Protokoll der Sitzung vom 15.06.2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man muss sich vor einem Staat fürchten, in dem Sie für innere Sicherheit verantwortlich wären.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie offenbaren ein Verständnis von einem Rechtsstaat, das ich erschreckend finde. Sie erwarten ernsthaft, dass wir alle Familien, die sich in einem bestimmten Milieu bewegen, die aber nicht aufgefallen sind, nicht eingestuft sind als Gefährder oder relevante Personen, rund um die Uhr beobachten und verhindern, dass sie ausreisen in einem Land,

wo Reisefreiheit und Bewegungsfreiheit Grundrechte sind? Sie erwarten von uns, dass wir Kinder vorsorglich aus den Familien nehmen,

(Zuruf von den GRÜNEN: Genau!)

weil irgendjemand salafistische Anwandlungen hat?

Meine Damen und Herren, Sie sind auf dem Holzweg. Das ist keine Sicherheitspolitik, das ist Panikpolitik. Das ist nichts anderes, als die Leute in Angst und Schrecken zu versetzen. So geht man mit diesem Thema nicht um.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die dritte Zusatzfrage für die FDP stellt nun Herr Kollege Oetjen. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Pistorius! Man möchte manchmal meinen, dass die eine Hand nicht weiß, was die andere tut.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sprechen Sie von CDU/FDP?)

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Frau Ministerin Rundt auf die von ihr bereits zitierte Anfrage von mir, in Drucksache 17/7658 geantwortet hat - ich zitiere -:

„Auch der Polizei kommt neben den Angehörigen anderer Institutionen wie Jugendamt, Kindertagesstätte, Schule und der Gesundheitsvorsorge die Aufgabe zu, alle Informationen zur Wahrnehmung des in § 8 a des Sozialgesetzbuches (SGB) , Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - normierten „Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung“ zu sichern und weiterzuleiten. Warnhinweise müssen frühzeitig kommuniziert werden, um die zuständigen Stellen in die Lage zu versetzen, schnelle sozialpädagogische Hilfsangebote zu unterbreiten oder mithilfe der Familiengerichte eingreifen zu können.“

Vor diesem Hintergrund aus der Antwort ihrer Landesregierung frage ich Sie, sehr geehrter Herr Minister, zu den fünf Inobhutnahmen, die dort zitiert wurden, oder Inobhutnahmen von fünf örtlichen Trägern und nur drei Hinweisen aus Polizei und Verfassungsschutz: Woher kommen denn die

anderen, und gehen die Polizei und die Sicherheitsbehörden tatsächlich ihrer Pflicht nach, diesem Auftrag aus § 8 a frühzeitig nachzukommen und die Jugendämter zu informieren, damit Kinder tatsächlich effektiv geschützt werden?

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Es antwortet für die Landesregierung Herr Minister Pistorius.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Oetjen! Ich will es sehr deutlich sagen: Die Polizei ist keine Schnüffelbehörde für Familienprobleme und für Situationen in Familien.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ja, sehr gut!)

Wenn die Polizei im Rahmen ihrer täglichen Arbeit Kenntnis davon erlangt, dass sich bestimmte Entwicklungen in Familien oder in deren Umfeld abzeichnen, dann tut sie genau das, was in den drei Fällen passiert ist. Aber es ist nicht Aufgabe der Polizei, durch die Straßen zu ziehen und zu gucken, in welchen Familien etwas los ist oder was dort passiert. Deswegen ist völlig klar: Es gibt Fälle, in denen die Polizei die Hinweise gibt. In anderen Fällen gibt sie sie nicht, weil sie sie nicht hat.

Ich hätte mir allerdings gewünscht, Herr Oetjen, dass beispielsweise in dem Fall der Safia S., der uns ja seit Längerem beschäftigt, im Jahr 2009, als die Videos mit ihr auftauchten, mal irgendeine Landesbehörde unter Ihrer Verantwortung eingeschritten wäre

(Johanne Modder [SPD]: Genau so!)

und Verantwortung für dieses Kind gezeigt hätte.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Ebenfalls für die Landesregierung hat nun Frau Sozialministerin Rundt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss sagen, dass ich ein Stück weit entsetzt bin, wie das Thema „Kinder in radikalisierten Familien“ hier jetzt ebenfalls missbraucht wird, um ein Szenario hochzuziehen.

Ich will aber zur Korrektur dessen, was offensichtlich falsch verstanden worden ist, noch einmal sehr

deutlich sagen, dass fünf Jugendämter - so habe ich es gesagt - in den Fällen einer Kindeswohlgefährdung auch im Hinblick auf extrem religiöse Milieus Inobhutnahmen durchgeführt haben. Ich habe nicht von Salafismus gesprochen. Wir haben durchaus auch in anderen Religionsbereichen religiöse Milieus. Das betrifft z. B. durchaus auch das Christentum.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die nächste und damit vierte Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Herr Kollege Nacke.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, dann frage ich Sie jetzt einmal: In wie vielen Fällen, in denen Islamismus oder Salafismus eine Rolle gespielt haben, haben denn Jugendämter eingegriffen? Denn jetzt sagen Sie plötzlich, dass es sich um christliche oder andere Radikalisierung handelt. So ähnlich haben Sie es ja gerade ausgedrückt. Stellen Sie das doch bitte einmal klar! Dann frage ich jetzt nicht nur für die Islamisten und Salafisten, sondern auch gleich für Christen, Juden und andere Religionsgemeinschaften: Wie teilen sich diese fünf Fälle, von denen Sie gesprochen haben, auf? Sind denn gar keine Islamisten und Salafisten dabei? Oder wie musste ich das gerade verstehen?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Rundt.

(Unruhe)

- Ich darf um Ruhe bitten!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin mir jetzt gar nicht sicher, ob ich das so klarstellen kann, dass Sie mir nicht wieder das Wort im Munde umzudrehen versuchen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Da können Sie sich nie sicher sein!)

Ich will hier noch einmal ausdrücklich sagen: Wir haben das bei den Jugendämtern abgefragt. Die fünf Jugendämter haben uns Inobhutnahmen auch

aufgrund extremer religiöser Milieus genannt. Eine Unterscheidung haben uns die Jugendämter bislang nicht mitgeteilt. Wenn Sie das wissen möchten, können wir es gerne noch einmal bei allen Jugendämtern erheben.

(Zuruf von der CDU: Radikale Katholi- ken gibt es bestimmt!)

Vielen Dank. - Wir fahren fort. Die vierte Zusatzfrage für die FDP-Fraktion stellt Herr Kollege Oetjen.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Minister hat ja ausgeführt, dass es auch Menschen gibt, die aus Niedersachsen ausgereist sind und deren Verbleib unbekannt ist. Die Familie aus Wolfsburg gehört ja wahrscheinlich - das sind jetzt Mutmaßungen meinerseits - dazu.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das sagt sie uns ja nicht!)

Meine Frage an die Landesregierung ist: Haben Sie Kenntnis darüber, wie viele Familienangehörige, Erwachsene oder Kinder, die nicht selbst salafistische oder islamistische Gefährder sind, mit diesen Gefährdern gemeinsam ausgereist sind?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Es antwortet Herr Innenminister Pistorius.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wiederhole den Hinweis auf die Bewegungs- und Reisefreiheit. Warum sollen wir jemanden, der nicht unter Verdacht steht, irgendetwas getan zu haben oder tun zu wollen, darauf hin überprüfen, wo er die Grenze in welche Richtung mit wem überschreitet? Das ist überhaupt nicht Aufgabe der Sicherheitsbehörden. Deswegen kann ich Ihre Frage nicht einordnen.

(Jens Nacke [CDU]: Weil das nach der Ausreise mitgeteilt wird! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das erklärt natürlich die Ausreisewellen in Lu- xemburg!)

Vielen Dank. - Wir fahren fort. Die fünfte und damit letzte Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Herr Kollege Nacke.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Pistorius, vor dem Hintergrund Ihrer gerade gegebenen Antwort: Selbstverständlich gibt es im Nachgang einer Ausreise normalerweise das Bekenntnis dazu, dass man sich dem IS angeschlossen habe. Sicherheitsbehörden sind selbstverständlich aufgefordert, anschließend auch die Fragen aufzuklären, und erhalten davon Kenntnis. Deswegen nehme ich auch Bezug auf Ihre vorher gegebene Antwort, mit der Sie meine eigentliche Frage nicht beantwortet haben. Die Menschen - - -

Jetzt die Frage!