Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Am Ende war ganz deutlich ein Fragezeichen zu hören. - Das Wort hat der Minister. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn man finanzpolitisch agiert, muss man auch immer das Vermögen mitbetrachten. Ich glaube, das ist bei Haushalten üblich.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Das gehört auch zu einer Bilanz dessen, was ein Land eigentlich darstellt und was es hat.

Sie haben gesagt, die alte Landesregierung hat für 100 Millionen Euro Vermögen an Wäldern verkauft. Ich muss feststellen - ich habe es Ihnen vorhin mit den Durchschnittspreisen gezeigt -, dass diese Wälder, die verkauft worden sind, heute im Schnitt 60 bis 80 % mehr wert wären.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Meine Frage war eine andere!)

Hätten wir die noch, würde das Vermögen des Landes, statt dieser 100 Millionen Euro, 60 bis 80 % mehr in diesem Bereich betragen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist sozusagen nur der Preis pro Hektar für den Wald, den er heute darstellen würde.

Die Gewinne, die wir aus diesen Wäldern auch für den Landeshaushalt erzielen - ein beträchtlicher Beitrag wird ja abgeführt; das ist auch richtig so -, sowie die zusätzlichen Leistungen der Landesforsten und Beschäftigten, die allgemeinwohlorientiert sind - wie Umweltbildungszentren etc. -, sind noch nicht eingerechnet.

Wenn Sie ehrlich sind, dürfen Sie nicht nur gucken „Einmal schnell verkauft - 100 Millionen in die Kasse gespült“, sondern müssen Sie immer auch gucken: Was haben wir dadurch an Vermögen verloren? Was wäre es heute wert, wenn wir es behalten hätten?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die ebenfalls letzte Zusatzfrage für die SPD-Fraktion stellt der Kollege Siebels.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Opposition offensichtlich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht,

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Der war witzig! - Helge Limburg [GRÜNE]: Der Wald ist ja auch verkauft! Den können sie nicht mehr sehen!)

frage ich die Landesregierung, wie die heutige Landesregierung die offensichtlich von der FDP geforderte Privatisierung der niedersächsischen Landesforsten insbesondere in finanzieller Hinsicht beurteilen würde.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bitte schön, Herr Minister Meyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat natürlich zur Kenntnis genommen, dass eine Fraktion hier im Parlament in ihrem Wahlprogramm die Privatisierung der Landesforsten gefordert hat. Die neue Landesregierung teilt diese Auffassung nicht. Zum Wohle von sozialen Beschäftigungsstandards und ökologischen Standards haben wir nicht vor, die Landesforsten zu privatisieren. Ich glaube, wenn man sie

verkaufen würde, wäre damit finanzpolitisch wieder nur ein Einmaleffekt zu erzielen.

Ich will noch einmal erwähnen, dass die erfreuliche Entwicklung, die wir zurzeit in den Wäldern und beim Holzpreis haben, auch weltweit festzustellen ist. Das hat auch etwas damit zu tun, dass unsere Wälder energetisch viel mehr genutzt werden. Es ist durchaus ein Trend, dass der Holzpreis seit Jahren kontinuierlich steigt.

Von daher denken wir gerade als Wirtschaftsstandort, der mit Holz umgeht, auch sehr positiv in die Zukunft. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir diesen Betrieb noch so haben, wie wir ihn haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich stelle fest, dass ich zum Punkt 34 c der Dringlichen Anfragen keine Wortmeldungen mehr habe. Ich schließe damit diesen Punkt ab.

(Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Aufmerksamkeit!

Bevor ich die Dringliche Anfrage unter Tagesordnungspunkt 34 d aufrufe, möchte ich Sie auf eine Veränderung in der Tagesordnung hinweisen, die in Übereinstimmung zwischen den Fraktionen vereinbart wurde. Diese Veränderung führt zum Glück dazu, dass wir die Überziehung der Sitzungszeit, die schon jetzt 26 Minuten beträgt, etwas kompensieren können. Es steht auch noch die Behandlung einer Dringlichen Anfrage an. Diese zeitliche Verzögerung soll dadurch ausgeglichen werden - darauf haben sich die Fraktionen verständigt -, dass der Tagesordnungspunkt 36 nicht heute Vormittag behandelt, sondern auf das Ende der Plenarsitzung des morgigen Tages vertagt wird. Bitte berücksichtigen Sie das.

Jetzt rufe ich auf den Punkt

d) Islamfeindlichkeit in Niedersachsen - Was unternimmt die Landesregierung? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/305

Diese Anfrage wird vom Kollegen Helge Limburg eingebracht, dem ich das Wort erteile.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Islamfeindlichkeit in Niedersachsen - Was unternimmt die Landesregierung?

Seit einigen Jahren sehen sich deutsche und nicht deutsche Muslime in Deutschland einer zunehmenden Islamfeindlichkeit ausgesetzt. In Niedersachsen sind in den letzten Jahren mehrere Moscheen Ziel von Angriffen geworden. So wurde vor einer Moschee in Osterode im Jahr 2011 ein Schweinekopf abgelegt. Auch islamfeindliche Straftaten wurden in Niedersachsen immer wieder verübt. Mehrere Moscheen sind in den letzten Jahren Ziel von Brandanschlägen geworden. Weiterhin kam es zu islamfeindlichen Äußerungen in öffentlichen Debatten, Protesten gegen geplante Neubauten von Moscheen und dazu, dass die Zugehörigkeit der muslimischen Gemeinden zur deutschen Gesellschaft infrage gestellt wurde. Auch die „Identitäre Bewegung“ wurde in den letzten Monaten verstärkt aktiv und versucht, islamfeindliche Stimmungen in der Bevölkerung zu schüren.

Innenminister Pistorius kündigte im Mai an, Islamfeindlichkeit in Niedersachsen in den Fokus des Verfassungsschutzes zu nehmen. Niedersachsen gehört damit zu den ersten Bundesländern, die diesen Schritt unternehmen. Außerdem warnte Pistorius auf einer Fachtagung des Verfassungsschutzes im Juni davor, ungewollt Islamfeindlichkeit zu schüren, indem z. B. Islam und Islamismus gleichgesetzt werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche islamfeindlichen Gruppierungen sind konkret in Niedersachsen aktiv?

2. Werden Islamfeinde auch in anderen Bundesländern oder vom Bund nachrichtendienstlich beobachtet, und, wenn nein, sind der Landesregierung die Gründe dafür bekannt?

3. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um der Islamfeindlichkeit entgegenzuwirken?

Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir danken Ihnen auch, Herr Kollege Limburg. - Die Antwort für die Landesregierung gibt Herr Innenminister Pistorius. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sprechen mit der Dringlichen Anfrage einen Punkt an, der uns alle in der Bundesrepublik Deutschland zunehmend nachdenklich machen muss. Deswegen ist es gut, das für Niedersachsen hier heute Morgen zu thematisieren. Ich danke ausdrücklich für diese Dringliche Anfrage.

SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, verstärkt den Rechtsextremismus in unserem Land zu bekämpfen. Dabei ist festzustellen, dass die Islamfeindlichkeit als eine neuartige Form von Fremdenfeindlichkeit in den vergangenen Jahren an Bedeutung und an Umfang gewonnen hat. Es ist zunehmend eine organisationsübergreifende Thematik und Strategie von rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Gruppierungen zu erkennen. Der Islam und die in Deutschland lebenden Muslime stehen zunehmend im Mittelpunkt rechtsextremistischer und - was fast noch besorgniserregender ist - rechtspopulistischer Kampagnen. Dem Niedersächsischen Verfassungsschutz sind Personen, Organisationen und einschlägige Publikationen bekannt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: In Niedersachsen werden islamfeindliche Kampagnen zum einen von der NPD initiiert. Islamfeindlichkeit hat hier die Funktion als „Türöffner“ - buchstäblich so zu verstehen - für die weitergehende Fremdenfeindlichkeit der Partei, um dadurch auf den öffentlichen Diskurs Einfluss zu nehmen und Mitglieder, Anhänger und Unterstützer zu gewinnen.

In einem Artikel vom November 2012 in der Parteizeitung Deutsche Stimme heißt es etwa - ich zitiere -, die „nationale Opposition“ sei „gut beraten, die Ausländerfrage am Beispiel der Moslems zuzuspitzen“. Insofern hat das Thema für die NPD eine instrumentelle, strategische und inhaltliche Funktion und Bedeutung, meine Damen und Herren. Es dient ihr buchstäblich als Vehikel, um weitergehenden Forderungen den Boden zu bereiten. Das trägt erste Früchte, wie Sie feststellen werden, wenn Sie Internetblogs und -foren aufmerksam verfolgen.

Eine andere Partei, die inhaltlich fast ausschließlich auf die Bekämpfung einer angeblich „schleichenden Islamisierung“ der Gesellschaft abzielt, ist die Partei „pro Deutschland“, die in Niedersachsen mit dem Kreisverband Hildesheim vertreten ist. Die Aktivitäten von „pro Deutschland“ konzentrieren sich derzeit vor allem auf das Sammeln von Unterstützerunterschriften in den verschiedenen Städten.

Eine andere islamfeindliche Gruppierung ist die erst Anfang Oktober 2012 gegründete sogenannte „Identitäre Bewegung Deutschland“. Sie verfügt in Niedersachsen derzeit über zehn regionale Untergruppen. Zu den aktivsten Gruppen zählen Hannover, Lüneburg, Ostfriesland, Delmenhorst, Braunschweig und Celle. Die „Identitäre Bewegung“ sieht sich selbst in einem Kampf gegen Multikulturalismus und Einwanderung und ist für den Erhalt der sogenannten „ethnokulturellen Identität“. Deutlich zum Ausdruck kommt hierbei eine starke Tendenz zu völkisch-nationalistischem Denken und dezidiert islamfeindlichen Haltungen.

Eine ähnliche Ausrichtung haben die „German Defence League“ und der Internetblog „Politically Incorrect“ - kurz: PI. Wie die „Identitäre Bewegung“ sehen sich beide in einem Abwehrkampf gegen die angebliche „Islamisierung“ Deutschlands, vertreten aber noch radikalere Forderungen als die anderen. Die „German Defence League“ war bis Ende 2012 stark in Niedersachsen vertreten, u. a. mit der - man beachte die Bezeichnung - „Division Hannover“, bei der es auch Überschneidungen zur Partei „Die Hannoveraner“ gab. Derzeit sind jedoch nur zwei Untergruppen aktiv, die „Division Weser-Ems“ und die „Division Nienburg/Weser“.

Auf dem Internetblog „Politically Incorrect“ wird regelmäßig - teilweise in reißerisch-populistischer, rassistischer Manier - über politische Themen wie Ausländerkriminalität, Salafismus und sogenannte Islamisierung geschrieben. Die darauf erfolgenden Leserkommentare - ich kann jedem nur ans Herz legen, das einmal zu lesen, allerdings nach vorheriger Einnahme von Beruhigungsmitteln - beinhalten sehr, sehr häufig verunglimpfende Äußerungen der übelsten Art.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Das stimmt!)

Einzelne explizite Äußerungen lassen zunehmend einen fremden- bzw. sehr islamfeindlichen Hintergrund erkennen.