Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

Zusammengefasst: Die Luft- und Raumfahrtbranche in Niedersachsen ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Unsere Unternehmen und die Forschungseinrichtungen genießen weltweit einen sehr guten Ruf. Die Luft- und Raumfahrtinitiative Niedersachsen Aviation hat 2010 dafür gesorgt, dass die Akteure bei uns in Niedersachsen noch näher zusammengerückt sind und der Luftfahrtstandort Niedersachsen bundesweit bekannter geworden ist. Die Landesregierung wird diesen erfolgreichen Weg fortsetzen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu Punkt 3 a liegen mir nicht vor. Ich schließe die Besprechung und rufe Tagesordnungspunkt 3 b auf:

Kein „Hire and fire“ - Ganztagsschulen brauchen klare Regeln und sichere Verträge - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/3246

Dazu hat sich für die SPD-Fraktion die Kollegin Heiligenstadt zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen kurz die Schlagzeilen einiger Zeitschriften und Zeitungen der letzten Woche zitieren, die sich mit dem Thema der Ganztagsschulen und den Problemen an diesen Schulen beschäftigen. Da wird z. B. getitelt: „Fallen Ganztagsangebote ab

1. Februar 2011 aus?“, oder: „Schwarz-gelbes Ganztagsbilligmodell ohne Perspektive“, oder: „Ganztagsschule auf der Kippe?“, oder: „Honorarkraft klagt sich in Schule ein“, und: „Vertragswirrwarr an Schulen soll enden“. Meine Damen und Herren, die Probleme an den Ganztagsschulen sind damit klar benannt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Schulen leiden darunter, dass sie von Ministerium und Landesschulbehörde nicht ausreichend Unterstützung bekommen. Sie leiden darunter, dass sie mindestens alle zwei Jahre befristete Arbeitsverträge abschließen müssen, sodass sich die Schülerinnen und Schüler dann auf neues Personal einstellen müssen. Sie leiden darunter, dass möglicherweise Nachzahlungen zu Sozialversicherungsbeiträgen geleistet werden müssen, wodurch ihr Budget belastet wird. Sie leiden vor allen Dingen darunter, weil sie gern ein gutes Ganztagsangebot für ihre Schulen entwickeln möchten, aber nicht genug Ressourcen und Ausstattung dafür haben, um das wirklich tun zu können.

Das Kultusministerium hat nach mehrmaligem Hin und Her Hinweise zu Vertragsgestaltungen für die Ganztagsschulen an die Schulen geschickt. In vielen Gesprächen mit Schulleitungen ist mir mitgeteilt worden, dass sie pflichtschuldig die Verträge an die Landesschulbehörde zur Überprüfung geschickt haben, aber bis heute noch keine Antwort erhalten haben. Das ist auch kein Wunder, wenn - wie mir berichtet wird - maximal vier Kräfte in der gesamten Landesbehörde die Überprüfung von nahezu 5 000 bis 7 000 Verträgen vornehmen müssen. Das ist definitiv nicht zu schaffen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Viele Schulleiterinnen und Schulleiter wissen ohne Antwort von der Landesschulbehörde bis heute nicht, wie sie im neuen Schulhalbjahr, also in genau zwölf Tagen, die Ganztagsschule gestalten sollen, wie sie die Verträge abschließen sollen. So wird es möglicherweise dazu kommen, dass das Ganztagsangebot an einigen Schulen entweder reduziert oder aber der Unterricht mit unsicheren Arbeitsverhältnissen weitergeführt werden muss. Das kann nicht im Sinne eines rechtmäßigen Handelns sein.

(Beifall bei der SPD)

Wir sagen ganz eindeutig, die Verantwortung für diese Vertragsabschlüsse tragen nicht die Schullei

terinnen und Schulleiter, sondern die trägt die politische Spitze des Ministeriums. Die Ganztagsschule light, die die Schulträger zwingt, zu unterzeichnen, dass sie eine Ganztagsschule einrichten, aber die Kosten selber übernehmen müssen, ist zur Brutstätte prekärer Beschäftigungsverhältnisse geworden.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Damit das nicht missverstanden wird: Natürlich ist das nicht allein mit zusätzlichen Lehrerstellen zu lösen. Es ist auch richtig, dass verschiedene Professionen an Ganztagsschulen arbeiten. Vielfalt gehört zur Gestaltung von Ganztagsschule dazu. Nur dürfen die Menschen, die an Ganztagsschulen arbeiten, nicht in prekäre Beschäftigungsverhältnisse hineingedrückt werden, von denen keiner leben kann.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN)

So ist es z. B. nicht zu tolerieren, dass ein EDV-Administrator, der die EDV-Anlagen in der Schule wartet und eine Internet AG mit Schülerinnen und Schülern macht, als Honorarkraft bezahlt wird und außerdem mit Hartz IV sein Gehalt aufstocken muss.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN)

Wir heben so oft hervor, dass es um gute Arbeit, um ausreichende und ordentliche Bezahlung geht. Diese Landesregierung und mit ihr die CDU und die FDP haben aber mit ihrer Low-Budget-Politik in der Bildung erst dafür gesorgt, dass es zu diesen für alle Beteiligten prekären Verhältnissen kommt. Nun müssen Schulen und Schülerinnen darunter leiden.

(Daniela Behrens [SPD]: Unglaublich!)

Wir, meine Damen und Herren, fordern ganz eindeutig, dass es für gute Schulen und gute Ganztagsschulen in Niedersachsen Verbesserungen für alle Schulformen zumindest im Hinblick auf den teilgebundenen Ganztagsunterricht gibt, damit Schulen ihr pädagogisches Konzept, eine andere Rhythmisierung von Schulalltag und integrierte Förder- und Differenzierungskonzepte durchsetzen können. Wir erwarten da endlich ein Handeln der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Korter. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geiz ist manchmal doch nicht so geil! Als im Jahre 2003 die rot-grüne Bundesregierung ihr Ganztagsschulinvestitionsprogramm aufgelegt hat, hat in Niedersachsen die schwarz-gelbe Landesregierung sehr gerne zugegriffen. Ich erinnere mich noch gut, wie der damalige Kultusminister Busemann jede neue Schulmensa groß einweihte und sich dafür feiern ließ.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Und keinen Cent dazubezahlt!)

Zugleich hat sich die Landesregierung - Herr Kollege Jüttner, Sie wissen ja jetzt schon, was ich sagen will - streng an das Fielmann-Prinzip gehalten und selbst keinen einzigen Cent dazubezahlt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber nicht nur bei den Investitionskosten hat die Landesregierung gegeizt. Auch die Personalkosten für die neuen Ganztagsschulen wollte sie nicht tragen. Stattdessen hat sie damals schnell den Ganztagsschulerlass geändert und das Billigmodell, die niedersächsische Ganztagsschule light, kreiert. Statt mit festem Personal gute Ganztagsschule auf die Beine stellen zu können, sind die Schulen in Niedersachsen seitdem gezwungen, mit windigen Arbeitsverhältnissen, mit Honorarverträgen und befristeten Jobs zu jonglieren. Damit haben sie keinerlei Grundlage für eine verlässliche, kontinuierliche pädagogische Arbeit. Arbeitsrechtlich werden sie auf ein Glatteis gezwungen, auf dem sie sich leicht die Beine brechen können.

Die Landesregierung verlangt von den Schulen, dass sie nur befristete Honorar- und Arbeitsverträge abschließen. Das bedeutet, nach zwei Jahren müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgetauscht werden, weil sachgrundlose Befristungen länger nicht zulässig sind. Ich muss Ihnen, meine Damen und Herren, nicht klarmachen, pädagogische Arbeit lebt von der Kontinuität und von der Verlässlichkeit der Personen. Wie aber soll die möglich sein, wenn die Arbeitsverträge auslaufen und nicht verlängert werden können, und was bedeutet das für die Motivation der dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

In eine sehr schwierige Situation haben Sie die Schulleitungen gebracht, die für diese windigen Arbeitsverhältnisse jetzt einstehen sollen, die Experten für juristische Raffinessen im Arbeitsrecht zwischen Arbeitsverträgen, Dienstleistungsverträgen und Kooperationsverträgen werden sollen. Das Arbeitsgericht Hannover hat bereits jetzt einem als Honorarkraft angestellten Mitarbeiter recht gegeben und festgestellt, dass für ihn entgegen der Vertragsgestaltung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gilt. Dieses Urteil sei nicht überraschend, kommentiert der Hannoverschen Allgemeinen zufolge der Direktor des Arbeitsgerichts. Die Situation schreie nach einem Arbeitsverhältnis - nicht Honorarvertrag.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Genau!)

Meine Damen und Herren, wissen Sie, was das heißt? Das ist eine schallende Ohrfeige für diese Landesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Diese Landesregierung hat die Schulen nicht nur in rechtswidrige Arbeitsverträge getrieben. Sie muss sich auch fragen lassen, ob sie Schulen nicht sogar zu strafbaren Handlungen verleitet hat. In einer Reihe von Fällen hat die Deutsche Rentenversicherung nach Betriebsprüfungen bereits Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert. Es stehen sogar mögliche Strafverfahren wegen Sozialversicherungsbetrugs im Raum. Die Adressaten für diese Strafverfahren können aber nicht die Schulleitungen sein,

(Minister Dr. Bernd Althusmann: Sind sie ja auch nicht!)

sondern die Verantwortlichen sitzen in der Landesregierung selbst.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Die Verantwortung dafür liegt letztendlich allein bei den Kultusministerinnen und -ministern dieser schwarz-gelben Landesregierung: bei Herrn Busemann, bei Frau Heister-Neumann und jetzt bei Herrn Althusmann, zwei davon Juristen.

Ja, meine Damen und Herren, so kann billig manchmal doch ziemlich teuer werden. Herr Althusmann, Herr McAllister, das Ganztagsschulkonzept Ihrer Landesregierung, für das Sie sich seit Jahren immer derart loben, ist in jeder Hinsicht verantwortungslos, und es zeigt sich, dass es gescheitert ist.

Wir fordern Sie auf: Statten Sie die Ganztagsschulen endlich so aus, dass arbeitsrechtlich sinnvolle und gerichtsfeste Verträge gestaltet werden können und dass Ganztagsschule nicht nur draußen auf dem Schild steht, sondern dass auch wirklich gute Ganztagsschule möglich und drin ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dörthe Weddige- Degenhard [SPD])

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt das Wort an Frau Reichwaldt, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An Niedersachsens Ganztagsschulen herrscht große Verunsicherung. Lassen Sie mich ein Beispiel aus der Landeshauptstadt Hannover anführen.

Die Rosa-Parks-Hauptschule in Hannover-List verliert zum 1. Februar zehn ihrer freien Mitarbeiter, die sich bisher um das Ganztagsangebot gekümmert haben. In der Hannoverschen Allgemeinen vom 13. Januar wird die Schulleitung mit den Worten zitiert: Zwei Wochen vor dem neuen Schulhalbjahr wissen wir nicht, wie es weitergehen soll.

Verantwortlich für diese Situation ist die Landesregierung; denn die Landesschulbehörde hat der Schule verboten, die freien Mitarbeiter weiter zu beschäftigen. Gleichzeitig gibt es aber keine Alternativvorschläge. Der Zustand zwei Wochen vor dem neuen Schulhalbjahr kann wie folgt beschrieben werden: Es wird dort vermutlich demnächst kein ausreichendes Ganztagsangebot mehr geben.

Dazu gab es gestern, also am 18. Januar, eine entlarvende Erklärung des Kultusministers: Man hat ein Beratungsangebot für die Schulleitungen vorbereitet, das sie doch bitte in Anspruch nehmen mögen, um rechtssichere Verträge abzuschließen.

Am 18. Januar, also zwei Wochen vor dem Start in das neue Schulhalbjahr verkündet der Minister, dass die Landesschulbehörde „in den nächsten Tagen alle Schulleitungen von Ganztagsschulen kontaktieren und auf dieses Beratungsangebot hinweisen wird“. Ich wiederhole: in den nächsten Tagen.