Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Bernd Lynack von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Die Landesregierung hat bereits zahlreiche Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern muslimischer Vereine, Verbände und Gemeinden geführt. Vor diesem Hintergrund, Herr Minister Pistorius, frage ich Sie, ob Sie dabei den Eindruck gewonnen haben, dass die unter den Muslimen zum Teil weit verbreitete Angst vor Islamfeindlichkeit ernst genug genommen worden ist.

Bitte, Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist Islamfeindlichkeit auch von der alten Landesregierung thematisiert worden. Allerdings muss man auch festhalten, dass die Islamfeindlichkeit im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht mit großem Vorrang behandelt worden ist. Das Interesse konzentrierte sich leider weniger auf die Islamfeindlichkeit als einem Element gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit als vielmehr auf die Konfrontationsgewalt zwischen Islamisten und Rechtsextremisten. Das ist ein wichtiges Feld, dem wir uns zuwenden müssen. Es beleuchtet aber unzureichend das, was bis in die Mitte der Gesellschaft ausstrahlt und in dem eben beschriebenen Sinne islamophob oder islamfeindlich ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt die Kollegin Angelika Jahns von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Pistorius, wir haben eben schon von Ihnen

und auch einigen Kollegen gehört, dass wir vor dem Phänomen stehen, dass es ausgeprägte Ideologien gibt, nämlich einerseits den islamistischen Terrorismus, andererseits aber auch die Islamfeindlichkeit. Von daher muss es das Ziel aller politischen Gruppierungen sein, beide Phänomene ins Auge zu fassen und auch Maßnahmen zu ergreifen, die der scharfen Trennung dienen. Sie haben eben schon gesagt, dass man diese Begriffe trennen muss. Meine Frage wäre jetzt: Welche konkreten Maßnahmen haben Sie seitens des Landes Niedersachsen oder auch gemeinsam mit dem Verfassungsschutz schon ins Auge gefasst, um diese Begriffe in der Öffentlichkeit wirklich trennscharf zu verdeutlichen? - Ich glaube nämlich, dass diese Unterscheidung in der Öffentlichkeit sehr, sehr schwierig ist.

(Zustimmung bei der CDU - Filiz Polat [GRÜNE]: Lesen Sie keine Presse?)

Bitte, Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Jahns, in der Tat: Wir werden weder mit Maßnahmen des Verfassungsschutzes noch mit anderen Maßnahmen der Exekutive auf Dauer in dem Bemühen erfolgreich sein, hier für eine saubere Unterscheidung zu sorgen.

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Schauen Sie sich die vielen Runden Tische der Religionen in den deutschen Städten an, die in dieser Frage sehr, sehr wertvolle Arbeit leisten! Sehen Sie sich den Tag der offenen Moschee an, der einen immer größeren Zulauf erfährt! Sehen Sie sich die Vermittlung von Religionen in den Schulen an!

All das zeitigt erste Erfolge, sodass einem für die nächste Generation wahrscheinlich etwas weniger angst und bange sein muss, zumal die Kinder und Jugendlichen in den Schulen heute oft schon in einem ganz anderen Umfeld aufwachsen.

Als Landesregierung haben wir vor, dieses Thema immer wieder in den politischen Fokus zu stellen. Zuletzt war das der Fall bei dem Symposium, davor bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2012. Auch auf der Innenministerkonferenz war dies ein Thema. Ich selbst werde nicht müde werden - das kann ich Ihnen zusagen -, mich immer dort zu äußern, wo wieder irgendein Politiker -

egal, welcher Couleur - die Begriffe - aus welchen Motiven heraus auch immer oder auch ohne Absicht - zu eng aneinanderrückt; denn das ist die große Gefahr.

Ich habe in den letzten Wochen nach Vorlage des Verfassungsschutzberichtes und vor allen Dingen nach dem Symposium unzählige Mails bekommen. Ich möchte Ihnen jetzt aber einmal eine Mail vorlesen, um deutlich zu machen, wie weit diese Ängste bereits gegangen sind und wie weit sich der Hass inzwischen ausbreitet.

„’Ihre Freunde’“

- schreibt sie an mich -

„die Moslems töten hier massenhaft unschuldige Deutsche. Sie vergewaltigen, rauben, betrügen und füllen unsere Gefängnisse. Sie“

- das ist an meine Adresse gerichtet -

„schauen lieber weg und gehen auf Demos gegen Rechts.“

Da schwillt einem dann schon der Kamm. Das ist eine Aufgabe, an der wir wirklich gemeinsam arbeiten müssen. Das ist eine Frage der politischen Kultur in den Parlamenten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das ist eine Frage der Implementierung von Initiativen auf örtlicher Ebene unter Einbeziehung der Kirchen und Religionsgemeinschaften, unter Einbeziehung von Schulen, Hochschulen, Parteien, Verbänden, der Präventionsvereine und vielen anderen mehr.

Das ist der Schlüssel. Wir müssen den Islam respektieren. Wir dürfen und können ihn als eine Weltreligion respektieren. Unsere Aufgabe in der politischen Debatte, aber auch bei der Vorstellung von Statistiken - das will ich sehr deutlich sagen - wird immer wieder sein, sorgsam und sorgfältig zu trennen.

Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen:

Wenn auf Bundesebene - wie erst letztlich geschehen - richtige Zahlen über Islamisten und Salafisten präsentiert werden, dann aber nicht hinsichtlich dessen, was sich hinter diesen Zahlen verbirgt, differenziert wird, dann entsteht, wenn die Zahl von 42 000 Islamisten und Salafisten in

Deutschland genannt wird, der Eindruck, dass wir mutmaßlich 42 000 potenzielle Bombenleger und Terroristen in Deutschland auf freiem Fuß haben. Das aber ist falsch; das wissen wir alle hier. Aber in dem Moment, in dem diese Zahl undifferenziert auftaucht und nicht erläutert wird, entsteht bei schlichteren Gemütern oder bei Leuten, die sich nicht auskennen, der Eindruck, dass hier eine riesige Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland droht.

Niemand kommt auf den Gedanken, die von gewaltbereiten terroristischen Islamisten und Salafisten ausgehenden Gefahren zu verharmlosen. Ganz im Gegenteil! Wir werden uns dem mit dem gleichen Nachdruck zuwenden wie allen anderen Fragen auch. An der Stelle aber müssen wir einfach sorgfältiger werden, weil wir sonst Eindrücke erwecken, die vielleicht gar nicht erweckt werden sollen. Das aber ist der Ansatz, den wir gemeinsam verfolgen müssen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Petra Tiemann [SPD]: So ist es!)

Danke, Herr Innenminister. - Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Thomas Adasch von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie bzw. Ihre zuständige Präsidentin haben ja angekündigt, den Verfassungsschutz neu auszurichten. Mich würde interessieren, welchen Beitrag zur Bekämpfung der Islamfeindlichkeit der Verfassungsschutz künftig leisten kann bzw. leisten soll.

Bitte schön, Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Adasch, es ist ganz einfach: Als eine unserer ersten Maßnahmen haben wir den Bereich der politischen Bildung - Sie haben die Landeszentrale für politische Bildung ja im Jahr 2004 abgeschafft und diesen Bereich dem Verfassungsschutz übertragen - aus dem Verfassungsschutz wieder herausgelöst, weil der Verfassungsschutz qua seiner eigenen Definition und seiner Aufgabenstellung eine für politische Bildung unge

eignete Institution ist. Sie ist geeignet, Informationen zu sammeln und auszuwerten und sie dann in den Prozess der politischen Bildung hineinzubringen. Das ist der Anspruch, den der Verfassungsschutz erfüllen muss, Herr Adasch.

Deshalb wird sich der Verfassungsschutz in dieser Frage auf zwei Kernbereiche beschränken, das aber umso intensiver. Zum einen geht es um die Frage: Wen beobachtet er mit welcher Zielrichtung? - Also: Alle islamfeindlichen, islampopulistischen Bestrebungen, die ein bestimmtes Maß überschreiten, müssen, wenn sie diese Schwelle überschreiten, mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Dann, wenn sie dies nicht tun, müssen öffentliche Quellen ausgewertet werden, und daraus müssen die richtigen Schlussfolgerungen für die politische Bildungsarbeit in Schulen, Hochschulen und anderswo in der Gesellschaft gezogen werden. Das ist die eine Aufgabe.

Die andere Aufgabe ist, auch die andere Seite immer wieder sehr sorgfältig zu beleuchten. Alles, was tatsächlich gewaltbereiter Islamismus, Terrorismus - religiös motiviert - und Salafismus ist, muss genauso wie der Rechtsextremismus mit aller Unnachgiebigkeit beobachtet werden und muss genauso intensiv verfolgt werden, allerdings eben auch immer wieder mit der klaren Abtrennung zwischen den einen und den anderen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir bedanken uns auch bei Ihnen, Herr Minister. - Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kann ich den Tagesordnungspunkt der Dringlichen Anfragen für diesen Plenarabschnitt abschließen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 35: Abschließende Beratung: Aktionärsrechte stärken! - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/72 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 17/292

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Deswegen eröffne ich gleich die Beratung. Dazu hat für die antragstellende Fraktion die Kollegin Hövel das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Schweizer Bevölkerung hat mit ihrem Volksreferendum zum Thema Managergehälter auch in unserem Land die Diskussion ordentlich angeheizt. Die Frage, die sich stellt, ist: Wie viel darf ein Mensch verdienen?

Es geht um Leistung, es geht um Anerkennung, es geht um den Wert von Arbeit, und es geht um ihre Würdigung durch angemessene Bezahlung.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das ist ein komplexer Bereich, das ist ein sehr emotionaler Bereich, und das wissen wir alle, weil wir uns ja nicht nur mit Managergehältern, sondern auch sehr intensiv mit dem Thema Mindestlohne beschäftigen. Ich erinnere dazu an die Diskussion von gestern, die wir ja sehr engagiert geführt haben.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Wie viel darf ein Mensch verdienen? Darf ein Topmanager mehr als das Dreihundertfache des Durchschnittseinkommens eines Angestellten in seinem Unternehmen verdienen?