Ich eröffne die Beratung. Seitens der CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Lammerskitten zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor wir über das zur Debatte stehende Gesetz entscheiden, tut offensichtlich eine Klarstellung not.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir reden hier nicht über die Regelung oder Änderung einer Dolmetschervergütung, sondern wir reden über die Regelung einer allgemeinen Beeidigung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie der Ermächtigung von Übersetzerinnen und Übersetzern.
Dafür, dass wir darüber reden, gibt es einen guten Grund. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon im Januar 2007 entschieden, dass besagte Beeidigung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern und Ermächtigung von Übersetzerinnen und Übersetzern als Berufsausübungsregel zu verstehen ist. Konkret heißt das: Es reicht nicht aus, diese Sachverhalte durch eine Verwaltungsvorschrift zu regeln. Der Gesetzgeber muss vielmehr eine verlässliche und fundierte Rechtsnorm schaffen.
Nichts anderes machen wir mit dem vorliegenden Gesetz. Wir schließen also eine in Niedersachsen bisher bestehende Lücke. Damit kommen wir nicht nur den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichtes nach, sondern tragen auch der wachsenden Bedeutung von Dolmetschern und Dolmetscherinnen in Gerichtsverfahren Rechnung.
Der Anteil von Verfahrensbeteiligten - egal ob Zeugen, Parteien oder Angeklagte -, die wenig oder kein Deutsch sprechen, ist gestiegen. Alle Beteiligten aber haben ein Recht darauf, das Verfahren zu verstehen und selber verstanden zu werden. Das besagt schon Artikel 103 des Grundgesetzes. Es gibt also viele gute Gründe, dieses Gesetz zu verabschieden.
Inhaltlich führt es eine allgemeine Beeidigung ein, die Verfahren vereinfacht, da vor Gericht nicht jeder Dolmetscher und nicht jede Dolmetscherin einzeln vereidigt werden muss. Das Gesetz sieht einen Eignungsnachweis für Dolmetscher und Übersetzer vor.
Dies schafft Verlässlichkeit. Es bündelt die Beeidigung beim Landgericht Hannover, anstatt sie auf alle elf Landgerichte zu verteilen. Dies war übrigens eine Idee des Landesrechnungshofs, die nicht zuletzt der Kostenersparnis dient.
Weiterer wesentlicher Inhalt des Gesetzes ist die Einrichtung eines Dolmetscher- und Übersetzerverzeichnisses, das die Auswahl geeigneter Dolmetscher wesentlich erleichtert, weil es neben Namen und Anschrift auch Beruf und zusätzliche Qualifikationen aufführt.
Dieses Verzeichnis - es ist wichtig, das zu betonen - ist nur für Behörden und Gerichte einsehbar. Insofern dürfte es auch nicht problematisch sein, dass aus dieser Liste hervorgeht, ob ein Dolmetscher eine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen hat oder ob ihm die gesetzliche Vergütung zusteht. Im Gegenteil, diese Information ist wichtig, um richtig zu vergüten. Sie ist nur den unmittelbar Beteiligten zugänglich, nicht aber Außenstehenden.
Noch ein Wort zu den Vergütungsvereinbarungen. Sie haben mit Lohndumping nichts zu tun, sondern sind eine in § 14 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes des Bundes ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der Vergütung. Damit ist keineswegs gesagt, dass die Gerichte künftig nur noch Personen zum Dolmetschen heranziehen werden, die eine solche Vereinbarung mit dem Land abgeschlossen haben. Die Auswahl der Dolmetscher obliegt den Gerichten, und zwar nur den Gerichten.
Insgesamt gilt also: Dieses Gesetz schafft Transparenz und Verlässlichkeit. Es vereinfacht unsere ohnehin oft sehr langwierigen Gerichtsverfahren und schließt eine Lücke, die in Niedersachsen bisher bestand. Das sind Gründe genug, das Gesetz so auf den Weg zu bringen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegt heute der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz und des Gesetzes über Kosten im Bereich der Justizverwaltung zur Beschlussfassung vor.
Der Kern des Gesetzes wird leider aus dem Titel überhaupt nicht deutlich; denn es handelt sich um ein Gesetz, das im Wesentlichen die Dolmetscher und Übersetzer im Land Niedersachsen betrifft. Herr Lammerskitten, im Gegensatz zu dem, was Sie gerade ausgeführt haben, geht es sehr wohl auch um die Vergütungsregelungen für die Dolmetscher und Übersetzer.
Der erste Punkt ist, dass die Verordnung, die seit 1953 bestanden hat, ein sehr stolzes Alter für eine solche Regelung hat. Sie ist allerdings überholungsbedürftig, weil es - das ist der zweite Punkt - 2007 ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes gegeben hat, das die Bundesländer auffordert, gesetzliche Regelungen in diesem Bereich zu schaffen. Das war bei den Übereinstimmungen aber auch alles.
Was ist in den letzten fast vier Jahren seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts passiert? - Das Justizministerium hat den vorliegenden, aus unserer Sicht unzulänglichen Gesetzentwurf erarbeitet und Anfang 2009 ins Verfahren gebracht. Seit Anfang 2009 ist der Gesetzentwurf quasi bis zur Beratung im September in der Versenkung verschwunden, das Thema wurde aus unserer Sicht kaum bearbeitet.
Die Vorlage eines Gesetzes sollte aus unserer Sicht in erster Linie eine Qualitätsverbesserung zum Schwerpunkt haben. Auch das ist im vorliegenden Fall aus unserer Sicht überhaupt nicht der Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Über die Hintergründe, warum die Regierungsfraktionen - bzw. das Justizministerium - nicht die Qualitätsverbesserung in den Vordergrund gestellt haben, kann man an der Stelle nur mutmaßen. Sollte es darum gehen, die Prozessqualität zu verbessern? Oder sollte es an dieser Stelle durch die Entpflichtung und Neubestellung der Dolmetscher darum gehen, Gebühren einzunehmen? Wir sind heute schließlich bei den Haushaltsplanberatungen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wollen Sie den multilingualen Taxifahrer oder den gut ausgebildeten Sprachwissenschaftler als Dolmetscher und Übersetzer in den Prozessen haben? - Diese Antworten sind Sie im Beratungsverfahren schuldig geblieben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Entscheidende Qualitätsverbesserungen wären z. B. auf der Grundlage des bayerischen oder des sächsischen Modells möglich gewesen. Hierzu hat Ihnen entweder der Mut oder aber der Wille gefehlt, die Prozessqualität und die Qualität der Übersetzungen in den Vordergrund zu stellen. Im vorliegenden Gesetz ist hingegen nicht ersichtlich, ob es verbindliche Prüfungen oder einen anderen Nachweis über sichere Kenntnisse in der deutschen Rechtssprache geben soll. Auch das haben wir sehr ausführlich im Ausschuss erörtert, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Aus unserer Sicht völlig inakzeptabel ist aber das künftige Verzeichnis der Dolmetscher und Übersetzer, aus dem sich insbesondere ergeben soll, ob es mit dem Land Niedersachsen eine Vergütungsvereinbarung gibt. Richtig ist, dass diese Liste nur für die Gerichte und für diejenigen einsehbar ist, die sie verwalten. Aber Sinn der Vergütungsvereinbarung ist es, eine unter dem Bundesdurchschnitt, der derzeit bei 55 Euro liegt, liegende Vergütung zu erreichen, die etwa bei 40 Euro liegt.
Sie wollen also an dieser Stelle die Kosten drücken. Das deutet für uns darauf hin, dass Sie einen Verdrängungswettbewerb erzeugen wollen, der zulasten der kleinen Büros und zugunsten der großen Übersetzungsfabriken in diesem Land gehen wird, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Im Zweifel werden Sie mit diesem Verfahren - auch wenn Sie es eventuell nicht gewollt haben - dafür sorgen, dass es ein sogenanntes Lohndumping geben wird; denn es werden nur noch Menschen beschäftigt sein können, die zu diesen günstigen Konditionen arbeiten.
Gerade die FDP als die Partei der Freiberufler müsste sich die Frage stellen: Wie soll sich jemand, der zu einem Stundensatz von 40 Euro arbeitet, nebenher ein Büro und gegebenenfalls Hilfskräfte leisten können, die sie in der Arbeit unterstützen? Oder zielen Sie an dieser Stelle auf den multilingualen Taxifahrer ab, dessen Haupterwerb das Taxifahren ist und so zu diesen Konditionen arbeiten kann? Wahrscheinlich werden Sie auf Leute setzen, die einen Zweitjob brauchen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Da sind wir nicht an Ihrer Seite!
Die dritte Baustelle in diesem Gesetz ist das Thema Bestandsschutz für die bereits vereidigten und ermächtigten Dolmetscher und Übersetzer, meine Damen und Herren. Sie haben zwar auf den Druck der Verbände hin den Bestandsschutz bis 2015 ausgeweitet. Aber das ist aus unserer Sicht völlig unzureichend. Aus unserer Sicht müssen alle bisher vereidigten und ermächtigten Dolmetscher und Übersetzer einen unbefristeten Bestandsschutz erhalten.
Gerade für die bewährten Fachkräfte sollte es möglich sein, ihre Tätigkeit ohne erneute Prüfung und ohne gebührenpflichtige Bestellung fortzusetzen; denn diese Menschen haben sich bisher in den Prozessen bewährt. Dies ist im Übrigen auch bei Freiberuflern wie bei Rechtsanwälten und Notaren selbstverständlich. Oder soll künftig auch dieser Personenkreis bei jeder Gesetzesänderung neu bestellt werden, neu verpflichtet werden und erneut Gebühren zahlen? Da gibt es eine Ungleichbehandlung bei den Freiberuflern.
Die Verbände haben darüber hinaus ganz erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet, die der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst für uns in der Beratung nicht eindeutig ausräumen konnte.
Diese drei Punkte, meine sehr geehrten Damen und Herren, reichen für uns aus, dass wir hier diesen Gesetzentwurf wie im Ausschuss ablehnen werden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lammerskitten, Sie hätten eigentlich einmal in die Begründung zum Gesetzentwurf schauen sollen. Da findet sich nämlich folgende Passage zum Zweck des Gesetzes: Zweck des § 9 e des Gesetzentwurfs ist es, dass die Gerichte eine Liste zur Verfügung haben, die es ihnen er
möglicht, geeignete Dolmetscher zu finden. Das heißt, die Gerichte werden genau auf diese Liste gelenkt.
In dieser Liste wird nun angemerkt - das ist das Teuflische an diesem Gesetzeswerk -, welcher Dolmetscher und welcher Übersetzer diese Vergütungsvereinbarung unterschrieben hat, deren Betrag unter der gesetzlichen Vergütung liegt, die im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz geregelt ist.
Das heißt, diese Tür, die vom Bundesgesetzgeber sozusagen für eine neoliberale Lohndumpingregelung geöffnet worden ist, haben Sie begierig aufgegriffen, um auf diese Weise den Richtern und Staatsanwälten, die die Dolmetscher einsetzen, den Weg zu weisen, die Dolmetscher zu beschäftigen und ihnen weniger zu zahlen, als üblich ist.