Protokoll der Sitzung vom 29.08.2013

Ein weiterer im vorliegenden Antrag zur Sprache gebrachter Punkt sind die Rechte und Befugnisse des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Bereits heute werden die genannten Forderungen zum größten Teil in § 25 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes erfüllt.

Ich möchte auch kurz noch auf die Rolle der Grünen als Regierungspartei eingehen. Es ist in der Tat so - Herr Kollege Birkner hat es angesprochen -: Es waren Bündnis 90/Die Grünen, die im zurückliegenden Landtagswahlkampf durchs Land gezogen sind und getönt haben, sie wollten den Verfassungsschutz abschaffen. Die Realität hat sie offenbar recht schnell wieder eingeholt. Wenn man regiert, ist das eben anders. In der Opposition kann man viel fordern.

(Ulrich Watermann [SPD]: Das merkt man bei Ihnen!)

Jetzt muss man sich den Realitäten stellen.

Meine Damen und Herren, es ist aber in der Tat so - da möchte ich auch den Innenminister ansprechen -: Auch wir teilen die Kritik am bisherigen Verfahren. Wo soll die Reise mit dem Verfassungsschutz hingehen? Von der nach Parteibuchmanier neu besetzten Spitze des Verfassungsschutzes

(Marco Brunotte [SPD]: Ja, das kennt ihr!)

wissen wir bis heute nicht: Wie soll es eigentlich weitergehen? Wie soll der Verfassungsschutz ausgerichtet werden? - Es ist in der Tat eine Kommission angekündigt worden, die hierzu Vorschläge entwickeln soll. Wir hören davon nichts.

Und wir fordern Sie, Herr Innenminister, auch auf: Der Schutz unserer Verfassung ist eine gesamtgesellschaftliche, gesamtstaatliche Aufgabe. Wir erwarten schon, dass die Oppositionsparteien mit eingebunden werden und dass der Verfassungsschutz nicht zum Gegenstand parteipolitischer Überlegungen gemacht wird.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Adasch. - Für die SPDFraktion hat nun Herr Brunotte das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! NSU, Prism, Snowden - allein diese drei Wörter machen deutlich, wie sehr das Thema Geheim- und Nachrichtendienste aktuell in Deutschland diskutiert wird und wie grundsätzlich das Misstrauen auch in der Bevölkerung diesem gegenüber ist.

In den letzten Wochen und Monaten ist klar geworden, dass die Sicherheitsarchitektur in Deutschland eine grundlegende Veränderung braucht und dass wir in weiten Teilen auch mit einem Versagen dieser Sicherheitsarchitektur konfrontiert sind. Dabei gilt es, dem Spannungsbogen zwischen Kernbereichschutz, Schutz der Privatheit, Grundrecht auf Freiheit und dem grundsätzlichen Wunsch nach Sicherheit zu begegnen, um somit zu neuem Vertrauen zu führen.

Es war ein gutes Signal aus Berlin, dass es nach dem NSU-Untersuchungsausschuss einen gemeinsamen Bericht aller fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen gab und man hier sehr deutlich konstruktive, vorwärtsgerichtete Kritik formuliert hat. Für uns steht dabei außer Frage, dass das Trennungsgebot für die nachrichtendienstliche Arbeit auch hier in Niedersachsen eine Grundvoraussetzung ist - genauso, wie der Bereich Föderalismus im Zusammenspiel des Verbundes der Verfassungsschutzbehörden bundesweit unverzichtbar ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die sehr pauschalen, im FDP-Antrag formulierten einheitlichen Standards decken sich in Weitem mit dem, was die Innenministerkonferenz bereits in den Jahren 2012 und 2013 beschlossen hat. Da geht es um Standards zur einheitlichen Führung von V-Personen, um Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, um Zusammenarbeit im Verbund. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FDP, hier ist die Zeit deutlich weiter, als Sie es mit Ihrem Antrag sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehen wir uns die Situation in Niedersachsen an. Ich hätte mir schon gewünscht, dass die FDP, wenn sie für sich in Anspruch nimmt, eine Bürgerrechtspartei zu sein, auch eine kritische Bilanz ihrer Regierungsverantwortung in zehn Jahren in Niedersachsen vollzieht. Davon ist in dem Antrag aber leider an keiner Stelle die Rede.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulrich Watermann [SPD]: Richtig!)

Ich möchte hier nur exemplarisch an verdachtsunabhängige Moscheekontrollen und an den Antiradikalisierungserlass erinnern. Ich möchte daran erinnern, wie der Bereich Politische Bildung im Verfassungsschutz instrumentalisiert wurde, wie

bei Mitwirkungen im Bereich Einbürgerungen deutliche Voten abgegeben wurden, um hier zu verhindern.

Herr Kollege Adasch, zum Thema „Politik nach Parteibuch“: Ich glaube, dass wir sehr deutlich machen werden, dass wir uns von der Vorgängerregierung massiv unterscheiden, auch in der Ausrichtung des Verfassungsschutzes.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Thomas Adasch [CDU]: Warum wird denn die Opposition nicht eingebunden?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FDP, sehen wir uns die Diskussion um das neue Verfassungsschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen an. Ich habe hier ein Zitat von einer Veranstaltung mit Gerhard Baum gefunden, das ich gerne zitieren möchte. Er hat gesagt: Dazu, wen der Verfassungsschutz beobachtet, dürfe die Politik über den gesetzlichen Rahmen hinaus keine inhaltlichen Vorgaben machen. - Ich glaube, das ist ein wichtiger Grundsatz, den wir uns in der zukünftigen Arbeit des Verfassungsschutzes zu eigen machen werden,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

um auch hier eine klare Zäsur zu der Innenpolitik unter Schünemann zu setzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Koalitionsvertrag von Rot-Grün gibt ein klares Bekenntnis zum Verfassungsschutz. Ich will mich an dieser Stelle ganz herzlich bei den knapp 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus bedanken, die sehr engagiert für einen rechtsstaatlichen Verfassungsschutz kämpfen und von denen viele sehr irritiert und sehr unzufrieden mit der Instrumentalisierung ihrer Arbeit durch die CDU/FDP-geführte Landesregierung in den letzten zehn Jahren waren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Thomas Adasch [CDU]: So ein Quatsch!)

Ich möchte hier auch noch etwas klarstellen. Herr Nacke ist leider nicht da. Er hat sich gestern, wie ich finde, sehr despektierlich über die Präsidentin des Verfassungsschutzes ausgelassen.

(Zurufe von der SPD: Das stimmt! Das war unverschämt!)

Das ist eine Personalentscheidung gewesen, zu der ich dem Innenminister nur gratulieren kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine kompetente, integre, fachkundige Führungspersönlichkeit, die mit ihrer Art der Kommunikation nach innen und außen dem Haus sehr gut tut und die, glaube ich, sehr deutlich macht, dass die Veränderung des Verfassungsschutzes an der Spitze des Hauses beginnt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir über die Arbeit des Verfassungsschutzes Bilanz ziehen und uns die Frage stellen, wie in Zukunft Vertrauen auch in diese Behörde wieder zurückkehren kann, dann müssen wir uns auch fragen, was die Politik in den letzten Jahren falsch gemacht hat. Auch wir spielen im Bereich der Sicherheitsarchitektur eine bedeutende Rolle - durch die parlamentarische Kontrolle. Ich würde mir wünschen, dass die Diskussion, die bundesweit über den NSU-Untersuchungsausschuss auch an dieser Stelle aufkommen muss, uns auch hinterfragen lässt, wo wir in den letzten Jahren unsere Rolle als Parlament nicht wahrgenommen haben und somit zu einem Vertrauensverlust beigetragen haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diese kritische Bilanz muss erfolgen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FDP, ich war schon etwas irritiert, dass Sie sich bei den Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit des Ausschusses für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zu großen Teilen auf Dinge berufen, die sowohl im Verfassungsschutzgesetz als auch in der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages und in der Niedersächsischen Verfassung zu finden sind. Ich möchte hier hinweisen auf das Akteneinsichtsrecht, auf die Möglichkeit, Mitarbeiter in dienstlichen Belangen in den Ausschuss zu holen und dass diese sich an den Ausschuss wenden können. Ich möchte auch daran erinnern, dass der Datenschutzbeauftragte nach dem Verfassungsschutzschutzgesetz einzelne Maßnahmen auf Antrag des Ausschusses überprüfen kann.

Wir haben hier viele Dinge, die vor allem unter RotGrün in den 90er-Jahren mit ins Gesetz gekommen sind und die sehr wirksam sind, wenn man sie denn dann nutzen würde.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Letztes möchte ich zu der Frage sagen, mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund ins Haus zu holen. Wenn man sich anschaut, welche Ausrichtung Sie im Haus politisch vorgenommen haben, dann verwundert es nicht, dass die, die Sie unter Generalverdacht gestellt haben, sich dort nicht wiederfinden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag der FDP setzt keine neuen Impulse, stärkt auch nicht das Vertrauen und setzt auch keine Eckwerte in Bezug auf mehr Kontrolle.

Ich möchte mit einem Zitat von Rosa Luxemburg schließen.

(Zurufe bei der CDU und bei der FDP: Oh!)

Sie hat gesagt: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. - Der Schutz dieser Freiheit, unserer Demokratie und unserer Verfassung ist die Aufgabe eines Verfassungsschutzes, der sich in der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewegt und diese schützt. Daran werden wir als Rot-Grün arbeiten, und unter diesem Aspekt soll auch die Reform des Verfassungsschutzes stehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Zu einer Kurzintervention hat sich nun Herr Kollege Adasch gemeldet. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brunotte, die Einlassungen meines Kollege Nacke sind in keiner Weise zu beanstanden.

(Widerspruch bei der SPD)

Wenn man die letzten Wochen verfolgt hat, hat sich gezeigt, dass es nach Parteibuchmanier ge