Wir beginnen jetzt mit der ersten Runde der vier Fraktionen. Sie beginnt mit dem Beitrag der CDUFraktion. Das Wort hat der Kollege Dr. Max Matthiesen.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute den letzten Sozialhaushalt der rot-grünen Koalition in Niedersachsen. Die Schlussbilanz fällt mager aus. Es passt die Überschrift: Als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet.
(Beifall bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Wir haben keine Tigerfelle als Bettvorleger! Das wäre auch ver- boten und gegen das Artenschutzab- kommen!)
Zumindest in den Kernbereichen der niedersächsischen Sozialpolitik hinterlassen Sie Ihren Nachfolgern große Baustellen.
Das gilt zunächst für den Krankenhausbau. Obwohl Ihr Finanzminister Hunderte von Millionen Euro zusätzliche Steuereinnahmen erhält, verfallen Sie lieber auf den Enkeltrick. Damit meine ich das „Sondervermögen“: Zur Finanzierung ihrer Krankenhausbaumaßnahmen müssen die Krankenhäuser selbst Kredite aufnehmen. Sie bekommen also keine Zuschüsse, obwohl es so im Gesetz steht.
Das Land will für diese Kredite über einen Zeitraum von 25 Jahren jährlich 32 Millionen Euro für Zins und Tilgung zahlen. Auf das Land selbst entfallen pro Jahr aber nur etwa 10 Millionen Euro eigene Steuermittel. Die Kommunen tragen etwa 8 Millionen Euro, und der Rest kommt aus der Kürzung der Bettenpauschale.
Für den Zeitraum 2016 bis 2020 stehen mit dieser Langfristfinanzierung über das Sondervermögen 650 Millionen Euro zur Verfügung. Das wird zwar helfen, die neue Prioritätenliste von über 1,8 Milliarden Euro Investitionsbedarf zu einem Teil abzubauen. Aber diese Liste ist unvollständig und wächst jährlich weiter auf.
Der Liste ist zudem zu entnehmen, dass künftig Krankenhausbaumaßnahmen fast nur noch aus dem Sondervermögen, sprich über Kredite, finanziert werden sollen, also nicht über die gesetzlich vorgesehenen Zuschüsse. Es ist aber nicht geprüft worden, ob diejenigen Krankenhäuser, die darauf besonders angewiesen sind, diese Kredite überhaupt aufnehmen können; denn die müssen ja darauf achten, dass sie sich nicht überschulden.
Das Krankenhausgesetz des Landes schreibt aus gutem Grunde vor, dass das Land mit den Kommunen für den Krankenhausbau Zuschüsse bereitstellen soll - und eben nicht Kredite, die die künftigen Landeshaushalte belasten und künftige Haushaltsspielräume einengen.
Deswegen hat die CDU-Fraktion den Haushaltsantrag gestellt, das allgemeine Investitionsprogramm mit einem Volumen von zurzeit 120 Millionen Euro jährlich um 120 Millionen Euro frisches Geld aufzustocken - in Gestalt von vier Verpflichtungsermächtigungen, damit Zuschüsse bereitgestellt werden können, anstatt Kredite von Krankenhäusern zu bedienen.
Die CDU-Fraktion folgt damit der Leitlinie der Krankenhausplanung, die bürgernahe, humane und leistungsfähige Krankenhauslandschaft in Niedersachsen in einer Trägervielfalt mit freigemeinnützigen, kirchlichen, kommunalen und privaten Krankenhäusern zu fördern.
Im Gegensatz dazu haben die rot-grünen Mehrheitsfraktionen bereits vor rund zwei Jahren auf einen zentralistischen Krankenhausdirigismus in Niedersachsen zugesteuert. Nach dem Beschluss vom 18. März 2015 soll eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden, um Krankenhäuser aus dem Krankenhausplan zu nehmen, wenn sie „planungsrelevante Qualitätsindikatoren des Landes nicht ausreichend erfüllen“. So soll ein Krankenhaus z. B. aus dem Plan genommen werden, wenn es die Aufgaben der Notfallversorgung nicht erfüllt. Dadurch will Rot-Grün letzten Endes die Zahl der Krankenhäuser verringern
Aktuell stellt sich die Gretchenfrage, wie es RotGrün in Niedersachsen mit den neuen Qualitätsindikatoren des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Krankenhausplanung hält - also dem, was jetzt durch das neue Krankenhausstrukturgesetz zwar möglich gemacht wird, was aber nicht einfach unbesehen übernommen werden soll. Denn in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Anforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Flächenland wie Niedersachsen erhebliche Auswirkungen auf die Sicherstellung der flächendeckenden Krankenhausversorgung haben können.
Das neue Krankenhausstrukturgesetz des Bundes räumt den Ländern aber die Möglichkeit ein, die automatische Übernahme dieser Qualitätsindikatoren in den Krankenhausplan ganz oder teilweise auszuschließen. Das fordert die CDU-Fraktion von der Landesregierung und den Mehrheitsfraktionen. Das sollte mit der anstehenden Novelle des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes getan werden. Es darf in Niedersachsen nicht dazu kommen, dass vordergründige Qualitätssicherung zur Versorgungssteuerung eingesetzt wird, um hinterher zu weniger Krankenhäusern im Land zu kommen.
Die zweite große Säule der Gesundheitsversorgung in Niedersachsen ist die hausärztliche Versorgung. In weiten Teilen Niedersachsens - besonders außerhalb der großstädtischen Kerne - zeichnet sich aber ein deutlicher Ärztemangel in der häuslichen Versorgung ab. Viele Hausarztpraxen, deren Inhaber 60 Jahre und älter sind, stehen vor der Übergabe oder Schließung bzw. sind schon geschlossen, ob in Fürstenau oder in Bergen, ob in Ronnenberg oder in Liebenau. Es bereitet Schwierigkeiten, Nachfolger zu finden: wegen neuer Anforderungen an die Ärzteschaft wie die Palliativversorgung, wegen drohender Regresse - das ist immer wieder Thema - oder auch wegen langer Arbeitszeiten.
Der gesellschaftliche Wandel erfordert neue Ansätze. So sind von zehn Ärzteabsolventen inzwischen sieben Frauen. Das bedeutet auch Teilzeitbeschäftigung als Folge des Interesses an der sogenannten Work-Life-Balance. Das ist wichtig für Ärztinnen und Ärzte mit Familien.
Das sind ganz wichtige Entwicklungen, die zu beachten sind und auf die Antworten gefunden werden müssen.
Die CDU-Fraktion hat nach intensiven Vorarbeiten im vergangenen September einen Entschließungsantrag gestellt. Er nennt gezielt Instrumente, wie wir die flächendeckende Versorgung in Niedersachsen auch in Zukunft sicherstellen können. Aus berufenem Munde weiß ich, dass dieser Antrag viel Bewegung erzeugt hat. Burkhard Jasper ist ständig hinterher, dass daraus etwas wird.
In der vorletzten Woche hat das Sozialministerium mit einer langen Pressemitteilung unter der Überschrift „Land startet Stipendienprogramm zur Landärztegewinnung“ so richtig auf den Putz gehauen. Das ist aber nicht der große Wurf, auf den wir mit unserem Antrag abzielen. Das Sozialministerium stellt Geld für nur höchstens 20 Studenten in ganz Niedersachsen aus der Haushaltsstelle „Förderung der hausärztlichen Versorgung“ zur Verfügung.
- Natürlich! Wir haben diese Haushaltsstelle dafür eingeführt. Sie aber haben sie auf nur noch 400 000 Euro zusammengekürzt. Wir wollen das anders machen, wie auch in unserem Änderungsantrag zum Haushalt steht.
Die Pflegestärkungsgesetze I bis III verändern das Pflegegeschehen von ambulant bis stationär sehr stark. Wir haben im Landtag in den letzten ein bis zwei Jahren das Augenmerk stark auf die Gewinnung des dringend benötigten Fachkräftenachwuchses und damit auf die Arbeitsbedingungen in der Pflege und die Pflegequalität selbst gelegt. Im September hat der Landtag mit großer Mehrheit den CDU-Antrag „Generalistische Pflegeausbildung jetzt einführen!“ beschlossen. Es ist schön, dass das Kabinett jetzt eine Bundesratsinitiative mit entsprechendem Inhalt beschlossen hat. Wir hoffen, dass es nun auch im Bund klappt und dass dadurch die beruflichen Möglichkeiten der Pflegefachkräfte bei besserem Verdienst und besseren Aufstiegsmöglichkeiten vielfältiger werden.
Mit dem Entschließungsantrag zur konzertierten Verwirklichung des Tarifvertrages Soziales in der Altenpflege hat sich die CDU-Fraktion ebenfalls für bessere Arbeitsbedingungen in den Pflegeeinrichtungen und -diensten eingesetzt und dabei insbesondere auf die Kostenfolgen für die Pflegebedürftigen, die Pflegekassen und die Kommunen hingewiesen.
In der Folge haben die kommunalen Spitzenverbände, die AOK und der vdek im Frühjahr erklärt, tarifliche Bindungen bei den Vergütungsverhandlungen mit den Pflegeeinrichtungen zu berücksichtigen. Was nun noch fehlt, ist das Entscheidende, nämlich der Tarifvertrag. Die CDU-Fraktion appelliert an die Tarifvertragsparteien, diesen Rückenwind zu nutzen und bald zu einem Abschluss zu kommen.
Ein besonderes Augenmerk auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Pflegeheimen hat unsere Fraktion im August auch mit ihrem Antrag zur besseren Personalausstattung in den Pflegeheimen gelegt. Er fordert klar und deutlich die möglichst zügige Verbesserung der Personalausstattung und damit der Lebens- und Arbeitsbedingungen in der stationären Altenpflege, und zwar schon, bevor das neue Personalbemessungssystem nach dem Pflegestärkungsgesetz II ab 2020 kommen wird.
Mit diesem Ziel muss nun der Landesrahmenvertrag in der stationären Altenpflege unter Beteiligung des Landes fortgeschrieben werden. Das Sozialministerium hat errechnet, dass die Verbesserung der Personalausstattung in den Heimen um 10 % in ganz Niedersachsen rund 220 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten bedeuten würde. Jetzt wird intensiv über den Landesrahmenvertrag verhandelt. Es sieht wohl nicht so aus, dass das gesamte Geld gebraucht wird. So weit wird es wohl nicht kommen. Es wäre aber schon etwas gewonnen, wenn der Mindestpersonalschlüssel in der vollstationären Pflege deutlich verbessert würde. Es gibt da diese Bandbreiten. Wenn künftig mindestens 90 % davon eingehalten würden oder deutlich darüber hinausgegangen würde, dann hätten wir schon viel gewonnen.
Jetzt kommt die Zusammenfassung von individuellen Hilfen in schwierigen Lebenslagen; so kann man es bezeichnen. Dafür haben wir in verschie
denen sozialen Bereichen deutliche Mittelaufstockungen beantragt. Dies gilt insbesondere für die Betreuung schwerstkranker Kinder. Gudrun Pieper hat sich in verschiedenen Organisationen, die sich in diesem Bereich verdient machen, sehr um solche Kinder gekümmert. Das gilt auch für die sozialpädagogische Betreuung jugendlicher Straftäter. Es geht um die Betreuungsvereine. Osnabrück ist hier als Speerspitze von großer Bedeutung. Ferner geht es um die Schuldnerberatung oder auch um die Betreuung von Nichtsesshaften; davon kann Hannover ein Lied singen, wie auch Dirk Toepffer sehr gut weiß.
In weiten Teilen Niedersachsens haben wir nach wie vor einen sehr angespannten Wohnungsmarkt. Die derzeitige Knappheit an Wohnraum führt zu hohen Mieten. So lag in Hannover der Durchschnittswert der Angebotsmieten von Juli 2014 bis Juli des vergangenen Jahres nach einer Erhebung der Stadtverwaltung bereits bei rund 7,50 Euro/m². Ganz viele Familien, Menschen mit mittleren und kleineren Einkommen brauchen dringend Wohnraum, finden aber keinen.
Viele Familien mit Kindern bekommen inzwischen noch nicht einmal mehr einen Termin für eine Wohnungsbesichtigung. Zehntausende Flüchtlinge drängen nun auf den allgemeinen Wohnungsmarkt, weil sie ihre Anerkennung erhalten und vom Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes in den Rechtskreis des Sozialgesetzbuches II überwechseln. Nach Schätzungen der Wohnungswirtschaft - das haben wir nicht erfunden - müssen in Niedersachsen jährlich rund 40 000 Wohnungen neu gebaut werden, davon ca. ein Drittel mit sozialen Bindungen.
Das heißt, davon mindestens 10 000 Sozialwohnungen pro Jahr. Zurzeit werden aber nur ca. 25 000 Wohnungen fertiggestellt. Das feiert die Landesregierung; das kann sie auch tun. Aber das ist viel zu wenig. Auf mündliche Anfragen der CDU-Landtagsfraktion hin musste die Landesregierung einräumen, dass sie im Rahmen des Wohnraumförderprogramms in zweieinhalb Jahren - von 2014 bis Mitte dieses Jahres - nur 1 208 Sozialwohnungen gefördert und für nur 668 Wohnungen davon Bewilligungen ausgeteilt hat.
In den Haushaltsberatungen im Sozialausschuss Ende September hat das Ministerium bestätigt, dass zwar seit Mitte des vergangenen Jahres das 400-Millionen-Euro-Kapitalmarktkreditprogramm der NBank besteht, von diesen 400 Millionen Euro aber nur ganze 62 Millionen Euro abgeflossen sind. Weitere 78 Millionen Euro befinden sich in der Warteschleife. Also nur ein gutes Drittel von diesen 400 Millionen Euro ist in etwas mehr als einem Jahr abgeflossen. Das ist wirklich schwach.
Damit erreichen wir aber bei Weitem nicht die Stückzahlen an neuen Sozialwohnungen, die wir so dringend brauchen. Die Baukosten in Niedersachsen sind sehr unterschiedlich hoch, sodass das Wohnraumförderprogramm mit seinen bisher nur zinslosen Darlehen nur zum Teil wirkt. Wegen hoher Baukosten und notwendiger Anreizwirkungen müssen wir endlich in die Zuschussförderung einsteigen, was die CDU-Fraktion schon seit Langem fordert.
Nun plant die Landesregierung, im sozialen Mietwohnungsbau auf gewährte zinslose Darlehen tatsächlich Tilgungszuschüsse zu leisten. Dafür öffnen ihr die Bundesmittel in Höhe von 400 Millionen Euro in den Jahren 2016 bis 2019 die Tür. Das Land aber will wiederum nur 75 Millionen Euro von diesen Mitteln für die Zuschussförderung aufwenden und im Übrigen weiterhin nur zinslose Baudarlehen ausreichen. Damit werden wir aber nicht entscheidend weiterkommen. Die CDUFraktion fordert, dass das Land in erheblich höherem Umfang den Neubau bezahlbarer Mietwohnungen für Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen mit Zuschüssen fördert,
und dies auch mit den in der Vergangenheit sehr bewährten Aufwendungszuschüssen oder allgemeinen Baukostenzuschüssen, um nicht nur große Wohnungsgesellschaften anzusprechen, sondern auch zahlreiche kleinere Bauherren. Das Land Niedersachsen ist für den sozialen Wohnungsbau zuständig und muss deshalb eigene Steuermittel zusätzlich zu den großzügig gewährten Bundesmitteln einsetzen. Das aber verweigert Rot-Grün bisher beharrlich. Demgegenüber beantragt die CDUFraktion, insgesamt 130 Millionen Euro für Investitionszuschüsse im Wohnungsbau in den Haushalt einzusetzen.
Damit wollen wir neben neuen bezahlbaren Mietwohnungen auch den Bau von Eigenheimen für Familien mit Kindern fördern - Stichwort „Baukindergeld“, das Björn Thümler heute Morgen schon erwähnt hat.
Damit einhergehen muss, lieber Kollege Limburg, dass die ungenutzten Möglichkeiten des kostensparenden Bauens ausgeschöpft - das ist besonders im Hamburger Bereich von großer Bedeutung -, energetische Standards nicht übertrieben und Planverfahren abgekürzt werden. Dringend notwendig ist es auch, dass die Kommunen verstärkt Bauland für den Mehrfamilienhausbau ausweisen. Aus meiner Stadt Gehrden ist dazu ein gutes Beispiel zu vermelden. Dort wird gerade ein neues Baugebiet mit 50 Grundstücken für Einfamilienhäuser und Platz für bis zu acht mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser entwickelt.