Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

Dr. Birkner, Sie haben noch eine Frage? - Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, wenn ich mich recht erinnere, gab es in Bezug zu dem Verfahren gegen Herrn Edathy, als er als Beschuldigter geführt worden war, auch Berichterstattungen, bei denen im Raum stand, ob auch hier ein Geheimnisverrat stattgefunden haben könnte. Die Frage bezieht sich jetzt nicht auf Herrn Edathy, sondern darauf, ob im Zusammenhang mit diesem Ermittlungsverfahren gegen Herrn Edathy weitere Verfahren geführt worden sind, die einen möglichen Geheimnisverrat zum Gegenstand gehabt haben. Das ist die Frage.

Frau Ministerin, bitte schön!

(Jens Nacke [CDU]: In dem Fall passt es der Landesregierung ja in den Kram!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine mich daran zu entsinnen, aber wir haben hier im Augenblick keine Unterlagen darüber vorliegen. Wir liefern das sehr gern nach. Ich möchte hier auf jeden Fall wahrheitsgemäß antworten. Das ist im Augenblick nicht möglich.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist Zif- fer 1 der Frage! Da steckt das ja mit drin!)

Nun, meine Damen und Herren, mit der letzten Aussage, dass dazu auf Ihre Frage, Herr Dr. Birkner, etwas nachgeliefert wird, liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit schließen wir den Tagesordnungspunkt 19, Dringliche Anfragen, ab.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Gettos vermeiden - Wohnsitzauflage jetzt! - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/8019

Den Antrag bringt die Kollegin Angelika Jahns ein. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst das Land, dann die Partei. So sollte eine Landesregierung arbeiten. Das hören wir oft, wenn es um die Prioritäten der Politik geht.

Warum sage ich das? - Ich sage das an dieser Stelle, weil Sie, Herr Ministerpräsident Weil, und auch Sie, Herr Innenminister Pistorius, bei der Frage der Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge genau das Gegenteil praktizieren, weil Sie Ihren Koalitionspartner nicht verärgern wollen.

Am 6. Januar 2016 berichtete die NordwestZeitung, dass unser Ministerpräsident Weil eine Residenzpflicht für Flüchtlinge fordert. Zu viele Flüchtlinge würden seiner Ansicht nach in Städte und Ballungsgebiete drängen und zu wenige in den ländlichen Raum. - Ich tue es äußerst ungern, aber da muss ich Ihnen, Herr Ministerpräsident Weil, recht geben. Diese Einstellung stimmte vor einem Jahr, und sie stimmt heute noch viel mehr. Heute wissen wir, dass sich in Städten wie Delmenhorst, Wilhelmshaven und vor allem Salzgitter insbesondere syrische Flüchtlinge konzentrieren.

(Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann übernimmt den Vorsitz)

Das möchte ich den anerkannten syrischen Flüchtlingen auch gar nicht vorwerfen. Sie folgen damit nur der menschlichen Natur, sich dort niederzulassen, wo Freunde sind und wo sie ihre Sprache

weiter sprechen können. Dort fühlen sie sich sicher und hoffen auf eine Zukunft in einer neuen Welt und auf ein neues Zuhause. Das aber ist nicht immer im Sinne einer funktionierenden Integration durch Wohnen, Arbeit und Kennenlernen des neuen Umfeldes. Außerdem folgen sie den Gesetzen des Wohnungsmarktes.

Wir haben alle Verständnis dafür, dass man dort leben möchte, wo die Infrastruktur gegeben ist und es größere Angebote z. B. beim ÖPNV, wo es Geschäfte, Freizeitbeschäftigungen oder auch Arbeit gibt. Aber helfen wir den Flüchtlingen wirklich, wenn wir das so geschehen lassen? - Gerade die größeren Städte werden vor besondere Herausforderungen gestellt, die sie nicht allein bewältigen können. Jetzt hat sich die Stadt Salzgitter mit der Bitte um Unterstützung an Herrn Ministerpräsident Weil gewandt. Salzgitter und der Städtetag fordern, die durch den Bund verabschiedete Möglichkeit, eine Wohnsitzauflage durch die Länder, zuzulassen. Viele Bundesländer machen davon auch Gebrauch und schützen damit ihre Kommunen vor Gettobildungen und Parallelgesellschaften. Niedersachsen aber verweigert sich hier und lässt die Kommunen im Regen stehen.

Salzgitter hat mittlerweile ca. 5 000 Flüchtlinge, davon etwa 3 300 anerkannte Syrer. Diese Stadt scheint also besonders beliebt zu sein oder eine besondere Anziehungskraft auf syrische Flüchtlinge zu haben. Aber diese Stadt kommt an die Grenze ihrer Kapazitäten. Deshalb ist hier dringender Handlungsbedarf angesagt. Denn bei einer solchen Konzentration einer bestimmten Migrantengruppe besteht die Gefahr, dass es zur Gettobildung kommt und man genau das Gegenteil von Integration erreicht und dass - ich sage es an dieser Stelle auch noch einmal deutlich - Parallelgesellschaften entstehen. Diese ziehen gesellschaftliche Probleme nach sich, deren Bewältigung nicht den Städten allein überlassen werden darf.

Ich glaube, dass die Integration in unsere Gesellschaft in großen Städten gelingen kann, wenn Rahmenbedingungen eine Zuweisung regeln und Kommunen Steuerungsinstrumente an die Hand bekommen, die sie für das Zusammenleben ihrer Bürgerinnen und Bürger brauchen. Gerade bei der Flüchtlingswelle vor nahezu zwei Jahren hat sich in vielen Städten und Dörfern eine Hilfsbereitschaft gezeigt, die ihresgleichen sucht.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Bevölkerung hat eine Mitmenschlichkeit bewiesen, die vorbildlich ist. Setzen Sie diese Stimmung nicht aufs Spiel, Herr Ministerpräsident Weil, weil Ihr Koalitionspartner nicht sieht, welche Gefahr durch den ungesteuerten Zuzug von ethnischen Communities besteht. Eine Gettobildung muss verhindert werden.

Auf der einen Seite wird die Integration vielleicht erleichtert, wenn mehrere Menschen aus demselben Land zusammenkommen. Auf der anderen Seite verleitet es, nur in der eigenen Sprache zu sprechen. Der Druck, die deutsche Sprache zu lernen, ist geringer.

Es gibt aber auch noch weitere Argumente, z. B. dass die neuen Mitbürger kaum Kontakt zu Einheimischen haben. Das heißt, auch die Aufgaben des täglichen Lebens und des täglichen Bedarfs werden überwiegend nur mit Vertrauten aus dem eigenen Kreis bewältigt. Das hat zur Folge, dass Migrantengruppen, die eher sozial schwach sind, auch sozial schwach bleiben.

Deshalb sind wir der Meinung, dass die Integration besser durch eine gesteuerte Zuweisung und eine umfassende Struktur gelingt als in syrischen Communities an sozialen Brennpunkten in ohnehin überforderten Städten. Das gilt insbesondere, wenn die Anzahl der Migranten so hoch ist wie die Zahl der Syrer in Salzgitter.

Dank Ihrer ehrlichen Einlassung vor einem Jahr wissen wir, dass auch Sie, Herr Ministerpräsident Weil, genauso denken. Im Sommer schuf die Bundesregierung zusammen mit dem Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD das Instrument der Wohnsitzauflage auch für anerkannte Flüchtlinge.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Ein Bü- rokratiemonster war das! - Gegenruf von Filiz Polat [GRÜNE]: Ist das!)

Damals sagte wieder einmal ein Sozialdemokrat, nämlich der damalige SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel, etwas sehr Richtiges. Er sagte nämlich, dass er glaube, wir bräuchten in Deutschland eine Wohnsitzauflage.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Es gibt schon eine Wohnsitzauflage, Frau Jahns! 1 500 haben ihren Wohnsitz in Salz- gitter und würden gern nach Braun- schweig ziehen!)

Man höre und staune! Sonst zögen die Menschen - auch die anerkannten Asylbewerber - alle in die Großstädte. „Da ballen sich die Schwierigkeiten und wir bekommen richtige Gettoprobleme“, so Gabriel laut Focus-Online vom 10. Januar 2016. Wo er recht hat, hat er recht.

Niedersachsen hat diese gesetzlichen Möglichkeiten bisher nicht genutzt. Innenminister Boris Pistorius gab Anweisung an die niedersächsischen Kommunen, dieses Instrument nicht umzusetzen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, damit schädigt diese Landesregierung wider besseres Wissen die Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das ist falsch!)

Sie, meine Damen und Herren, stellen an dieser Stelle die Partei vor das Land.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Nein!)

Und warum? - Weil Ihr grüner Koalitionspartner, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, da nicht mitmacht!

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das ist falsch! Das stimmt nicht, was Sie da erzählen! Das können Sie nicht ein- fach so behaupten!)

Es gibt ein Veto durch die Grünen gegen die Anwendung der Wohnsitzauflage in Niedersachsen.

Frau Kollegin Jahns, Frau Polat möchte Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Die lassen Sie nicht zu. Okay.

Das hat sich letztes Jahr ganz schnell gezeigt, als wir schon einmal einen ähnlichen Antrag eingebracht haben, in dem wir die Landesregierung baten, die damaligen Vorstellungen des Ministerpräsidenten doch einmal zu erläutern. Da zeigte sich bereits, dass die SPD keinen Mumm hat, sich gegen den Koalitionspartner mit der Position durchzusetzen, die ihr eigener MP vertritt.

Nun haben wir die Situation, dass die Stadt Salzgitter und mit ihr der Niedersächsische Städtetag dringend nach der Anwendung der Wohnsitzauflage in Niedersachsen rufen. Auch der Deutsche Städtetag steht hinter dieser Forderung. Aber diesen Ruf erhören Sie nicht. Sie vertrösten die Stadt Salzgitter nur.

Wem tun wir hier in Niedersachsen einen Gefallen, wenn wir die Zusammenballung syrischer oder anderer anerkannter Flüchtlinge an sozialen Brennpunkten in Salzgitter oder anderswo zulassen? Hier siegen die grüne Ideologie und der sozialdemokratische Machtanspruch über das, was für unser Land gut ist. Hier zeigt sich, dass all das Gerede um Integration, das wir uns ständig von Ihnen anhören müssen, leeres Geschwätz ist. Im Canarisweg in Hannover oder im Wollepark in Delmenhorst können wir heute schon sehen, wohin das auch in Salzgitter führen wird. Sie produzieren das Elend, das Sie später bekämpfen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Hier entlarvt sich Ihr Gerede von sozialer Gerechtigkeit als inhaltsleer. Sie helfen diesen Menschen damit nicht. Im Gegenteil. Sie grenzen sie aus.

Die Wohnsitzauflage gab es schon einmal. Diese wurde in den 90er-Jahren für die sogenannten Spätaussiedler aus Russland eingeführt. Sie war ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Kommunen. Sie gab den Kommunen insbesondere in der Wohnungswirtschaft Planungssicherheit. Die Wohnsitzauflage hat auch den Betroffenen Sicherheit gegeben. Das sagen viele Betroffene von damals auch heute.

Wir müssen die Flüchtlinge in unsere Gesellschaft aufnehmen. Das gelingt uns nicht, wenn wir sie durch Marktzwänge und scheinbar eigenes Interesse in Gettos abschieben. Der Grundsatz muss auch hier „Fördern und Fordern“ sein, wobei „Fordern“ hierbei bedeutet, dass die Flüchtlinge es zuerst mit der Integration an den ihnen zugewiesenen Wohnorten versuchen müssen und können. Wenn sie ein Auskommen in Salzgitter finden, dann sollen sie gerne dorthin ziehen. Aber wir dürfen sie nicht faktisch noch dazu ermutigen, sich dort in einer so extrem hohen Anzahl zu separieren.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Wohnsitzauflage hat damit auch die wichtige Signalwirkung an die Flüchtlinge, dass wir auch etwas von ihnen erwarten und erhoffen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte deutlich darauf hinweisen, dass wir als Gesellschaft in Deutschland sehr viel für Flüchtlinge tun. Im Gegenzug dürfen wir auch die Integration in unsere Gesellschaft erwarten.

Auch die Migranten und Flüchtlinge haben ein großes Interesse daran, in Deutschland eine Zukunft aufzubauen. Vor dem Hintergrund des Zustandes ihrer Heimatländer und oft jahrelanger Flucht - auch aus Kriegsgebieten - nehmen sie es sicher auch in Kauf, bis zu drei Jahre - es sind nicht unbedingt immer drei Jahre - an einem Ort zu leben, dem sie zugewiesen werden.