Einzelne explizite Äußerungen lassen zunehmend einen fremden- bzw. sehr islamfeindlichen Hintergrund erkennen.
Zu Frage 2: Der Verfassungsschutz NordrheinWestfalen hat die sogenannte „Bürgerbewegung pro NRW“ - einschließlich „pro Köln“ -, in deren Reihen sich übrigens viele Funktionäre finden, die zuvor bei NPD oder Republikanern aktiv waren - wen überrascht es wirklich -, als „rechtsextremistisch“ eingestuft.
Vom Bremer Landesamt für Verfassungsschutz wurde aktuell die „Identitäre Bewegung Bremen“ aufgrund personeller Verflechtungen mit der lokalen rechtsextremistischen Szene zum Beobachtungsobjekt erhoben.
Das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern hat im April 2013 den bayerischen Landesverband der Partei „Die Freiheit“ zum Beobachtungsobjekt erklärt. Der dortige Landesvorsitzende der „Freiheit“ ist zugleich - und daran sieht man die Vernetzung - Sprecher der Münchner Ortsgruppe des Webblogs „Politically Incorrect“, die ebenfalls von der örtlich zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz beobachtet wird, und zwar - wie ich hinzufüge - zu Recht.
Dem Bund liegen jedoch keine eigenen hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei der Partei „Die Freiheit“ insgesamt um eine rechtsextremistische Organisation handelt.
Darüber hinaus beobachten die Landesbehörden für Verfassungsschutz regionale Webseiten nach den Maßgaben der jeweiligen Landeszuständigkeit.
Zu Frage 3: Die Bedeutung der Islamfeindlichkeit, meine Damen und Herren, als ideologische Klammer zwischen rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Organisationen ist bei der Wahrnehmung des Rechtsextremismus lange Zeit überall in Deutschland vernachlässigt worden. Ausgeblendet wurde dabei, dass Rechtsextremisten mit islamfeindlichen Parolen wie in kaum einem anderen Themenfeld an weit verbreitete Ressentiments in der Bevölkerung anknüpfen können. An erster Stelle eines Maßnahmenkatalogs muss deshalb die Aufklärung über den Inhalt und die Strategie islamfeindlicher Kampagnen stehen. Die niedersächsische Verfassungsschutzbehörde stellte aus diesem Grund das Thema „Islamfeindlichkeit“ in den Mittelpunkt ihrer am 12. Juni durchgeführten Fachtagung mit dem Thema „Rechtsextremismus im Wandel“. Bereits im April waren türkische Medienvertreter in einer nicht öffentlichen Veranstal
tung von der Präsidentin des Landesamtes für Verfassungsschutz über islamfeindliche Bestrebungen informiert worden.
Der Verfassungsschutz wird seine diesbezügliche Aufklärungsarbeit weiter intensivieren und dabei auch immer wieder in den Dialog mit Vertretern muslimischer Verbände und Gemeinden treten. Meine Damen und Herren, dies geschieht aus zwei Gründen: Zum einen muss darauf hingewirkt werden, dass die Muslime in Niedersachsen verlorengegangenes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden zurückgewinnen. Zum anderen ist es wichtig, dass die persönlichen Erfahrungen von Muslimen mit Alltagsrassismus in den Arbeitsprozess der Verfassungsschutzbehörde Eingang finden.
Aufklärung über Islamfeindlichkeit setzt aber auch die Sammlung und systematische Auswertung diesbezüglicher Erkenntnisse durch den Verfassungsschutz voraus. Die Zuständigkeit hierfür ist seit Kurzem einem Sozialwissenschaftler übertragen worden. Es handelt sich, meine Damen und Herren, um eine Querschnittsaufgabe von hoher Priorität. Ziel ist es, Anzeichen für eine Radikalisierung möglichst früh zu erkennen, um möglichst frühzeitig gegensteuern zu können. Islamfeindliche Äußerungen und Aktivitäten provozieren Gegenaktionen, wie sich im vergangenen Jahr in NordrheinWestfalen im Zusammenhang mit Propagandaaktionen von „pro NRW“ zeigte. Auch die gewalttätigen Gegenreaktionen von Salafisten sind in diesem Zusammenhang aufs Schärfte zu verurteilen.
Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden sind im Hinblick auf mögliche Auseinandersetzungen sensibilisiert, auch wenn sich, was diese Frage angeht, eine Entwicklung wie in NordrheinWestfalen zurzeit in Niedersachsen noch nicht abzeichnet.
Bevor ich die vorliegenden Fragen aufrufe, darf ich meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass vor Kurzem in der Loge auf der Seite der CDU-Fraktion - in Begleitung unseres Präsiden
ten - der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, Herr Ralf Wieland, Platz genommen hat. Er stattet unserem Landtagspräsidenten heute einen Besuch ab und möchte sich bei dieser Gelegenheit auch ein Bild vom Plenarbetrieb in unserem Haus machen. Herr Präsident, ich begrüße Sie herzlich im Niedersächsischen Landtag!
Wir wünschen Ihnen einen angenehmen und informativen Aufenthalt. Ich darf Ihnen gleich die erste Information geben: Wir sind bei den Dringlichen Anfragen und nehmen das so ernst, dass wir die für diesen Tagesordnungspunkt vorgesehene Zeit bereits um 40 Minuten überzogen haben.
Ich rufe jetzt die erste Zusatzfrage zu dieser eben beantworteten Dringlichen Anfrage auf. Das Wort hat die Abgeordnete Schröder-Köpf für die SPDFraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die verdachtsunabhängigen Kontrollen ein islamfeindliches Klima begünstigt haben, weil ihnen ein ähnliches Pauschaldenken zugrunde liegt wie den Forderungen von islamophoben Organisationen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In vielen Gesprächen mit Vertretern von Moscheegemeinden habe ich immer wieder erfahren, wie sehr sie sich durch die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen herabgewürdigt gefühlt haben. Der nicht muslimischen Bevölkerung ist dabei - ich unterstelle dabei niemandem die Absicht, das erreichen zu wollen; aber immerhin - der Eindruck vermittelt worden, alle Muslime könnten Verbrecher sein. Der islamische Glaube ist auf diese Weise auch gegenüber einer breiten Öffentlichkeit in den Verdacht einer potenziell terroristischen Ideologie geraten. Das ist bedenklich. Für rechtsextremistische und rechtspopulistische Organisationen ist dies nämlich eine willkommene Steilvorlage, weil sie bestrebt sind, Islam und Islamismus systematisch gleichzusetzen, um in dieser
Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Janssen-Kucz. Sie haben das Wort.
Erst einmal vielen Dank für diese Ausführungen, die in Teilen sehr erschreckend waren. Ich frage vor diesem Hintergrund die Landesregierung: Werden islamfeindliche Straftaten zukünftig gesondert erfasst?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Vergangenheit - das ist bis heute so - wurden islamfeindliche Straftaten nicht gesondert erfasst. Es ist nämlich auch ein wenig schwierig, das trennscharf von Straftaten abzugrenzen, die einen rein fremdenfeindlichen Hintergrund haben und weniger auf den religiösen Hintergrund der Attentatsopfer bzw. der Opfer von Straftaten abheben. Übergriffe auf einzelne Ausländer erfolgen in der Regel in erster Linie aufgrund sogenannter phänotypischer Merkmale. Dennoch wäre die Einführung einer solchen Differenzierung sicher hilfreich. In der Vergangenheit war das auf der Ebene der Länder- und Bundesbehörden allerdings nicht umzusetzen. Wir überlegen, im Rahmen eines Pilotversuchs in Niedersachsen ein Parameterkonstrukt zu erstellen, mit dessen Hilfe es möglich erscheinen könnte - ich will es vorsichtig formulieren -, das so sauber voneinander zu trennen und zu differenzieren, dass man mit den Ergebnissen dann auch etwas anfangen kann.
Danke, Herr Minister. - Es geht weiter mit der Zusatzfrage des Kollegen Dr. Birkner von der FDPFraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, wie definieren Sie „Islamfeindlichkeit“, und wie grenzen Sie Islamfeindlichkeit von Islamkritik ab, die man vielleicht nicht teilen mag, die aber hinzunehmen ist?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Birkner, das ist, wie ich finde, eine sehr berechtigte und sehr diffizile Frage, die man im Grunde genommen sogar in einem religionswissenschaftlichen Symposium gesondert abarbeiten könnte. Denn jede Religion muss sich in der öffentlichen Debatte der Kritik stellen. Das gilt für die katholische Kirche wie für die protestantische Kirche. Selbstverständlich gilt das auch für den Islam.
Niemand kann deshalb - auch in einer demokratischen Gesellschaft nicht - ernsthaft bestreiten, dass es ein berechtigtes Interesse daran gibt, über den Islam wie über alle anderen Religionen auch - das war in der Vergangenheit so, und so ist es auch in der Gegenwart - einen Diskurs zu führen bzw. Kritik zu üben. Das gehört in einer demokratischen Gesellschaft dazu. Die entscheidende Frage ist aber erstens, wie man das tut. Dabei geht es darum: Ist es eine sachliche oder eine verleumdende Kritik? - Weiter geht es um die Fragen: Orientiert sich die Kritik an Wertvorstellungen, oder ist es eine verächtlich machende? Ist es eine Kritik, die sich an tatsächlich bestehenden Wertgerüsten des Islam orientiert oder nur an solchen, von denen man glaubt, dass es sie gibt, um gewissermaßen verleumderisch bestimmte Aspekte in den Vordergrund zu stellen, die bestenfalls in extremistischen Einzelgruppen eine Rolle spielen?
Die Abgrenzung, meine Damen und Herren, ist nach meiner Vorstellung nicht einfach, aber beachtenswert. Islamfeindlich ist jeder, der den Islam als eine feindselige, aggressive und menschenverachtende Religion definiert, ohne auch nur im Kern zur
Kenntnis zu nehmen, dass in diesem Land mehr als 3 Millionen Muslime unterschiedlich gläubig, vor allen Dingen aber ganz überwiegend friedlich leben.
In dem Augenblick, in dem der Islam als eine feindliche, aggressive und auch in Europa auf Expansion ausgelegte Religion dargestellt wird, ist die Grenze der Kritik in Richtung Islamfeindlichkeit deutlich überschritten. Meine Erfahrungen der letzten Monate und Jahre in meiner Rolle als Oberbürgermeister der Friedensstadt Osnabrück haben mich gelehrt - das ist der entscheidende Punkt; so ist mein Verständnis -, dass Islamfeindlichkeit in aller Regel auf Unkenntnis beruht - es sei denn, sie ist ideologisch motiviert wie bei der NPD, bei der „Identitären Bewegung“ und anderen.
Vor einiger Zeit haben wir die Bertelsmann-Studie zur Kenntnis genommen. Die Ergebnisse waren insoweit erschütternd, als in ihr festgestellt wurde, dass mehr als 50 % der deutschen Bevölkerung Angst vor dem Islam haben. Das ist kein Faktum, das man ausblenden kann oder wegen dessen man die Menschen, die diese Angst haben, kritisieren dürfte. Es ist eine Angst, die offenbar da ist. Eine solche Angst muss man ernst nehmen, und man muss ihren Ursachen auf den Grund gehen.
Die Ursachen für Angst vor etwas, was einem fremd oder gefährlich erscheint, liegen oft schlicht in der Unkenntnis über das, worüber man spricht, liegen in der rudimentären, oberflächlich erworbenen Kenntnis von einzelnen vermeintlichen Fakten. Wir alle kennen die vermeintlichen Zitate aus dem Koran, denen die Besonnenen dann immer gern und auch zu Recht Zitate aus dem Alten Testament entgegenhalten können.
Ich bin kein Religionswissenschaftler. Ich weiß nur so viel, dass in dem Augenblick, in dem es uns in Niedersachsen und in Deutschland gelingt, den Islam als eine Religion zu respektieren - und zwar über alle Parteigrenzen, über alle Parlamente und alle gesellschaftlichen Kreise hinweg -, Islamangst, Islamfeindlichkeit und dann auch Islamhass bis hin zur Verfolgung - in der Steigerung - keine Chance mehr in unserer Republik haben. Das muss das gemeinsame Ziel sein.