Protokoll der Sitzung vom 23.01.2014

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Katastrophe!)

Die Folge war eine bis heute anhaltende Verunsicherung - nicht allein bei den Investoren, also bei denjenigen, die sich in erneuerbaren Energien engagieren wollen, sondern vor allen Dingen bei der Kreditwirtschaft. Das war ein weiterer Riesenfehler.

Das ist die Situation, in der wir jetzt stehen. Allenthalben gibt es Unzufriedenheit wegen der Preisdynamik. Private und gewerbliche Verbraucher fragen sich: Wie soll das weitergehen?

Es gibt unübersehbare Verwerfungen auf dem Strommarkt. Alte, abgeschriebene Kohlekraftwerke stehen voll im Saft und schreiben Gewinne. Moderne, mit hohen Investitionen eingerichtete Gaskraftwerke - flexibel regelbar und hocheffizient - werden aus dem Netz genommen, weil sie Verluste machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der gegenwärtige Zustand auf dem Strommarkt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Obendrein gibt es eine weitere, man muss sagen: letztlich unverzeihliche Fehlleistung der Energiepolitik seit 2009. Die notwendige Befreiung der stromintensiven Kernindustrie in Deutschland von der EEG-Umlage mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten dauerhaft zu gewährleisten, ist inflationär ausgebreitet worden.

Damit hat man der Europäischen Kommission eine Steilvorlage gegeben, ein Beihilfeverfahren gegen die Bundesrepublik einzuleiten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, wirft in den deutschen Industrieunternehmen derzeit wirklich die Stirnfalten auf die Stäbe. - Das war jetzt keine klassische Formulierung; das räume ich ein.

(Lachen bei der CDU und bei der FDP - Zuruf: Das ist aber gelungen!)

Aber machen Sie sich bitte eines klar: Wenn es in diesem Jahr nicht gelingt, die nationale Energiepolitik in Deutschland auf ein erfolgreiches Gleis zu setzen, und wenn es in diesem Jahr nicht gelingt, darüber Konsens mit Europa herzustellen, dann haben wir ein ernsthaftes industriepolitisches Problem, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist die desaströse Bilanz von schwarz-gelber Energiepolitik. Energiepolitik können Sie nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Folge ist: Wir haben jetzt einen erheblichen Reformstau. Die Energiewende muss zum Erfolg geführt werden, die Kostendynamik muss gebrochen werden, und wir müssen die Europakompatibilität unserer Energiepolitik herstellen. Das erklärt vielleicht, warum es klug gewesen wäre, gar nicht erst aus dem Atomkonsens des Jahres 2000 auszusteigen, warum es aber mindestens - mindestens - noch viel wichtiger gewesen wäre, einen Plan für den Atomausstieg nach Fukushima in den Schubladen gehabt zu haben. Nun ja.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Die erste Frage lautete: Teilt die Landesregierung die Meinung des Ministerpräsidenten zum Ausstieg aus der Kernenergie? - Die Antwort lautet: Aber ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich teilt die Landesregierung diese Meinung!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die zweite Frage bezog sich auf den Atomkonsens des Jahres 2000, auf andere Ausstiegsszenarien und andere Ziele für die erneuerbaren Energien. - Es gibt in der Systematik einen ganz erheblichen

Unterschied: Der Atomkonsens des Jahres 2000 hat nicht konkrete Abschalttermine für konkrete Atomkraftwerke zum Gegenstand gehabt, sondern er hat klugerweise das Kriterium der Reststrommenge zur Grundlage gemacht, was insbesondere der notwendigen Flexibilität innerhalb der Energiewirtschaft tatsächlich den notwendigen Raum gelassen hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war tatsächlich ein intelligenter Ansatz für den Atomausstieg.

Darüber hinaus ist im Jahre 2000 das Gesetz über die erneuerbaren Energien geschaffen worden - ein international in den vergangenen Jahren immer wieder nachgeahmter großartiger Erfolg, mit dem die erneuerbaren Energien jetzt tatsächlich zu einem relevanten Teil des Strommarktes geworden sind. Deswegen, meine Damen und Herren, darf man die Beschlüsse des Jahres 2000 mit Fug und Recht als außerordentlich klug bezeichnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und schließlich die Frage: Zu welchem Zeitpunkt wäre der Ausstieg aus der Atomenergie nach Meinung der Landesregierung fachlich und ökonomisch sinnvoll und geboten gewesen? - Ich halte nichts von Spekulationen dieser Art. Es handelt sich um bloße Spökenkiekerei. Aber vielleicht sollten wir wenigstens Lehren aus den Fehlleistungen seit dem Jahr 2009 ziehen. Diese Lehre lautet, in jedem Fall einen solchen unerträglichen Zickzackkurs zu vermeiden, in jedem Fall den Akteuren in der Energiewirtschaft Planungssicherheit, Vertrauen in die staatlichen Rahmenbedingungen zu geben und darüber hinaus jetzt endlich ein wirksames Management für die Energiewende aufs Gleis zu setzen, nach Möglichkeit auf der Basis eines ganz breiten Konsenses, damit wir endlich der Energiewirtschaft das geben, was diese Branche dringend notwendig braucht: Vertrauen in die staatlichen Rahmenbedingungen, Vertrauen in die Planungsgrundlagen!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Die erste Zusatzfrage wird vom Kollegen Dr. Stefan Birkner, FDP-Fraktion, gestellt. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, vor dem Hintergrund, dass der Ausstiegsbeschluss aus 2000 unter Berücksichtigung der Reststrommengen, die Sie dargestellt haben, und der dann wieder beschleunigte Ausstieg nach Fukushima im Ergebnis dazu führen, dass die Kernkraftwerke in dem Zeitraum 2022/2023 vom Netz gehen, frage ich Sie, wie Ihre Äußerung, die Sie wiederholt vor diesen Vollversammlungen bzw. Jahresempfängen der IHK gemacht haben, zu verstehen sind, dass nach Ihrer Auffassung der Ausstieg aus der Kernenergie zu schnell erfolgt sei, weil das im Ergebnis, was den zeitlichen Aspekt angeht, keinen qualitativen Unterschied macht.

(Beifall bei der FDP - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das hat er gerade ge- sagt!)

Für die Landesregierung antwortet der Umweltminister. Bitte schön!

(Jörg Hillmer [CDU]: Der versucht, das zu interpretieren!)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass die Antwort eben hinreichend und erschöpfend

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

klargemacht hat, wie diese Bemerkung gemeint war. Es ist ja offensichtlich, dass Schwarz-Gelb von Fukushima auf dem linken Fuß erwischt wurde und dann alle alten Planungen über den Haufen geworfen werden mussten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die nächste Frage wird gestellt vom Kollegen Karsten Becker, SPD-Fraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie wäre nach Auffassung der Landesregierung der weitere Verlauf der Energiepolitik der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung vorgenommen worden, wenn die Bilder der Atomkatastrophe in

Fukushima der Weltöffentlichkeit nicht so plakativ die Gefahren dieser Technologie vor Augen geführt hätten?

Vielen Dank. - Herr Umweltminister Wenzel, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Becker, das ist natürlich Spekulation. Aber was mich schon beunruhigt, ist die Politik der EU-Kommission und auch des deutschen EU-Kommissars, der hier offenbar auch von den Erfahrungen der Bundesregierung nicht unbedingt etwas gelernt hat. Neueste Informationen, die - offenbar auch über die Presse - in diesen Tagen bekannt geworden sind, zeigen, dass man dort durchaus daran denkt, die Nutzung der Atomkraft noch einmal durch Rahmenbedingungen zu flankieren, durch die möglicherweise wieder eine Förderung beabsichtigt wäre. Ich hielte das für grundfalsch, für katastrophal.

(Zustimmung von Volker Bajus [GRÜNE])

Dann würde der Fehler, der hier von Schwarz-Gelb gemacht wurde, auf einer anderen Ebene wiederholt, wenn man dem nicht sofort Einhalt gebietet.

Ich halte auch die Tatsache, dass Atomkraftwerke heute entsprechend ihrem Schadenspotenzial, das wir in Fukushima gesehen haben, nicht angemessen versichert sind, für eine illegale Beihilfe nach dem EU-Recht. Sie müssen sich vorstellen, dass z. B. ein Kohlekraftwerk, ein Gaskraftwerk oder auch ein anderer Betrieb von irgendeinem Unternehmen natürlich über eine Haftpflichtversicherung verfügen muss,

(Ulf Thiele [CDU]: Dann reichen Sie die Klage vor dem EuGH ein, Herr Wenzel!)

die im Zweifelsfall sicherstellt, dass der Betreiber einer Anlage vollumfänglich für die Personen- und Sachschäden eintreten kann. Im Übrigen muss auch jeder, der z. B. ein Auto betreibt,

(Ulf Thiele [CDU]: Solche Aussagen müssen Konsequenzen in Form einer Klage vor dem EuGH haben, Herr Mi- nister! - Gegenruf von Helge Limburg [GRÜNE])

durch eine Haftpflichtversicherung sicherstellen, Herr Thiele, dass er für alle Sach- und Personenschäden zu jedem Zeitpunkt mit einer Haftpflichtversicherung eintreten kann.

Die Betreiber von Atomkraftwerken können das heute nicht, wie wir in Fukushima gesehen haben. Die Tatsache, dass der Staat hier in der Vergangenheit auf eine angemessene Haftpflichtversicherung verzichtet hat, stellt nach EU-Recht meines Erachtens eine illegale Beihilfe dar.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage stellt der Kollege Jörg Bode, FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass mir Aussagen des Ministerpräsidenten aus dem Jahr 2011 zu dem aus seiner Sicht verfrühten Ausstieg aus der Atomenergie nicht bekannt sind, frage ich den Ministerpräsidenten, ob er die Auffassung, die er bei den IHK-Neujahrsempfängen geäußert hat - nämlich dass der Ausstieg aus der Kernenergie im Jahr 2011 verfrüht war -, auch schon im Jahr 2011 artikuliert hatte oder ob es sich dabei um eine Meinung handelt, die er sich vor den IHK-Neujahrsempfängen gebildet hat.

Der Ministerpräsident antwortet. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bode, die niedersächsischen Ministerpräsidenten haben sich im Jahr 2011 sicherlich anders geäußert als der heutige Amtsinhaber. Der damalige Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen hat aber in wirklich vielen Stellungnahmen immer wieder zum Ausdruck gebracht, wie verheerend dieser ZickZack-Kurs der deutschen Energiepolitik ist.

Ich muss wirklich sagen: Es tut mir leid, dass viele dieser Warnungen einfach in den Wind geschlagen worden sind, beispielsweise - darüber haben wir noch gar nicht geredet -, dass es bis jetzt noch nicht einmal ein wirksames Projektmanagement auf Ebene der Bundesregierung gegeben hat, dass die Kompetenzen zersplittert waren, dass die Bundesregierung nicht zu einem einheitlichen Meinungsbild in Brüssel in der Lage war, dass „Ger