Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Ich sehe, dass auch die FDP-Fraktion noch Restredezeit in Anspruch nehmen will. Herr Dr. Hocker, Sie sind dran. Neun Minuten haben Sie noch.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich werde mit einem Bruchteil der neun Minuten auskommen.

Frau Kollegin Staudte, ich habe mich schon sehr gewundert, als Sie in Ihrer Rede erwähnt haben, dass Eile nicht geboten sei bei dieser Thematik, sondern dass nichts dagegen spräche, die 400 °C heißen Castoren sozusagen erst einmal an der Oberfläche abkühlen zu lassen.

Ich erinnere mich bestens daran, dass Sie und dieser Minister, der damals Oppositionsführer hier im Niedersächsischen Landtag war, in einer Vielzahl von Reden das Risiko heraufbeschworen haben, dass ein Linienflugzeug oder ein Kampfflugzeug auf ein Kernkraftwerk oder auf unter freiem Himmel abgestellte Castoren stürzen könnte; damit gehe ein nicht kalkulierbares Risiko für die Menschen in Niedersachsen und für die Menschen in Deutschland einher.

Ich würde von Ihnen gern wissen, was Sie zu so fundamentalem Umdenken angeregt hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Hocker. Es ist legitim, dass Sie einer Kollegin, die noch Restredezeit hat, eine Frage stellen. Frau Staudte kann jetzt 2:21 Minuten in Anspruch nehmen. Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Hocker, es gibt Staaten, in denen längerfristige Oberflächenlagerung praktiziert wird. Holland z. B. sagt: Wir lassen den Müll zunächst deutlich abkühlen, und erst dann bringen wir ihn in ein Endlager.

Ich habe in meiner Rede sehr wohl auf Handlungsbedarf hingewiesen, nämlich Handlungsbedarf bei der Zwischenlagerung. Wir müssen die Konzepte unserer Zwischenlager überarbeiten. Wir müssen sie sicherer machen.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Da werden sich die Menschen in Lüchow-Dan- nenberg freuen, wenn Sie die Casto- ren noch länger an der Oberfläche stehen lassen wollen!)

Es ist richtig, dass auf das jüngste Urteil verwiesen wird, das infrage stellt, ob die Zwischenlager gegen Flugzeugabstürze gesichert sind. Da bin ich sofort bei Ihnen. Wir müssen handeln. Aber wir müssen doch auch anerkennen, dass wir vor 2050 oder 2060 überhaupt keinen Atommüll unter die Erde bringen können, selbst wenn alles so schnell wie möglich läuft. Für diese Zwischenzeit brauchen wir sichere Konzepte.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der FDP: Welche denn?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest, dass weitere Wortmeldungen zur Besprechung der Regierungserklärung nicht mehr vorliegen. Deswegen kann ich diesen Tagesordnungspunkt abschließen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde

Für diesen Tagesordnungspunkt sind uns vier Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie der Tagesordnung entnehmen können.

Die Bestimmungen unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde setze ich als bei allen Beteiligten, auch bei der Landesregierung, bekannt voraus.

Ich eröffne die Besprechung zu

a) Tag der Arbeit 2017: Wir sind viele. Wir sind eins. Gute Arbeit und faire Bedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 17/7705

Das Wort hat die Fraktionsvorsitzende, Frau Kollegin Hanne Modder. Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Arbeiter, organisiert euch! Vereinzelt seid ihr nichts, vereinigt seid ihr alles!“ Dieses Zitat von

August Bebel findet sich im Motto für den diesjährigen Tag der Arbeit am 1. Mai: „Wir sind viele. Wir sind eins“ wieder.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

An diesem Tag gedenken wir der Opfer der zahlreichen Arbeiteraufstände, die seit dem Aufkommen der Industrialisierung in allen Teilen der Welt für bessere Arbeitsbedingungen, für gerechte Löhne und gegen die Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter gekämpft haben.

Am Tag der Arbeit stehen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Mittelpunkt. Er bietet Anlass, einmal mehr über die aktuelle Situation in der Arbeitswelt nachzudenken.

Meine Damen und Herren, auf der einen Seite sind wir mit Blick auf die Lebenssituation und die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit dem Beginn der Industrialisierung ein riesiges Stück vorangekommen. Die Fünftagewoche und der Achtstundentag sind für die allermeisten Menschen in Deutschland ebenso Realität wie der erst im Jahr 2015 eingeführte allgemeine Mindestlohn. Die Arbeitsbedingungen haben sich deutlich verbessert.

All diese Fortschritte sind das Ergebnis eines unglaublichen Engagements der Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften, der Betriebsräte, aber eben auch der SPD, die sich seit den Zeiten von August Bebel vor mehr als 150 Jahren immer für die hart arbeitenden Menschen in diesem Land eingesetzt hat.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, bei all diesen Erfolgen darf man allerdings die andere Seite der Medaille nicht ausblenden. Noch immer gibt es in unserem Land Menschen, die keine Arbeit finden und dadurch große Probleme haben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Obwohl wir in Niedersachsen die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung zu verzeichnen haben, sind diese Menschen auf Transferleistungen des Staates angewiesen. Viele von ihnen schämen sich dafür und ziehen sich immer weiter ins Private zurück.

Gerade aus diesem Grund haben die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD in den Doppelhaushalt 2017/18 insgesamt 10 Millionen Euro eingestellt, um ein Landesprogramm gegen die

Langzeitarbeitslosigkeit in Niedersachsen aufzulegen und ca. 1 000 Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen unbedingt verhindern, dass sich Arbeitslosigkeit vererbt und die Abhängigkeit von Transferleistungen von Generation zu Generation weitergegeben wird. Dieses Ziel werden wir nur mit einer groß angelegten Bildungsoffensive erreichen, mit unserer Zukunftsoffensive Bildung. Deshalb investiert diese Landesregierung seit 2013 in nie da gewesener Weise in das niedersächsische Bildungssystem.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Noch immer ist der Anteil von Frauen in der Wirtschaft, gerade in Führungspositionen, viel zu gering. Noch immer verdienen Frauen bei gleicher Qualifikation für die gleiche Arbeit weniger als ihre männlichen Kollegen. Das versteht im Jahr 2017 nun wirklich niemand mehr.

Vielen Frauen droht die Altersarmut, weil sie aufgrund von familienbedingten Erwerbsunterbrechungen in Teilzeitstellen oder Minijobs verhaftet sind. Sie sind gefangen in der Teilzeitfalle. Vor diesem Hintergrund ist es absolut unverständlich und unverantwortlich, dass die Union im Bund das Gesetz über das Rückkehrrecht aus Teilzeit in Vollzeit massiv blockiert. Ein solches Gesetz hätte allen Müttern und Vätern, die nach der Geburt ihrer Kinder oder wegen der Übernahme von Pflege vorübergehend in Teilzeit arbeiten wollen, die Rückkehr in eine Vollzeitstelle gesetzlich zugesichert. Mit ihrer Blockade zeigt die Union einmal mehr, dass mit ihr keine fortschrittliche Familienpolitik zu machen ist und dass ihr das Thema Geschlechtergerechtigkeit schlicht egal ist.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat sich immer für gute Arbeitsbedingungen und den Mindestlohn starkgemacht. Diese Landesregierung hat sich im Bundesrat gegen den Missbrauch von Werkverträgen und für den Kampf gegen Dumpinglöhne engagiert. Diese Landesregierung hat dafür gesorgt, dass nur noch Unternehmen, die den Mindestlohn zahlen, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt werden.

All diese Maßnahmen sind gut und richtig. Wir sind aber noch längst nicht am Ziel.

Die Situation bei VW z. B. zeigt, dass das effektive Instrument der Kurzarbeit auch für die Leiharbeit gelten muss. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Leiharbeit sind häufig die Ersten, die für folgenschwere Fehler mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes büßen müssen.

Ich stelle aber klar: Der Missbrauch von Leiharbeit ist genauso wenig akzeptabel wie die Behinderung oder gar das Mobbing von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Betriebsräte bilden wollen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Herausforderungen der Zukunft werden zudem maßgeblich durch den technologischen Fortschritt geprägt. Industrie 4.0, Arbeit 4.0 - das sind die Schlagwörter.

Es gilt, dafür zu sorgen, dass die technischen Neuerungen nicht all diese Errungenschaften untergraben, die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten erreicht haben. Deshalb begreifen wir es als eine unserer dringlichsten Aufgaben, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch unter diesen veränderten Vorzeichen zu bewahren. Wir werden unser Ziel „gute Arbeit, Arbeit 4.0“ verwirklichen. Dafür stehen wir auch in Zukunft Seite an Seite mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, mit den Gewerkschaften - ganz im Sinne August Bebels.

In diesem Sinne: Herzlichen Dank und - wenn es so weit ist - einen schönen 1. Mai!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Modder. - Es hat jetzt für die CDU-Fraktion der Kollege Dirk Toepffer das Wort. Bitte, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Modder, vieles von dem, was Sie gesagt haben, kann man unterstreichen. Aus Sicht der CDU will ich aber an dieser Stelle dreierlei sagen.

(Ronald Schminke [SPD]: Da gibt es kein „aber“!)