Protokoll der Sitzung vom 20.01.2011

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Was ist denn mit Tierzucht und Pflanzen- zucht?)

Wenn Sie fragen, was dadurch verkompliziert würde, will ich darauf hinweisen, dass die Bürgerbusvereine dann sämtliche Anforderungen der Abgabenordnung, die Voraussetzung für die Gemeinnützigkeit sind, erfüllen müssten.

Im Übrigen wird der steuerrechtliche Status der Gemeinnützigkeit nicht auf Dauer verliehen, sondern in regelmäßigen Abständen überprüft, und bei jeder Überprüfung müssen die Vereine diesen Anforderungen dann auch Rechnung tragen. Die Anforderungen an gemeinnützige Vereine sind wesentlich höher als die Anforderungen an andere Vereine, die lediglich eine Einahmen-AusgabenRechnung erstellen; da sind zusätzlich andere Dinge wie die Einhaltung der Gemeinnützigkeitsbestimmung, der Nachweis der Mittel- und Spendenverwendung etc. gefordert. Sie hätten an der Stelle also eine ganze Menge mehr Aufwand als ein normaler Verein.

Vor allem aber macht es aus der Systematik heraus keinen Sinn, eine wirtschaftliche Tätigkeit in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke aufzunehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile dem Kollegen Dr. Sohn das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Klein, wenn sie recht haben, darf man ja auch einmal Unternehmer zitieren. Ich zitiere den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Landesgruppe Niedersachsen:

„Die Versorgung der Bevölkerung mit einer ausreichenden ÖPNV-Bedienung ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.“

- Da haben sie recht. -

„Sofern eine ausreichende Bedienung nicht unmittelbar durch die Verkehrsunternehmen hergestellt wird, obliegt es der öffentlichen Hand, durch Ausgleichszahlungen bzw. Fördermittel ein entsprechend verbessertes Bedienungsangebot zu ermöglichen. Hierbei sind selbstverständlich auch flexible Bedienungsformen wie Rufbusse, Anrufsammeltaxen etc. mit einzubeziehen.“

Ich hatte Ihnen bereits signalisiert, dass wir Ihren Antrag in der Fraktion durchaus kontrovers diskutiert haben. Das Entscheidende aus unserer Sicht sind die Wörtchen „obliegt es der öffentlichen Hand“. Der Kernpunkt ist die Versorgung in der Fläche durch Land und Bund. Der Antrag verweist darauf - und das ist für uns das Verdienstvolle dieses Antrags -, dass das Land unter der Führung von CDU und FDP bei der Gewährleistung dieser Aufgabe in immer mehr Gebieten versagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wird dadurch deutlich, dass diese Bürgerbusbewegung tatsächlich zunimmt. Ich möchte das an einem Beispiel aus dem Kreis Peine darstellen. Die Bewohner des Nordkreises Peine pendeln, wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln pendeln, überwiegend nach Hannover. Der Kreis Peine bietet aber keine Versorgung mit Bussen vom Nordkreis zu den nächstliegenden Bahnstationen Dollbergen oder Dedenhausen an. Der Kreis Peine als Träger der entsprechenden Verkehrsgesellschaft überlegt sogar schon, den Bustransport der Schüler zu strecken. Es geht also überhaupt nicht mehr um den Aufbau, sondern zunehmend um den Abbau der ÖPNV-Versorgung.

Insofern sehen auch wir die durch diesen Antrag aufgezeigte Notwendigkeit. Aus unserer Sicht ist es aber keine Lösung, den Druck von den öffentlichen Händen zu nehmen und eine Steuerbefreiung für wirtschaftliche Tätigkeiten zu gewähren, weil das Land diese Leistungen nicht anbietet. Wir sind der Meinung: Das ist eine Aufgabe der öffentlichen Hand und sollte es auch weiterhin bleiben.

Wie ich Ihnen bereits angekündigt hatte, werden wir uns deshalb bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten. Wir finden die Intention gut, weil sie deutlich macht, was hier vonseiten der CDU und der FDP alles verschlafen wird, aber der Lösungsweg ist das aus unserer Sicht nicht.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Siebels von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will für meine Fraktion zunächst erklären, dass uns der Antrag auf den ersten Blick nicht unsympathisch ist. Gerade im ländlichen Raum bei einer geringen Bevölkerungsdichte gibt es in der Tat ein Problem damit, den Bürgern ein ausreichendes Angebot im ÖPNV zur Verfügung zu stellen.

Die Grünen beabsichtigen, dieses Problem nun dadurch zu lösen oder jedenfalls zu mildern, dass Bürgerbusse in den Genuss von Steuererleichterungen kommen, nämlich durch die generelle Anerkennung der Gemeinnützigkeit.

Nun muss man wissen, dass die Träger des ÖPNV - im Regelfall die Kommunen - diese Aufgabe nur noch unter großen Anstrengungen ausführen können. Immer weitere Einnahmeverluste der Kommunen bei gleichzeitig wachsenden Aufgaben machen den Kommunen das Leben schwer, meine Damen und Herren. Daran ist - das muss deutlich gesagt werden - diese Landesregierung - vorsichtig formuliert - nicht ganz unschuldig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das war nett! Sehr zurückhaltend!)

In unseren Kommunen wirken außerdem die Schülerverkehre immer noch als Rückgrat des ÖPNV. Wir wissen auch: Die Schülerzahlen gehen zurück. Das bedeutet: Nicht nur die schwierige Einnahmesituation der Kommunen macht es schwer, ein flächendeckendes Angebot im ÖPNV vorzuhalten, sondern gleichzeitig wird das Ganze durch wegbrechende Schülerzahlen auch noch erschwert. Da erscheint es logisch, die entstehende Lücke - jedenfalls teilweise - durch den Einsatz solcher Bürgerbusse zu schließen.

Ich möchte das Engagement derjenigen Bürger, die sich in solchen Vereinen ehrenamtlich engagieren, um ihren Nachbarn und Mitbürgern Mobilität zu ermöglichen, ausdrücklich loben.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Frage ist aber, ob wir diesen nicht ganz unbedenklichen Trend, bisher staatliche Daseinsvorsorge durch das Ehrenamt zu ersetzen, durch eine solche einseitige Steuererleichterung fördern dürfen.

Wir meinen: Nein, meine Damen und Herren. Es geht nicht, dass der pensionierte Busfahrer am Ende ehrenamtlich den Bürgerbus fährt und dem jungen Kollegen möglicherweise den Job wegnimmt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir wollen stattdessen finanziell gut ausgestattete Kommunen, die im Rahmen der Daseinsvorsorge diese Aufgabe erledigen können. Mobilität, meine Damen und Herren, darf nicht zum Almosen der Bewohner im ländlichen Raum werden. Mobilität muss ein Anrecht der Bürger gegenüber der Gemeinschaft sein.

(Beifall bei der SPD - Johanne Mod- der [SPD]: Sehr wohl!)

Wir wollen, dass im Rahmen einer mehrstufig differenzierten ÖPNV-Bedienung alle Ebenen des ÖPNV von der Bahn über Linien- und Anrufbusse bis hin zu den Taxis - um auch diese nicht zu vergessen - einen Beförderungsauftrag nach dem Personenbeförderungsgesetz haben und allesamt dafür anständig bezahlt werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Schwierigkeiten, die wir in diesem Bereich haben - das will ich nicht verschweigen -, werden eher noch größer, wenn wir auf der untersten Ebene der ÖPNV-Bedienung noch eine ungleiche Konkurrenz fördern. Wo es sie gibt, können Bürgerbusse eine Möglichkeit sein, in wenigen Fällen ein Angebot für Bürger vorzuhalten. Zum Regelfall darf dies aber nicht werden.

Ich will ergänzen, dass die Argumentation, Spenden steuerlich absetzbar zu machen, eine durchaus gefährliche Argumentation sein kann. Erstens haben wir gehört, dass die Kommunen solche Bürgerbusse im Regelfall bezuschussen. Das heißt, durch Spenden wird letztendlich nur der

finanzielle Anteil der Kommunen verringert. Ob das aber beabsichtigt sein kann, ist fraglich.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Schäd- lich ist es aber auch nicht! Oder?)

Zweitens erhalten einzelne Leute dadurch unter Umständen die Möglichkeit, ihre Fahrtkosten durch eine jährliche Spende an den Bürgerbusverein auch noch steuerlich absetzbar zu machen. Das aber kann nun wirklich nicht Sinn und Zweck der ganzen Übung sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Es wäre deshalb nicht akzeptabel, wenn Bürgerbusse bestehende Verkehre einschließlich sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung verdrängen. Eine solche einseitige steuerliche Begünstigung würde einer solchen Entwicklung aber weiteren Vorschub leisten.

Auch in der Systematik ist nicht zu erkennen, dass mit dem Argument Daseinsvorsorge eine Steuererleichterung verbunden sein muss; denn auch der normale ÖPNV fällt in den Bereich der Daseinsvorsorge, ist aber nicht noch einmal besonders steuerlich vergünstigt, meine Damen und Herren. Deshalb gibt es meines Wissens auch in anderen Bundesländern keine solche steuerliche Begünstigung von Bürgerbussen.

Zur rechtlichen Bewertung - das haben meine Vorredner zum Teil schon angeschnitten - gibt es - ich möchte es einmal vorsichtig formulieren - mindestens Bedenken aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen. Auch da ist das Ganze nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint. Und - auch darauf will ich noch hinweisen -: In § 28 des Umsatzsteuergesetzes gibt es durchaus schon steuerliche Vergünstigungen für den gesamten Linienverkehr im ÖPNV, aber eben nicht einseitig für Bürgerbusse. Es gibt darüber hinaus die sogenannte Kleinunternehmerregelung, unter die die meisten Bürgerbusvereine fallen müssten.

Alles in allem, meine Damen und Herren: Ein wirklich gut gemeinter Antrag, der sicherlich auch große Sympathie bei den ehrenamtlich Tätigen in solchen Bürgerbusvereinen findet, in der Summe aber erstens schwer umsetzbar ist und sich zweitens am Ende nachteilig auf die Daseinsvorsorge in den Kommunen auswirkt. Helfen Sie stattdessen mit, unsere Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie im Bereich der Daseinsvorsorge zu einem wirklichen Fortschritt kommen, indem sozialversicherungspflichtig Beschäftigte für angemessene Bezahlung die Leistungen erbringen, die wir gera

de im ländlichen Raum so dringend für die Bürgerinnen und Bürger brauchen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Johanne Mod- der [SPD]: Sehr gut!)

Ich erteile dem Kollegen Grascha das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen hat sich mit dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen intensiv beschäftigt. Wir haben auch eine schriftliche Anhörung durchgeführt. Ich habe sowohl im Ausschuss als auch heute hier im Plenum den Eindruck gewonnen, dass wir durchaus eine sachliche Debatte geführt haben bzw. führen. Darüber hinaus freue ich mich darüber, dass wir den Antrag heute mit breiter Mehrheit ablehnen werden. Darauf möchte ich jetzt kurz eingehen.

In Niedersachsen haben wir insbesondere im ländlichen Raum einerseits aufgrund der Bevölkerungsentwicklung - das haben meine Vorredner schon gesagt - und andererseits aufgrund der Entwicklung der Schülerzahlen eine sehr schwierige Situation. Natürlich wird der ÖPNV dort auch in Zukunft eine teilstaatliche Aufgabe sein. Es wird aber nicht so sein, dass für eine oder zwei Personen immer wieder große Verkehre und Busse organisiert werden. Stattdessen werden wir dort in Zukunft zu flexiblen Lösungen kommen müssen.

Dass wir die Arbeit der Bürgerbusvereine auch heute schon würdigen, wurde bereits gesagt. Zum einen gibt es bereits heute eine steuerliche Unterstützung durch die Kleinunternehmerregelung bei der Umsatzsteuer und durch die Regelungen bei der Körperschaftsteuer. Vor allem aber findet die Verlustabdeckung - und das ist eigentlich das Entscheidende - heute schon zu einem großen Teil über die kommunalen Träger statt, und diese Unterstützung ist besonders wichtig und wertvoll.

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt noch einmal auf das eingehen, was die Kollegen Hilbers und Siebels hier zur Gemeinnützigkeit gesagt haben. Im Gesetz ist geregelt, dass die Gemeinnützigkeit nur dann zum Tragen kommt, wenn überwiegend hilfsbedürftige Menschen transportiert werden. Das ist bei den Bürgerbussen aber ausdrücklich nicht der Fall. Es ist auch nicht so - das

ist der Eindruck, der manchmal fälschlicherweise entsteht -, dass die wertvolle ehrenamtliche Arbeit, die geleistet wird, automatisch als gemeinnützig anerkannt wird. Auch das ist etwas, worauf ich hier noch einmal hinweisen möchte.