Protokoll der Sitzung vom 29.08.2013

mittelbares Zugriffsrecht haben, um von denjenigen, die das unmittelbar bearbeiten oder bearbeitet haben, die Informationen zu bekommen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich komme zu einem dritten wichtigen Punkt: Es hat sich gerade im Umgang mit den Angehörigen der Opfer dieser NSUMorde gezeigt, dass wir mehr Menschen mit Migrationshintergrund in den Verfassungsschutzbehörden brauchen. Das gilt aber am Ende für alle Sicherheitsbehörden, um auch hier die Sensibilität zu steigern und interkulturelle Fähigkeiten zu erhöhen. Auch dafür werben wir.

Lassen Sie mich abschließend die Frage ansprechen, wie das alles weitergehen soll. Wir vermissen ein klares Signal der Landesregierung, wo sie eigentlich mit dem Verfassungsschutz hin will. Die Grünen - das habe ich schon gesagt - wollten eigentlich die Auflösung. Die SPD will den Verfassungsschutz irgendwie beibehalten. Am Ende hat man einen Arbeitskreis in Aussicht gestellt, bei dem keiner mehr so richtig weiß, wann der eigentlich kommen soll.

Ich sage ausdrücklich: Wir stehen bereit und bieten an, hier zum Wohle des Verfassungsschutzes - am Ende zum Wohle des Landes - an dieser Arbeit, an der Reform des Verfassungsschutzes mitzuwirken. Meine dringende Bitte ist: Machen Sie nicht das wahr, was Sie angekündigt haben, unter Ausschluss der Oppositionsfraktionen einen Arbeitskreis ins Leben zu rufen, der quasi völlig intransparent ist und bei dem am Ende die darin vertretenen Parteien - weil keiner so richtig weiß, wie der eigentlich benannt werden soll - die Arbeit machen. Wir stehen zur Verfügung. Ich halte das für einen ganz entscheidenden Punkt, damit wir tatsächlich eine verlässliche und gute, politisch getragene Basis für den Verfassungsschutz haben. Schließen Sie nicht die Oppositionsfraktionen von dieser Arbeit aus! Sorgen Sie dafür, dass der Verfassungsschutz zukunftsfähig aufgestellt ist, und machen Sie das nicht am Ende zum Gegenstand Ihrer parteipolitischen Diskussionen und Spiele!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Limburg das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Birkner, bezüglich Ihrer Sorgen und Unsicherheiten hinsichtlich der Haltung dieser Regierungskoalition zum niedersächsischen Verfassungsschutz kann ich Sie beruhigen. Grundlage der Arbeit dieser Regierung und dieser Regierungsfraktionen ist der Koalitionsvertrag, der auf zwei Parteitagen einstimmig beschlossen wurde. Dieser Koalitionsvertrag benennt die Notwendigkeit von tiefgreifenden Reformen im Verfassungsschutz, aber er sagt auch ganz klar, dass der Verfassungsschutz in Niedersachsen erhalten bleiben muss und wird. Dabei bleibt es auch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der uns vorliegende und gerade von meinem Kollegen Dr. Birkner eingebrachte Antrag der FDPFraktion soll wohl der Versuch sein, kurz vor der Bundestagswahl die FDP noch einmal als Bürgerrechtspartei erscheinen zu lassen. Allerdings bleibt es bei dem Versuch.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ein klägli- cher Versuch!)

Gelungen ist an Ihrem Antrag nicht viel. So wird in dem Antrag die Forderung nach einer Reform des Verfassungsschutzes ausschließlich mit Konsequenzen aus dem Behördenversagen rund um den NSU begründet. Dazu zwei Feststellungen: Zum einen halte ich es schon für ein wenig populistisch von Ihnen, Herr Dr. Birkner, das Versagen des NSU - das haben Sie in Ihrer Rede betont - nicht völlig, aber nahezu ausschließlich beim Verfassungsschutz bundesweit abzuladen - zumal beim niedersächsischen, der damit wirklich nur am Rande zu tun hatte. Viel eklatanter - darüber muss gesprochen werden - war nun einmal das Versagen bei Polizei und Staatsanwaltschaften.

Zum Zweiten aber - das finde ich viel wichtiger - gehen Sie, Herr Dr. Birkner, in Ihrem Antrag und auch in Ihrer Rede mit keiner einzigen Silbe auf die Skandale und Affären des niedersächsischen Verfassungsschutzes in der Amtszeit Ihres damaligen Koalitionsfreundes Uwe Schünemann ein, mit dem Sie in trauter Eintracht am Kabinettstisch gesessen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich möchte Sie an etwas erinnern: Als Sie Mitglied der Landesregierung waren, Herr Dr. Birkner, hat der Verfassungsschutz - was in Deutschland einmalig war - Kompetenzen im Bereich der Bildungsarbeit bekommen. Ich bin froh, dass Innenminister Boris Pistorius diese Kompetenzüberschreitung wieder zurückfahren wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als Sie Mitglied der Landesregierung waren, Herr Dr. Birkner, hat der Verfassungsschutz versucht, die Einbürgerung politisch missliebiger Personen aus dem linken Spektrum zu verhindern. Kritik von Ihnen daran? - Fehlanzeige!

Als Sie Regierungsmitglied waren, Herr Kollege Dr. Birkner, hat das Verwaltungsgericht Göttingen festgestellt, dass der Verfassungsschutz in rechtswidriger Weise versucht hat, die Einbürgerung eines Moscheebesuchers zu verhindern. Kritik der sogenannten Rechtsstaatspartei FDP daran? - Fehlanzeige!

Als Sie Regierungsmitglied waren, Herr Dr. Birkner, hat der Verfassungsschutz in Niedersachsen einen Göttinger Journalisten beobachtet, der u. a. kritisch über Atomkraft und die Anti-AKW-Szene berichtet hat. Kritik von Ihnen daran? - Fehlanzeige!

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Unfass- bar!)

Als Sie Regierungsmitglied waren, Herr Dr. Birkner, hat der Verfassungsschutz die Bewegung „WiderSetzen“ als verfassungsfeindlich diskreditiert. Er hat die wahrheitswidrige Behauptung aufgestellt und in Verfassungsschutzberichten verbreitet, im Wendland seien mit Schrauben gespickte Golfbälle auf Polizisten und Polizeipferde geworfen worden. Es macht es nicht besser, dass Ihr Kollege Dr. Hocker sich diese Behauptung hier im Landtag zu eigen gemacht und sich bis heute nicht für diese Fehlinformation des Parlamentes entschuldigt hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als Sie Mitglied der Landesregierung waren, Herr Dr. Birkner, hat der Verfassungsschutz Mitglieder der Grünen Jugend und des Grünen-Parteirats beobachtet. Er hat die Hausbesetzerszene beobachten lassen und in rechtswidriger Weise alles, was irgendwie politisch links war, beobachtet. Zu

all dem findet man von Ihnen kein Wort. Das zeigt: Es geht Ihnen nicht um Sacharbeit und Bürgerrechte, sondern einzig und allein um Stimmungsmache kurz vor der Bundestagswahl.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das finde ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes gegenüber nicht fair, Herr Kollege.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die von Ihnen bundesweit geforderten Maßnahmen sind längst auf den Weg gebracht worden. Darüber sind wir schon verschiedentlich unterrichtet worden.

Nun zu den Maßnahmen, die Sie für das Landesgesetz fordern. Das ist schon sehr interessant, Herr Dr. Birkner. Sie kennen sicherlich den Spruch: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. - Ich möchte sagen: Ein Blick ins Gesetz erleichtert auch die politische Willensbildung. Herr Dr. Birkner, das, was Sie vorschlagen, ist seit Jahren Bestandteil des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes. Ich empfehle Ihnen, ein Gesetz, das Sie reformieren wollen, vorher einmal zu lesen, Herr Kollege.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Längst dürfen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Landtagsausschuss wenden. Das ist in diesem Gesetz festgehalten. Längst dürfen die Mitglieder - das ist selbstverständlich - umfangreiche Akteneinsicht nehmen, auch wenn - das gebe ich zu - insbesondere die schwarz-gelbe Koalition in den letzten zehn Jahren wenig Interesse daran hatte, diese Kontrolltätigkeit wirklich zu leben.

Ein letzter Satz: Ich teile in der Tat nicht die Auffassung im grünen Landtagswahlprogramm, dass sich der Verfassungsschutz verselbstständigt habe. In diesem Punkt besteht Einigkeit zwischen uns, Herr Dr. Birkner. Er hat sich nicht verselbstständigt, er hat den politischen Willen der schwarzgelben Regierung exekutiert. Damit ist jetzt endgültig Schluss. Wir werden eine Reform mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hinbekommen; aber dafür brauchen wir den FDP-Antrag nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Warum sind Sie so angepiekt?)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Nun hat für die CDUFraktion Herr Kollege Adasch das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Limburg, warum Sie so „angefasst“ sind, erschließt sich mir allerdings auch nicht. Die Skandalisierung, die Sie hier in Richtung Verfassungsschutz vornehmen, sowie die Angriffe gegen den Kollegen Birkner sind schlichtweg eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Kürzlich wurde der Bericht des Untersuchungsausschusses „Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund“ des Deutschen Bundestags verabschiedet. Dieser umfasst neben der allgemeinen Aufarbeitung der schrecklichen Mordserie des NSU-Trios erstmalig auch einen Teil der gemeinsamen Bewertung der Geschehnisse. Durch die interfraktionelle Form wird ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt, dass rechtsterroristische Aktivitäten in Deutschland nicht geduldet werden. Zudem wurden 47 Schlussfolgerungen mit Reformvorschlägen unterbreitet, die für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Bereichen Polizei, Justiz und Verfassungsschutz sorgen sollen.

Zunächst möchte ich betonen, dass die CDUFraktion weiterhin fest an der Seite der Verfassungsschutzbehörden steht. Herr Kollege Limburg, das unterscheidet uns möglicherweise voneinander. Wir sind schon der Auffassung, dass das Parlament in seiner Gesamtheit in den letzten Jahren seiner Kontrolltätigkeit nachgegangen ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Forderungen nach Abschaffung des Verfassungsschutzes laufen allen Sicherheitsinteressen unseres Landes zuwider. Zudem wohnt ihnen ein Widerspruch inne: Sowohl eine vollständige Abschaffung als auch eine Beschneidung wichtiger Kompetenzen der Ermittlungsbehörden würde deren Handlungsfähigkeit negativ beeinflussen und der Intention zuwiderlaufen, rechtsterroristischen Aktivitäten zukünftig wirkungsvoller zu begegnen. Die CDU-Fraktion wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass dem Verfassungsschutz das für dessen Arbeit nötige Instrumentarium zur Verfügung gestellt wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gerade von Bündnis 90/Die Grünen ist in der Vergangenheit immer wieder kritisiert worden, wir hätten den Verfassungsschutz personell und materiell zu gut ausgestattet.

Die wichtigsten Kritikpunkte im Bericht des Untersuchungsausschusses des Bundestages beziehen sich auf die mangelnde Zusammenarbeit der Behörden von Bund und Ländern bei grenzüberschreitenden Verbrechensserien sowie auf die damit zusammenhängende unzureichende Informationsübermittlung. In Reaktion darauf wurden u. a. durch die CDU-Bundestagsfraktion wichtige Schritte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen eingeleitet.

Mit dem Rechtsextremismus-Datei-Gesetz soll der Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden und den Nachrichtendiensten in Bezug auf gewaltbezogenen Rechtsextremismus optimiert werden.

Die Innenministerkonferenz hat des Weiteren die Gründung des Polizeilichen Informations- und Analyseverbundes beschlossen, der die Informationskoordinierung bei grenzüberschreitenden Verbrechensserien zur Aufgabe hat und auf diese Weise zuvor unentdeckte Tatzusammenhänge sichtbar macht. Dies ist eine sinnvolle Antwort auf die föderale Struktur der Verfassungsschutzbehörden, an der unbedingt festgehalten werden muss.

Zudem wurde durch die Bundesregierung ein Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus eingerichtet.

Insgesamt wird durch die genannten Maßnahmen eine Bündelung des Informationsflusses sowie der Ressourcen gewährleistet.

Weitergehende Maßnahmen, die über die genannten Initiativen und die Erfüllung der 47 Schlussfolgerungen aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses hinausgehen, hält die CDU-Fraktion für nicht erforderlich. Bereits heute gibt es beispielsweise eine bundesweit einheitliche Ausbildung für den Verfassungsschutz im mittleren Dienst und gemeinsame Fortbildungen bei der Schule für Verfassungsschutz in Swisttal. Einheitliche Standards hat die Innenministerkonferenz zudem für den Bereich von V-Leuten beschlossen.

Ein weiterer im vorliegenden Antrag zur Sprache gebrachter Punkt sind die Rechte und Befugnisse des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Bereits heute werden die genannten Forderungen zum größten Teil in § 25 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes erfüllt.