Protokoll der Sitzung vom 07.12.2010

„Die Dienststelle ist verpflichtet, Hinweisen auf sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz nachzugehen und durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass sie unterbleiben.“

Fünftens. § 11 - Stellenausschreibungen. Hier muss § 7 des geltenden NGG wieder hinein, der lautet:

„In allen Bereichen, in denen ein Geschlecht unterrepräsentiert ist, sind Stellen grundsätzlich öffentlich auszuschreiben.“

Um qualifizierten Frauen und Männern eine Chance für eine Anstellung im öffentlichen Dienst zu geben, müssen Stellen grundsätzlich öffentlich und nicht nur intern ausgeschrieben werden. Die Reduzierung auf die interne Ausschreibung greift zu kurz.

Sechstens. § 18 - Bestellung der Gleichstellungsbeauftragten. Nach dem geltenden NGG hat jede Landesdienststelle, die eigene Personalentschei

dungen trifft, eine Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Künftig werden nur noch Dienststellen eine Gleichstellungsbeauftragte haben müssen, die 50 und mehr Beschäftigte haben. Danach werden ca. 130 Landesdienststellen nicht mehr die Verpflichtung haben, eine Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen.

(Petra Tiemann [SPD]: Traurig, traurig!)

Sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf ist offiziell bestätigt, dass die Frauenförderung für diese Landesregierung unwichtig ist. Die SPD wird ihn ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, bevor es zu spät ist, noch ein ehrlicher Versuch von mir, zu einem gemeinsamen Ziel zu kommen. Seien Sie klug! Stimmen Sie dem Gesetzentwurf der SPD zu, streichen Sie den § 26, entfristen Sie das geltende Gesetz, und beraten Sie Ihren Gesetzentwurf verantwortungsvoll und unter Einbeziehung der Anhörungsergebnisse noch einmal, ohne dass der 31. Dezember 2010 als zwingendes Datum die Beratungen treibt!

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Twesten. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Die zentrale Frage bei dem nun vorliegenden Gesetzestext lautet allerdings: Was ist neu an dieser Novelle?

Wenn man sich auf die Suche nach wirklichen Neuheiten macht, ist das Ergebnis ziemlich niederschmetternd: Fehlanzeige!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben sich nämlich nicht einmal die Mühe gemacht, neue, richtungsweisende Impulse für eine moderne Frauen- und Gleichstellungspolitik einzuarbeiten, und ein Gesetz vorgelegt, welches in keiner Weise den aktuellen Erfordernissen Rechnung trägt.

(Roland Riese [FDP]: Da irren Sie aber sehr, Frau Twesten!)

In Niedersachsen haben wir ein Gesetz aus dem Jahre 1994. Eine Novelle des NGG im Jahre 2010 hätte eigentlich zu einer Sternstunde für die rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen werden können. Weit gefehlt!

(Zustimmung bei der LINKEN - Nor- bert Böhlke [CDU]: Doch, das ist sie!)

Mit dem bisherigen NGG haben wir in Niedersachsen einen erfolgreichen Beitrag zur Chancenverbesserung geleistet, weil wir eine klare Vorstellung davon haben, wie man dieses Ziel verwirklicht. Bei uns gilt nämlich nach wie vor ohne Wenn und Aber: Nur die Hälfte der Macht für die Männer!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Hälfte von 100 sind 50. Genau dieser Anteil von Frauen sollte sich in einem Gesetz mit Vorbildfunktion auch für die Privatwirtschaft wiederfinden.

Das, was Sie uns jetzt unter dem Deckmäntelchen Ihrer Definition von Gleichstellung präsentieren, verdient diesen Namen allerdings nicht. Die nun vorliegende Fassung bewegt sich weit weg vom eigentlichen Frauenförderaspekt in die falsche Richtung. Unterrepräsentanz greift künftig ab einem Männeranteil von 45 %. Man stelle sich das vor! Damit brechen für Frauen in Niedersachsen rabenschwarze Zeiten - im wahrsten Sinne des Wortes - an.

(Oh! bei der CDU - Roland Riese [FDP]: Ach!)

Wenn ein Gleichberechtigungsgesetz künftig dafür sorgt, dass Männern eine besondere Förderung zukommt, sobald ihr Anteil in den Behörden unter 45 % sinkt, dann schreiben CDU und FDP heute tatsächlich den Schlussakt in der Tragödie „Frauenpolitik unter Schwarz-Gelb“.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Lachen bei der FDP)

Fortan wird es in Niedersachsen keine Frauenpolitik mehr geben. Mit der heutigen Abschaffung des erfolgreichen rot-grünen Gleichberechtigungsgesetzes und der Einführung des schwarz-gelben Vereinbarkeitsgesetzes wird der Vorhang fallen.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Das ist sehr einseitig dargestellt!)

Damit Frauenförderung an sich gelingt, weil es eben um mehr geht als nur um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, müssen Wirtschaft und

Verwaltung Instrumente wie die bisher erfolgreich praktizierte landesweite Quote von 50 % an die Hand bekommen.

Sie ignorieren diese Realität.

(Norbert Böhlke [CDU]: Nein!)

Sie tun so, als wäre Gleichberechtigung schon erreicht.

(Norbert Böhlke [CDU]: Nein!)

Herr Böhlke, es kann aber nicht sein, Kindererziehung gegen Frauenförderung auszuspielen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Norbert Böhlke [CDU]: Das machen wir auch nicht! Das hätten Sie nur gerne!)

Sie wissen so gut wie ich, dass nicht nur Mütter weniger Chancen auf gutbezahlte Führungspositionen haben. Wie wollen Sie den Frauen, die keine Kinder haben und an denen die männlichen Kollegen trotzdem vorbei befördert werden, eigentlich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gerecht werden?

(Ina Korter [GRÜNE]: Überhaupt nicht! Das wollen sie gar nicht! - Nor- bert Böhlke [CDU]: Das ist ein ganz anderes Problem, Frau Kollegin! - La- chen bei den GRÜNEN)

- Das ist Ihr Problem.

Nicht länger müssen Dienststellen zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Außerdem kann künftig jede Dienststelle über ihr eigenes Gleichstellungsprofil entscheiden.

An diesem Drama werden wir uns nicht beteiligen. Wir wissen, was wir an dem bewährten und erfolgreichen Gesetz haben, mit dem wir in den letzten 16 Jahren viel erreicht haben. Die Gleichstellung ist eines der zentralen Motive von Bündnis 90/Die Grünen. Das alte, bewährte Gesetz abzuschaffen, ist ein Rückschritt in der Frauenförderung um mehrere Jahrzehnte.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Was?)

Wir hätten uns ein Gleichstellungsgesetz gewünscht, das diesen Namen verdient.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Nächste Rednerin ist für die Fraktion DIE LINKE Frau Flauger. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Deutschland beträgt der Frauenanteil bei Alleinerziehenden 90 %, bei Teilzeitarbeit 87 %, bei unbezahlter Arbeit 80 %, in Politik und Parlamenten 33 %, in Aufsichtsräten 10 % und in Vorständen weniger als 1 %. Wir sind also weit davon entfernt, dass Frauen die Hälfte des Einflusses und der Macht in unserer Gesellschaft haben. Wir sind allerdings sehr nah daran, dass Frauen die unbezahlte und schlecht bezahlte Arbeit in dieser Gesellschaft allein machen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Die Ursache dieses Skandals ist die immer noch vorhandene strukturelle Diskriminierung von Frauen dadurch, wie sie sozialisiert sind und wie sie gesehen werden.

Der Gesetzentwurf der CDU und der FDP geht also von der völlig irrigen Annahme aus, dass Frauen und Männer gleichermaßen benachteiligt sind. Das stimmt aber nicht.