Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

Für all das bieten Sie keine Lösungen an. Darum haben Sie dieses Thema für die Aktuelle Stunde gewählt, obwohl es gar nicht aktuell ist.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wir wollen auch vom Kommunismus ablenken!)

Meine Damen und Herren, es ist unstrittig - dafür hätte es keiner Aktuellen Stunde bedurft -, dass die Luft- und Raumfahrtindustrie mit den entsprechenden Forschungs- und Fertigungskapazitäten in Niedersachsen stark und gut vertreten ist. Wie gesagt: Das ist gut, aber dafür hätte es keiner Aktuellen Stunde bedurft.

Für Braunschweig, meinem Wahlkreis, ist der Forschungsflughafen zu nennen, um den sich eine Vielzahl von Forschungs- und Entwicklungsfirmen angesiedelt hat. Die Linke befürwortet im Bereich der Weltraumforschung ausdrücklich globale Erkundungen von großem Nutzen für Natur und Umwelt. Aber die bemannte Raumfahrt - ich sage das hier unmissverständlich - ist wiederum in erster Linie ein Prestigeobjekt weitgehend ohne wissenschaftlichen Nutzen. Auch darauf will ich hinweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke lehnt den Missbrauch - ich verwende diesen Begriff ganz bewusst - von Standorten der Luft- und Raumfahrt für militärische Zwecke ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider ist es aber eine Tatsache, dass wehrtechnische Forschungsvorhaben in der Luft- und Raumfahrtindustrie auch in Niedersachsen großen Raum einnehmen. So hatte die Landesregierung in ihrer Antwort auf eine entsprechende Kleine Anfrage meines Fraktionskollegen Victor Perli vom 17. Dezember 2008 Folgendes geantwortet - Zitat -: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat darauf hingewiesen, dass es sich bei den wehrtechnischen Forschungsvorhaben um Verschlusssachen handelt. Es sind deswegen keine detaillierten Angaben zu den einzelnen Projekten, sondern nur die allgemeinen Informationen zu den finanziellen Aufwendungen zu geben. - Ende des Zitats der Landesregierung.

Meine Damen und Herren, wenn über dreistellige Euro-Millionensummen des Landes für die Luft- und Raumfahrt gesprochen wird, für die sich die Landesregierung und die sie tragende Koalition so vehement einsetzen, darf nach Auffassung der Linken nicht darüber hinweggesehen werden, dass andere Bereiche derartige Privilegien nicht haben - im Gegenteil!

(Beifall bei der LINKEN)

Wer sich die Festlegungen des Finanzministers hinsichtlich der zur Erwirtschaftung der zweiprozentigen Einsparaktion herangezogenen Perso

nalausgaben vom 1. Dezember genauer ansieht, wird u. a. feststellen: Der Finanzminister will Personalausgaben für die ohnehin im Landeshaushalt völlig unterfinanzierte Förderung der nicht staatlichen Theater sowie der Soziokultur bzw. der kulturellen Jugendbildung in einem Umfang von über 1 Million Euro kürzen. Das sind umgerechnet mindestens 15 Vollzeitstellen, die in einem für die Lebensqualität so wichtigen und ohnehin unterfinanzierten Bereich wie der Soziokultur nach dem Willen der Landesregierung in diesem Fall wegfallen sollen.

Meine Damen und Herren, der Standort für Luft- und Raumfahrt in Niedersachsen ist wichtig. Wir haben es gesagt. Es gibt dort viele Arbeitsplätze, und wir freuen uns, dass Airbus diesen Erfolg hatte. Trotzdem hat die CDU damit bei der Aktuellen Stunde das Thema verfehlt.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Kollegen Rickert von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Thema ist nach meiner Meinung hoch aktuell, wenn man z. B. die Schlagzeile der Nordwest-Zeitung von gestern liest, in der es heißt: „Airbus überflügelt Boeing - bis zu 3 000 neue Stellen“. Das ist ein Erfolg, und dieser Erfolg ist hart erkämpft. Man sollte ihn nicht schlechtreden,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

und, Herr Hagenah, man sollte auch nicht alles glauben, was bei WikiLeaks steht.

Ein Blick in die Vergangenheit lohnt sich, um festzustellen, wie hoch aktuell diese Schlagzeile bezüglich der 3 000 neuen Stellen ist. Wir haben nämlich schon andere Überschriften erlebt. Wer von uns kennt noch das Rationalisierungsprogramm mit dem beziehungsreichen Namen DOLORES, dem Hunderte von Arbeitsplätzen zum Opfer fallen sollten, auch an den Werksstandorten im Nordwesten, nämlich Nordenham, Varel und Lemwerder?

Nachdem wir dieses Szenario einigermaßen überstanden hatten - es kam nicht ganz so schlimm -, flatterte ein neues Projekt aus dem Hause EADS auf den Tisch. Power8 hieß es, ein Sanierungsprogramm; Herr Will hat schon darauf hingewiesen. Es drohte der Verkauf auch der niedersächsi

schen Standorte mit ungewissem Ausgang für die Beschäftigten.

Im Februar 2007 haben Kollegen aller Fraktionen sowohl aus dem Bundestag als auch aus dem Landtag gemeinsam mit den Kommunalvertretern der Landkreise Friesland und Wesermarsch in der sogenannten Oldenburger Erklärung eine Absicherung und Stärkung der Airbusstandorte Nordenham und Varel gefordert. Dazu gehört im Wesentlichen der Wunsch des Verbleibs der Werke im Airbusverbund. Die Linken waren damals noch nicht dabei. Wie wenig kompetent sie in dieser Angelegenheit sind, hat eben auch der Redebeitrag von Frau Weisser-Roelle gezeigt.

(Zustimmung bei der CDU - Kreszen- tia Flauger [LINKE]: Nun ist aber mal gut!)

Dann ist es nicht nur bei Erklärungen geblieben, sondern die Landesregierung hat sich mit Zustimmung der Regierungsfraktionen wider alle ökonomische und ordnungspolitische Vernunft mit 80 Millionen Euro am EADS-Konzern beteiligt. Wir haben dies getan, um der sehr national ausgerichteten französischen Industriepolitik deutlich zu machen, dass auch deutsche Interessen zu wahren sind. Ich glaube, das ist verstanden worden.

Darüber hinaus hat die Landesregierung im Haushalt für das Jahr 2008 zusätzliche Mittel für die Forschung und die Entwicklung der CFK-Technologie bereitgestellt. Dies soll in den nächsten Jahren fortgesetzt werden und dient der Entwicklung der Produktionstechnologie für diese neuartigen Komponenten, u. a. in Nordenham, aber auch in Stade. Weitere Entwicklungsprojekte wie das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum in Braunschweig sind hier schon erwähnt worden.

Zurück zu Airbus: Die Entwicklung nahm dann schließlich ein positives Ende. Es kam zur Gründung der Premium Aerotec GmbH. Im Februar 2009 hat sich der Gesamtbetriebsrat für die Unterstützung durch die Landespolitik bedankt. Ich zitiere noch einmal aus der NWZ hier vom 18. Januar, und zwar die Aussagen vom Gesamtbetriebsratvorsitzenden Busch aus Varel:

„Wir haben als Premium Aerotec einen wesentlichen Beitrag geleistet, dass Airbus die neuen Großaufträge realisieren konnte.“

Meine Damen und Herren, warum sage ich das alles? - Hier zeigt es sich, dass das Setzen auf industrielle Produktion, das Setzen auf Ingenieur

wissen und Facharbeiterkönnen für den Erfolg der deutschen Wirtschaft richtig war und richtig ist. Das gilt es gegen alle Bedenkenträger weiter voranzutreiben. Insofern ist dieses Thema hoch aktuell.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort hat nun der Ministerpräsident. Herr McAllister, bitte schön!

(Ralf Briese [GRÜNE]: Jetzt kommt das niedersächsische Mondflugpro- gramm!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst eine Anmerkung zum Kollegen Will: Sie wissen, dass der Vermittlungsausschuss heute in Berlin tagt. Sie wissen, dass Jörg Bode dort unsere Interessen vertritt. Sie wissen auch, dass sich Herr Bode rechtzeitig bei Ihrer Parlamentarischen Geschäftsführerin abgemeldet hat. - Das wollte ich der Vollständigkeit halber und mit der Bitte um Fairness hier vorgetragen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Vorredner haben bereits darauf hingewiesen: Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist ein für unser Land ganz wichtiger Wirtschaftsbereich, in dem wir auch für die nächsten Jahre Potenzial sehen. Wir rechnen in dieser Branche in den nächsten zehn Jahren mit einem überproportionalen Wachstum von 5 % bis 8 %. Wir haben in Niedersachsen rund 30 000 Beschäftigte in mehr als 250 Unternehmen. Die Niedersächsische Landesregierung sieht in diesem Wirtschaftszweig einen Schwerpunkt. Sie wird diesen Schwerpunkt auch in den nächsten Jahren weiter intensiv begleiten.

Sie alle wissen, dass auf Initiative von Ministerpräsident Wulff die Landesregierung, tatkräftig unterstützt durch die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP, damals ein 100-Millionen-Euro-Programm beschlossen hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dieses 100-Millionen-Euro-Programm trägt erste ganz wichtige Früchte. Erstens. An erster Stelle steht natürlich das CFK-Forschungszentrum Nord in Stade, das mit rund 66 Millionen Euro vom Land Niedersachsen unterstützt wurde. Die Einweihung im Septem

ber 2010 hat mir persönlich gezeigt, dass wir in Niedersachsen bei der CFK-Forschung weltweit eine Spitzenstellung einnehmen. Meine Damen und Herren, darauf sind wir stolz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Weitere Landesmittel in Höhe von 17,5 Millionen Euro gehen nach Varel für ein Technologie- und Ausbildungszentrum. Mit der Fertigstellung ist im Sommer dieses Jahres zu rechnen.

Drittens. In Nordenham werden die Ergebnisse der CFK-Forschung in die Serienfertigung umgesetzt. Dazu wird in Nordenham ein Technologiezentrum errichtet. Die Fertigstellung erfolgt ebenfalls im Sommer 2011. Für Gebäude und Forschungsprojekte sind Landesmittel in Höhe von 13,5 Millionen Euro vorgesehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, damit legen wir in Niedersachsen den Grundstein für eine erfolgreiche Entwicklung an den genannten Standorten. Die Mittel sind gut angelegt, weil wir dadurch Tausende von Arbeitsplätzen erhalten und mehrere Hundert Arbeitsplätze neu geschaffen werden. Meine Damen und Herren, das ist nicht vom Himmel gefallen, wie hier einige meinen, behaupten zu müssen, sondern das ist das konkrete Ergebnis intelligenter niedersächsischer Wirtschafts- und Technologiepolitik.

Wir setzen einen ganz besonderen Schwerpunkt beim Thema CFK. Weltweit wird CFK als der Leichtbauwerkstoff der Zukunft angesehen. CFK-Bauteile werden derzeit noch mit einem hohen handwerklichen und finanziellen Aufwand hergestellt. Eine automatisierte Herstellung wird die Produktionskosten senken und die Produktionszeiten erheblich verkürzen. Meine Damen und Herren, im Bereich CFK haben wir in Niedersachsen uns weltweit eine Spitzenstellung erarbeitet. Das sehen Sie auch daran, dass am 1. Februar in Wischhafen im Landkreis Stade das weltweit erste CFK-Recycling-Zentrum seine Arbeit aufnehmen wird. Auch das ist ein ganz toller Erfolg für ein mittelständisches Unternehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt kommt es darauf an, die Kompetenz in Sachen CFK noch stärker bekannt zu machen und nach Möglichkeiten zu suchen, diesen Werkstoff auch in anderen Branchen, beispielsweise in der Automobil- oder der Windenergiebranche, einzusetzen.

Schließlich: Ein weiteres, neben vielen anderen herausragendes Cluster befindet sich in Braunschweig im Bereich der Luftfahrt. Sie wissen, der Flughafen in Braunschweig ist der zweitgrößte Forschungsflughafen in Europa. In Braunschweig wird daran geforscht, dass Flugzeuge künftig leichter, leiser, verbrauchsärmer und noch sicherer werden. Das Land Niedersachsen hat alle Aktivitäten rund um den Forschungsflughafen stets unterstützt. Wir sind fest entschlossen, dass der Forschungsflughafen in der zweitgrößten Stadt unseres Landes zum Avionik-Cluster Braunschweig ausgebaut wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zusammengefasst: Die Luft- und Raumfahrtbranche in Niedersachsen ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Unsere Unternehmen und die Forschungseinrichtungen genießen weltweit einen sehr guten Ruf. Die Luft- und Raumfahrtinitiative Niedersachsen Aviation hat 2010 dafür gesorgt, dass die Akteure bei uns in Niedersachsen noch näher zusammengerückt sind und der Luftfahrtstandort Niedersachsen bundesweit bekannter geworden ist. Die Landesregierung wird diesen erfolgreichen Weg fortsetzen.