank, wie man heute wahrscheinlich sagen muss. Das Sicherungssystem der privaten Banken war am Ende, bevor die Krise überhaupt richtig angefangen hatte. Sonst wären die Verstaatlichung der HRE bzw. der Commerzbank und die verschiedenen Rettungsschirme überhaupt nicht notwendig gewesen.

Die deutsche Einlagensicherung, meine Damen und Herren, hat sich allenfalls aus Bankenperspektive bewährt, aber sicherlich nicht aus Sicht des Steuerzahlers.