Protokoll der Sitzung vom 16.02.2011

fahren, aufwerten? Damit könnten wir die anschließenden Planfeststellungsverfahren verkürzen; denn die Verpflichtung der Behörden, sich mit den Argumenten der Bürger verbindlich auseinanderzusetzen, würde deutlich vorgezogen. Dafür gibt es bereits positive Beispiele wie z. B. die Planung des Gotthardtunnels.

Eine frühzeitige Beteiligung der Bürger bei zu planenden Bauwerken, den Zielen, den Kosten und der vorausschauenden Finanzierung bietet die Chance zu Planungs- und Baubeschleunigung - nicht aber der Abbau von Beteiligungsrechten, wie ihn die Bundesregierung und Teile dieses Parlaments anscheinend planen.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile dem Kollegen Adler von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich natürlich gefragt: Weshalb stellt die FDP-Fraktion dieses Thema in den Mittelpunkt der Debatte? Was ist eigentlich der konkrete Anlass? Wenn man ein bisschen herumschaut, sieht man auch, worauf das zurückzuführen ist. Es gibt nämlich einen Sechzehnpunkteplan der Bundestagsfraktion der FDP zu diesem Thema,

(Christian Grascha [FDP]: Gute Sache!)

aus dem Sie offenbar abgeschrieben haben und an dem Sie sich anscheinend orientiert haben.

Wenn ich diesen Sechzehnpunkteplan der Bundestagsfraktion der FDP im Einzelnen mit dem vergleiche, was Sie gesagt haben, Herr Dürr, fallen mir aber schon ein paar Unterschiede auf, auf die ich auch eingehen will.

Ein Punkt, den Sie erwähnt haben und der auch in diesem Sechzehnpunkteplan angesprochen wird, sind die Mediationsverfahren, mit denen Sie die Planungsverfahren anreichern wollen. In diesem Sechzehnpunkteplan steht der schöne Satz, diese Mediationsverfahren dürften nicht übermäßig verrechtlicht werden. Da frage ich mich natürlich: Wie soll das eigentlich funktionieren? - Stellen Sie sich das doch einmal konkret vor. Wenn Sie ein Mediationsverfahren in ein Planungsverfahren einbinden, muss es dafür eine gesetzliche Verpflichtung geben. Wenn es in dem Mediationsverfahren zu einer Einigung kommt, wird alles ganz einfach. Wenn das aber nicht passiert - und das ist mindestens

bei der Hälfte der Mediationsverfahren der Fall -, wird es noch komplizierter. Dann dauert es noch länger, und Sie haben noch mehr Bürokratie.

Das heißt: Es geht nicht so einfach, dass man nur Schlagwörter setzt, weil das von Herrn Geißler irgendwie ganz toll war, und Mediationsverfahren einfach mit in ein vorhandenes Verfahren einbringt, ohne sich Gedanken zu machen, wie das konkret aussieht und welche Auswirkungen es dann haben wird.

(Beifall bei der LINKEN)

In diesem Sechzehnpunkteplan heißt es weiter, infrastrukturelle Bürgerentscheide sollten gestärkt werden. - Ja, machen Sie das doch! Fangen Sie doch in Niedersachsen damit an! Setzen Sie hier das um, was die Bundestagsfraktion in ihrem Papier dazu geschrieben hat! Das lese ich Ihnen einmal vor. Dort steht:

„Wir wollen jedoch einen Diskussionsprozess anstoßen und, in Abstimmung mit den Ländern, im Planungsrecht die Möglichkeit schaffen, dass bei Infrastrukturvorhaben von wesentlicher Bedeutung Bürgerentscheide - nach Maßgabe der jeweiligen Landesverfassung - zur Grundlage des weiteren Planungsverfahrens werden können.“

Können Sie sich noch an die Diskussion um die Kommunalverfassung erinnern? Da haben wir genau dieses Thema erörtert. Wir von unserer Fraktion haben einen Gesetzentwurf vorgelegt und gesagt: Wir müssen den Bürgerentscheid und das Bürgerbegehren stärken; wir müssen das auch auf die Planungsentscheidungen ausdehnen. - Aber was steht in der Kommunalverfassung? Genau bei den Planungsentscheidungen, wo es ein Planfeststellungsverfahren, einen Bebauungsplan bzw. einen Flächennutzungsplan gibt, sind die Bürgerentscheide verboten. Das ist die Gesetzeslage in Niedersachsen.

(Gabriela König [FDP]: Was?)

Wenn Sie etwas machen wollen, sollten Sie also keine großen Reden führen, sondern in Niedersachsen einfach anfangen, das umzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

In diesem interessanten Sechzehnpunktepapier steht Folgendes, das ich Ihnen nicht vorenthalten will: Die FDP-Bundestagsfraktion beklagt sich darüber, dass Planungsbehörden überlastet seien.

Weiter heißt es, frei werdende Stellen würden im Zuge von Ausgabenkürzungen nicht nachbesetzt. Deshalb könnten die Behörden ihre Aufgaben nicht erfüllen. - Das ist interessant. Dass frei werdende Stellen im Zuge von Ausgabenkürzungen nicht besetzt werden können, geht doch gerade auf Ihre Haushaltspolitik zurück; Sie mahnen bei jeder Gelegenheit Sparpolitik an. In der Folge können die jeweiligen Personalverwaltungen Stellen nicht mehr besetzen. Natürlich stocken dann Planungsprozesse.

Jetzt kommt die Lösung, die Sie anbieten. Sie lautet, dass private Projektmanager eingeschaltet werden sollen. Das ist nun eine ganz tolle Idee. Wenn die privaten Projektmanager die Lücke füllen sollen, die die Planungsbehörden aufgrund der Personalknappheit nicht ausfüllen können, frage ich mich natürlich: Wer bezahlt denn dann diese privaten Projektmanager?

Es kommt aber noch besser. In dem Papier heißt es, die privaten Projektmanager sollten bei Vorgängen eingeschaltet werden, die nicht den Kern des Abwägungsprozesses betreffen. Im Randbereich des Abwägungsprozesses sollen also die privaten Manager tätig werden. Grenzen Sie doch einmal den Kern von dem Randbereich des Abwägungsprozesses ab! Sie werden mit solchen Vorschlägen Doppelstrukturen schaffen - also genau das, was Sie eigentlich verhindern wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Toll ist auch - Sie haben das angesprochen, Herr Dürr - der Vorschlag zur Einschränkung des Verbandsklagerechts. In dem Sechzehnpunkteprogramm Ihrer Bundestagsfraktion steht, dass das Verbandsklagerecht dort entbehrlich sei, wo individuelle Klagemöglichkeiten von Bürgern bestehen. Das heißt: Wenn ein einzelner Bürger ein Klagerecht hat, wird er abgefunden oder auch gekauft. Dann gibt es kein Verbandsklagerecht mehr, um z. B. Belange des Naturschutzes durchzusetzen.

Das wäre die Konsequenz Ihrer Vorstellungen. Die sollten Sie erst einmal zu Ende bedenken, ehe Sie hier eine solche Debatte beantragen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile Herrn Minister Bode das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Infrastruktur geht es neben der Bildung um die Zukunftsfrage Deutschlands.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Derzeit haben wir viele Infrastrukturprojekte, bei denen wir alle sagen: Wir müssten eigentlich schneller sein. Wir müssten das Ganze einfacher machen. Wir müssten die Bedürfnisse der Allgemeinheit nach diesen Infrastrukturprojekten schneller befriedigen können.

Hierfür ist es in der Tat erforderlich, sich das Planungsrecht anzuschauen, es zu vereinfachen und es schneller zu machen, weil viele Infrastrukturprojekte darauf warten - sei es die Frage der Anbindung regenerativer Energien an das Stromnetz Deutschlands und des Transports in die Ecken Deutschlands, wo der Strom gebraucht wird, sei es die Frage notwendiger Schieneninfrastrukturprojekte, sei es die Frage notwendiger Autobahninfrastrukturprojekte, oder sei es die Frage von Wasserwegen, Häfen und der Hafenhinterlandanbindung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gleichzeitig müssen wir aber sorgfältiger sein, was die Transparenz und die Akzeptanz der Bürger angeht. Stuttgart 21 hat hier einiges in Bewegung gebracht. Der Diskussionsprozess in Stuttgart hat gezeigt, was passieren kann, wenn man im Verfahren keine Transparenz und Akzeptanz erreicht.

Die Landesregierung sucht daher nach Wegen, um auf der einen Seite die berechtigten Interessen der Bürger zu berücksichtigen und auf der anderen Seite Infrastrukturvorhaben, die aus Sicht des Gemeinwohls für die Weiterentwicklung des Landes dringend notwendig sind, so schnell wie möglich voranzubringen.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Herr Kollege Will, an einem Punkt war ich über Ihre Einlassung etwas erstaunt, nämlich als Sie für die SPD erklärt haben, Sie seien der Meinung, man solle nicht in dem Umfang mit sofortigem Vollzug arbeiten, in dem es momentan passiert.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Das habe ich nicht gesagt!)

- Das habe ich so verstanden. Wenn ich es falsch verstanden habe, können Sie das ja korrigieren.

Ich will Ihnen auch sagen, warum ich deshalb erstaunt war. Ich weiß nicht mehr genau, wer es war - Sie, Herr Lies oder Herr Jüttner -, aber bei der Diskussion um den JadeWeserPort hier im Haus gab es eine große Diskussion, nicht nur den sofortigen Vollzug zum Baustart zu nutzen, sondern sogar die Klage auf einstweilige Anordnung gegen Aussetzung des sofortigen Vollzugs nicht abzuwarten. Das hat diese Landesregierung wie schon andere Landesregierungen in Deutschland - auch SPD-geführte Landesregierungen - nicht gemacht. Es ist wichtig für die Akzeptanz, dass man hier Rechtsschutz hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist wichtig, handlungsfähig zu sein. Deshalb hat das Wirtschaftsministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um Wege zu entwickeln und um aufzuzeigen, wie wir vorankommen wollen. Wir stehen hier noch am Anfang. Deshalb möchte ich an zwei Beispielen aufzeigen, in welche Richtung wir denken.

Es ist notwendig, die Bürger für Infrastrukturvorhaben zu gewinnen. Das heißt: Wir müssen beim Bürger die Akzeptanz erreichen. - Das wiederum heißt ferner: Wir müssen im Verfahren früh ansetzen; manchmal noch früher, als es heute geschieht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sagt sich hier so leicht. Das setzt aber bei jedem Planungsträger voraus, dass er dies am Anfang auch tatsächlich tut. Er muss die Anliegen der Bürger, die Fragen, die Bedenken und auch die Unsicherheiten in den Prozess einbeziehen und Einwände wirklich erst nehmen.

Das geht aber nur, wenn wir auch einmal über die Sprache reden. Das Wort „Planfeststellungsbeschluss“ versteht niemand, der sich nicht täglich damit auseinandersetzt. Wir brauchen eine einfache Sprache. Sie muss allgemeinverständlicher sein. Der Bürger muss wirklich verstehen, was bei ihm vor der Tür passiert. Wir müssen anders kommunizieren. Nur dann kann er auch seine eigene Betroffenheit erkennen und sagen: Hier habe ich ein Problem. Hierzu habe ich einen Vorschlag.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das bedeutet: Im Verfahren müssen schon am Anfang Einwände abgeklopft werden und Planungsalternativen im Prozess vorhanden sein. Das heißt, dass derjenige, der das Vorhaben durchführt, derjenige, der Planungsträger ist, diese Hinweise nutzen kann mit der Folge, dass er einen schnelleren Planungserfolg hat. Wir sind hier auch auf die Zu

sammenarbeit mit den Medien angewiesen, damit der Bürger diese Informationen bekommt.

Kommen wir nun zu den beiden Beispielen.

Am Beispiel der Küstenautobahn A 20 möchte ich Ihnen verdeutlichen, wie man hier vorgeht. Sie können im Internet alle Planungsstände und alle Entwicklungen abrufen, nachvollziehen und sich einbringen.

Wir haben hier darüber diskutiert, dass es gerade in der Frage der Akzeptanz - - -

(Unruhe)

Herr Minister, ich darf Sie einmal kurz unterbrechen. - Wer an diesem Thema kein Interesse hat, muss nicht zwingend im Plenarsaal sein. Die Option, nach draußen zu gehen, besteht nach wie vor. Diejenigen, die hier sind, sollten Minister Bode aber die entsprechende Aufmerksamkeit widmen.

Herr Präsident! Für die A 20 hat der Bund im Bereich Jaderberg eine Trasse festgelegt, die bei den Bürgern vor Ort keine Akzeptanz gefunden hat. Die Wellen schlugen dort relativ hoch. Was haben wir gemacht? - Wir haben uns mit den betroffenen Bürgern vor Ort zusammengesetzt und haben festgestellt, dass es sowohl hinsichtlich der Trasse, die nicht verfolgt worden ist, als auch hinsichtlich der Trasse, die verfolgt werden soll, noch Recherchebedarf bezüglich der ökologischen Einflüsse gibt. Wir schauen uns das noch einmal gemeinsam an.