Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Rednerin ist Frau Flauger von der Fraktion DIE LINKE. Frau Flauger, bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Linke unterstützt ausdrücklich, dass auch im ländlichen Raum eine schnelle Internetanbindung gewährleistet wird. Gute und schnelle Internetanbindungen sind - das ist hier mehrfach gesagt worden - zunehmend unverzichtbar, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich und in der Wirtschaft. Ein paar konkrete Beispiele: Man kann sich da sehr gut Informationen beschaffen, glücklicherweise auch jenseits der Konzerne Springer und Bertelsmann; das ist ja manchmal durchaus von Vorteil.

(David McAllister [CDU]: Neues- Deutschland.de!)

- Ja, das gibt es auch. Das sollten Sie einmal lesen.

(David McAllister [CDU]: Da gucke ich ständig!)

Man hat durchaus bessere Chancen bei der Arbeitsplatzsuche; auch da läuft inzwischen sehr viel übers Internet. Nicht zuletzt ist es natürlich für die Wirtschaft wichtig, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen und für Selbstständige und Freiberufler, die sich nicht wie große Konzerne im Notfall selbst eine Leitung legen lassen können.

Weil also schnelle Internetanbindungen immer wichtiger werden, sind wir der Meinung, dass sie auch in den Katalog der staatlich garantierten Grundversorgung gehören - wie die Versorgung mit Strom und Wasser und wie bisher schon die Telefonanbindung. Das wäre ein Spiegelstrich mehr im Telekommunikationsgesetz. Ich bitte die SPD und die CDU, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass das passiert. Die Linke ist da im Bundestag schon aktiv geworden. Ich bitte Sie, da mitzumachen.

Wie sieht es nun konkret in Niedersachsen aus? - In Niedersachsen gibt es bei den Breitbandanbindungen einen Deckungsgrad von 98 %. Damit liegen wir zusammen mit Schleswig-Holstein im guten Mittelfeld, auf Platz 7. Das hört sich erst einmal gut an, heißt aber auch, dass mindestens 76 000 Haushalte in Niedersachsen die Möglich

keit eines Breitbandanschlusses nicht haben. Besonders im Norden Niedersachsens, in den Kreisen Lüneburg, Lüchow-Dannenberg und Harburg, gibt es Angebotslücken von bis zu 50 %. Aus guten Gründen engagieren sich da Bürgerinnen und Bürger in Initiativen fast verzweifelt dafür, dass auch sie eine Breitbandanbindung bekommen.

Tatsache ist auch: Wir haben in Niedersachsen viel mehr Breitbandanschlussmöglichkeiten, als wir absehbar brauchen werden. Das Problem ist nur, dass sie falsch verteilt sind. In Ballungsgebieten gibt es ein deutliches Überangebot und im ländlichen Raum eine deutliche Unterdeckung. Das ist kein Wunder; denn Telekommunikationsunternehmen engagieren sich natürlich da, wo sie Gewinne erwarten. Da, wo es im ländlichen Raum keine Chancen auf Gewinne gibt, können die Leute eben in die Röhre gucken. Sie haben Pech gehabt. So sieht das dann aus.

Insofern freut es mich außerordentlich, dass die CDU und sogar die FDP die Einsicht gewonnen haben, dass hier akutes Marktversagen vorliegt und dass der Markt eben doch nicht alles regelt. Herr Riese sprach das eben noch einmal an.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Aufgrund dieser für mich angenehm überraschenden Einsicht lesen wir also, selbst von der FDP unterzeichnet, den Vorschlag, hier mit Subventionen einzuschreiten. Im Wortlaut heißt das „direkte finanzielle Unterstützung privater Anbieter“. Das ist in der gegebenen Situation, in der Telekommunikation in Privathand liegt, sicherlich die einzige Möglichkeit, noch für einen Ausgleich zu sorgen. Problematisch ist das trotzdem, weil der Steuerzahler die Kosten für die Versorgung im ländlichen Raum trägt und die privaten Unternehmen, die das anbieten, dann die Gewinne in den Ballungsgebieten abkassieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber vielleicht kommt ja in Fortsetzung der ersten zarten Zweifel, die sich jetzt breitmachen - von Herrn Ackermann haben wir das schon gehört; jetzt hören wir das tendenziell auch hier -, eines Tages auch noch die Erkenntnis, wenn die Selbstregulierungskräfte des Marktes nicht mehr helfen, dass Privatisierung und Liberalisierung vielleicht doch nicht immer der goldene Weg sind und dass das Dilemma bei der Breitbandversorgung das einmal mehr zeigt.

(Beifall bei der LINKEN)

So oder so freue ich mich auf die Beratung in den Ausschüssen. Denn das gemeinsame Ziel, auch im ländlichen Raum Breitbandanbindungen bereitzustellen, ist bestimmt eine gute Basis für ein gemeinsames Ergebnis. Ich freue mich auf den Tatendrang, der sich jetzt bei den Regierungsfraktionen breitmacht. Dann können wir ja loslegen und alle zusammen dafür sorgen, dass die Versorgung des ländlichen Raumes besser wird.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Mit „zusammen“ ist das so eine Sache! - David McAl- lister [CDU]: www.kommunistische- plattform.de!)

Jetzt hat sich Herr Minister Walter Hirche gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon spannend: Kaum hat die Landesregierung angekündigt, dass sie am 18. Juni in Osterholz eine große Tagung zu diesem Thema machen wird, flattert uns ein Entschließungsantrag der SPD auf den Tisch. Es ist schon bemerkenswert, was ich im Antrag lese: „weiter … intensivieren“, „die zahlreichen Initiativen von Bund, Land und Gemeinden stärker … verzahnen“, „stärker als bisher“ usw. „Eine breit angelegte … Informationskampagne“ ist genau das, was wir in zwei Wochen in Osterholz machen.

In der Tat gibt es, wie einige gesagt haben, kein Erkenntnisdefizit. Aber es gibt auch kein Handlungsdefizit in diesem Zusammenhang. Wenn die Große Koalition in Berlin die Telekom nicht zu Beginn dieser Legislaturperiode bei der Einrichtung von VDSL-Anschlüssen in Großstädten einseitig hätte privilegieren wollen, sondern darauf geachtet hätte, dass die Versorgung in diesem Bereich in ganz Deutschland vorankommt, dann wären wir möglicherweise schon ein Stück weiter. Denn dieses Thema geht nicht zuerst die einzelnen Bundesländer an. Vielmehr sind die Rahmenbedingungen wiederholt ein Thema in der Bundesnetzagentur gewesen. Die Länder haben da gemeinsam versucht, die Dinge voranzubringen. Aber es ist nicht so gelungen, wie es insgesamt wünschenswert gewesen wäre.

Frau Flauger, leider ist die Situation nicht ganz so optimistisch zu sehen, wie Sie sie dargestellt haben. 98 % weist der Breitbandatlas der Bundesregierung aus. Aber genau da liegt ja der Haken: Im Breitbandatlas der Bundesregierung sind die Knoten erfasst, nicht aber die Versorgung von den Knoten in die Fläche hinein. Nach unserer Schätzung sind nicht 98 %, sondern nur vielleicht 80 % des Landes versorgt.

Aufgrund dieser Erkenntnis haben wir gesagt: Wir müssen - genau wie die Bayern - etwas machen. Meine Damen und Herren, weil da Zahlen durch die Welt geistern, will ich das einmal darstellen: Die Bayern stellen im Zeitraum bis 2013 insgesamt 19 Millionen Euro zur Verfügung. Niedersachsen wird EFRE-Mittel und Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ vom Landwirtschaftsminister zur Verfügung stellen, und zwar insgesamt 17,5 Millionen Euro im gleichen Zeitraum. Bei 8 Millionen Einwohnern in Niedersachsen im Vergleich zu 12 Millionen in Bayern und bei einer Fläche Niedersachsens, die deutlich kleiner ist als die Bayerns, können wir uns also sehen lassen.

Es gibt in diesem Zusammenhang kein Handlungsdefizit. Es geht jetzt allerdings darum, mit den Kommunen, mit den Gemeinden und Kreisen, sehr konkrete Maßnahmen zu ergreifen, wie sie durchaus zu Recht auch im Antrag der SPD-Fraktion und nicht nur im Antrag der beiden Koalitionsfraktionen beschrieben sind. Auch wenn Fördergelder zur Verfügung stehen, dürfen wir aber natürlich nicht mit der Gießkanne kommen und rufen: Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Vielmehr ist das nach unserer Rechtsordnung eine Frage, die zuallererst unten in den Gemeinden beantwortet werden muss. Sie muss im Dialog mit der Wirtschaft in den Kreisen beantwortet werden. Wenn man unten keine Lösung findet, ist das Land in der Tat aufgrund des Grundsatzes der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland verpflichtet, etwas zu ändern. Man darf aber nicht gleich mit der Gießkanne kommen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, wir haben die Fördermittel bereitgestellt. Ich möchte nur einen Punkt in diesem Zusammenhang noch ansprechen, weil darauf in der bisherigen Debatte, wenn ich das richtig verstanden habe, nur wenig eingegangen worden ist. Es gibt eine digitale Dividende, weil von analog auf digital umgestellt wird. In diesem Zusammenhang gibt es eine ganz interessante

Kampflinie, weil die Öffentlich-Rechtlichen versuchen, alles das, was im digitalen Bereich frei wird, für sich zu besetzen. Wir wollen, dass von dieser digitalen Dividende etwas übrig bleibt, damit wir auch die Versorgung im Breitbandbereich im privaten Bereich mit erledigen können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Insofern darf ich sagen, dass es dabei eine Reihe von Grundsatzfragen gibt. Der Beirat bei der Bundesnetzagentur hat am 26. Mai die Bundesnetzagentur beauftragt, die Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Optionen der digitalen Dividende zu untersuchen. Ich rechne Ende dieses Monats mit einem Zwischenbericht. Dann werden wir weitersehen.

Meine Damen und Herren, ich begrüße es sehr, dass sich die Koalitionsfraktionen des Themas wieder angenommen haben. Ich sage zur Opposition, dass ich all dem, was Sie hier vorgetragen haben, positiv entnehme, dass Sie die beiden Koalitionsfraktionen und die Regierung auf ihrem richtigen und sinnvollen Weg unterstützen. Das ist gut so.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der SPD-Fraktion steht noch eine Redezeit von 3:30 Minuten zu. Herr Hausmann hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Hirche, es hat Sie doch verwundert, dass wir noch einen Antrag gestellt haben und dass er so kurz nach Ihrem gekommen ist. Ich muss sagen, ich war viel verwunderter darüber, dass Sie als SPD- und FDP-Fraktion einen Antrag gestellt haben.

(Jörg Bode [FDP]: CDU muss es hei- ßen!)

- CDU. Entschuldigung. - Denn Sie behaupten ja, Sie haben in der Vergangenheit etwas für die Breitbandversorgung getan. Eigentlich spielen Sie uns mit Ihrem Antrag sehr gut in die Karten. Denn das zeigt - das habe ich versucht, klarzumachen -, dass Sie in den zwei Jahren nichts getan haben. Wir haben diesen Antrag dazu vorbereitet.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Das einzig Neue, von dem wir gehört haben, ist Ihr Kompetenzzentrum. Ich behaupte ganz einfach, wenn Sie ein Kompetenzzentrum einrichten, dann muss das auch Kompetenz haben. Es bringt Ihnen überhaupt nichts, wenn Sie ein Kompetenzzentrum einrichten, das nicht einmal über finanzielle Mittel verfügt.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: 17 Millionen Euro werden dort verteilt! Das hat er doch gesagt!)

- Dann nehmen wir es einmal hin, dass es 17 Millionen Euro sind.

(Zurufe von der CDU)

Ich bitte darum, keine Dialoge zu führen. - Herr Hausmann, führen Sie weiter aus.

Zumindest wurde das nicht genannt. Ich habe erst von Herrn Hirche gehört, dass 17 Millionen Euro bereitgestellt worden sind. Wir nehmen Sie aber gern beim Wort, dass die 17 Millionen Euro dann auch ausgegeben werden. Denn es ist wirklich so: In vielen Bereichen wartet man darauf, dass endlich etwas geschieht, und es passiert eigentlich überhaupt nichts bei der Breitbandversorgung. Deshalb, meine ich, muss etwas kommen.

Im Übrigen: Wir haben den Antrag nicht vorbereitet, weil Sie auch einen Antrag eingebracht hatten, sondern wir hatten ihn vorher schon vorbereitet. Wir haben ihn vielleicht kurze Zeit nach Ihrem abgegeben.

(Zuruf von der SPD: Weil wir wussten, dass Sie nichts machen!)

Wir waren davon überzeugt, dass wir etwas machen mussten, weil Sie das nicht tun. Das war der Grund für unsere Entscheidung, diesen Antrag einzureichen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren! Zur Beratung liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Beratung geschlossen.

Herr Bartling hat darum gebeten, zur Geschäftsordnung sprechen zu dürfen. Ich erteile ihm dazu das Wort.