Protokoll der Sitzung vom 24.01.2014

Ich möchte eine Ergänzung machen. Unsere Gesellschaft braucht das Engagement der Kirchen und der Religionsgemeinschaften. Sie braucht natürlich auch den Dialog.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Hin und wieder ist es aber auch erkenntnisreich, darauf zu achten, was nicht gesagt wird, wo Positionen vielleicht ergänzt oder erweitert werden können. Es reicht nicht, das Verhältnis von Kirche, Gesellschaft und Staat nur aus der besonderen Bedeutung der Kirchen abzuleiten. Ein wichtiges Gut unserer gesellschaftlichen Entwicklung ist natürlich die Säkularisierung. Ich denke, da sind wir einer Meinung. Wenn wir die Weltlage betrachten, bekommen wir jeden Tag Hinweise darauf, wie wertvoll diese Entwicklung ist.

Das Spannungsfeld zwischen dem Wert und der Bedeutung der Religion, der Religionsgemeinschaften und dem Gebot der Trennung von Staat und Kirchen gilt es auszuhalten. Es ist das Fundament dieser Gesellschaft und ist im Übrigen auch ein konstituierendes Moment für die Kirchen selbst.

Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung komme ich dann allerdings doch zu einer eher kritischen Bewertung Ihrer Forderungen. Ein Tenor durchzieht Ihren Antrag: Es ist gut, wie es ist. Weiterentwicklung ist nicht nötig.

Das greift zu kurz. Drei Beispiele!

Es stellt doch niemand infrage, die Kirchen bei der Ausübung ihrer Aufgaben finanziell zu unterstützen. Subsidiarität. Sie haben es selber gesagt. Die Kirchen erbringen hochwichtige gesellschaftliche Aufgaben und erhalten hier selbstverständlich einen finanziellen Ausgleich. Stellt das jemand infrage? - Ich wüsste nicht, wer.

Aber eine Debatte über die sogenannten Staatsleistungen einfach auszuschließen unter Verweis auf den Loccumer Vertrag, ist weder im Interesse von Staat und Gesellschaft noch im Interesse der Kirchen selbst.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Kirchen selbst müssen sich schützen, und wir müssen mit dazu beitragen, sie vor elenden Skandalisierungen zu schützen. Eine Möglichkeit ist, Transparenz herzustellen, Dialog zu entfalten.

Thema Religionsunterricht. Wir Grünen haben andere Vorstellungen, als sie sich schließlich im Koalitionsvertrag niedergeschlagen haben. Das kann man in unserem Parteiprogramm nachlesen, und man kann den Koalitionsvertrag danebenlegen.

Ich kann im Übrigen mit dem Kompromiss, den wir in unserem Koalitionsvertrag definiert haben, ausgesprochen gut leben: den Religionsunterricht weiterentwickeln.

Wenn wir in den Schulen nachfragen, ob das nötig ist, werden wir zahlreiche Hinweise darauf bekommen, dass es dringend nötig ist.

Ein Beispiel für Weiterentwicklung haben Sie ja selber genannt: Das ist der übergreifende Unterricht evangelisch/katholisch. Aber es sind noch sehr viele andere Weiterentwicklungen denkbar und nach meiner Ansicht auch notwendig.

Ich komme zu dem Punkt Reformationstag. Wir haben uns darauf geeinigt, den 31. Oktober 2017 zu einem allgemeinen Feiertag zu machen. Das erforderte bei mir selber - das sage ich ganz ehrlich - eine Entwicklung. Ich war spontan damit nicht einverstanden. Ich bin mittlerweile überzeugt.

Ich bin im Übrigen auch davon überzeugt, dass wir immer wieder gut beraten sind, darüber nachzudenken, ob unsere Feiertagsordnung und die Anzahl der Feiertage so genügen. Das ist schließlich auch eine Frage des Vergleichs z. B. mit Bayern. Aber daraus leite ich noch nicht ab, den Reformationstag als Feiertag einzuführen. Das klingt mir etwas zu einfach. Es geht um Inhalte.

Ich möchte dazu Herrn Meister zitieren, der sich zu dieser Frage beim Neujahrsempfang in Loccum geäußert hat. Er hat gesagt, dass wir zunächst einmal 2017 abwarten sollten, und dann könnten wir ein Resümee ziehen.

Ich zitiere Herrn Meister:

„Nur wenn es ‚erfolgreich’, also inhaltlich überzeugend sein kann, wenn also die Gewissenschärfung und die Verantwortungsverpflichtung des Individuums für das Gemeinwesen an einem Reformationstag so begangen werden, dass es über den Rahmen konfessioneller Bestätigung hinauswirkt, erst dann dürfen wir mit Überzeugung dafür einstehen.“

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Claus Peter Poppe [SPD] - Glo- cke der Präsidentin)

Ich fand das sehr beeindruckend, und das ist für mich eine gute Grundlage, um in dieser Frage weitere Antworten zu finden.

Herr Meister ist ein Meister des Wortes. Das hört man natürlich auch aus diesem Zitat. Ich sage es jetzt einmal ganz einfach: Es erfordert den Dialog, wie wir den Feiertag gestalten wollen, aber es erfordert keinen Schnellschuss.

Auf den Dialog freue ich mich, und insofern bin ich auch für Ihren Antrag sehr dankbar.

Zum Schluss: Ich habe hier schon einmal über Martin Luther geredet. Das habe ich mit einem Zitat von Martin Luther abgeschlossen. Das mache ich dieses Mal auch: Wortgeklingel verdrießt mehr, als dass es erbaut.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Scholing. - Nun hat für die FDP-Fraktion Herr Kollege Grascha das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Verhältnis von Staat und Kirche zu definieren, ist durchaus eine anspruchsvolle Aufgabe - vor allem für einen Liberalen. Religion ist ja zunächst eine ganz private Angelegenheit von jedem einzelnen Menschen. Der Staat hat sich hier im Prinzip herauszuhalten. Jeder muss erst einmal für sich privat entscheiden, an was er glaubt und ob er glaubt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Dr. Stefan Birkner [FDP])

Die Aufgabe des Staates ist es aber, genau das möglich zu machen. Der Staat muss Glaubensfreiheit garantieren. Glaubensfreiheit ist ein Menschenrecht. Landesbischof Ralf Meister hat beim diesjährigen Epiphaniasempfang zur Religionsfreiheit sehr treffend ausgeführt - ich zitiere -:

„Die Religionsfreiheit ist dabei der zentrale Bezugspunkt für die Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche.“

Das ist ein sehr treffendes Zitat, wie ich finde, und beschreibt die Positionierung, das Verhältnis zwischen Staat und Kirche sehr gut.

Gesellschaftlich ist der Staat zwar neutral, aber aufgrund der Geschichte und aufgrund der Kultur, die wir hier in unserem Land haben, ergibt sich eine fördernde Neutralität, die im Grundgesetz festgeschrieben ist. Die Kirchen haben dabei für den Zusammenhalt der Gesellschaft und für die Vermittlung von Werten eine elementare Rolle: Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe, Eigenverantwortung. Das sind auch liberale Werte, die unser Land stark machen.

(Zustimmung bei der FDP)

Ganz konkret wird es in der Landespolitik dann, wenn wir über Religionsunterricht sprechen. Ich sage ganz klar: Am konfessionellen Religionsunterricht darf nicht gerüttelt werden.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wir müssen Sorge tragen, dass dieser flächendeckend in Niedersachsen stattfinden kann, und deswegen dürfen wir uns natürlich auch nicht den Realitäten verschließen, dass es beispielsweise zu wenig Religionslehrer gibt. Da gibt es entsprechenden Handlungsbedarf.

Wir haben in Zukunft immer mehr Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Bei sinken

den Schülerzahlen ist es natürlich eine Herausforderung, das flächendeckende Angebot aufrechtzuerhalten. Gerade in dem Zusammenhang müssen wir gemeinsam mit den Kirchen, aber auch gemeinsam mit den anderen Religionsgemeinschaften zu Lösungen kommen.

Schon heute wählen ca. 20 000 Schülerinnen und Schüler den Religionsunterricht in der Grundschule ab. Auch diesen Schülern müssen wir ein Alternativangebot machen. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, in der Grundschule auch „Werte und Normen“ anzubieten.

Der CDU-Antrag bietet, glaube ich, in vielerlei Hinsicht gute Ansätze und eine gute Diskussionsgrundlage, um bei dem einen oder anderen Thema, das eben angesprochen wurde, zu guten Lösungen zu kommen.

Ich komme zum Reformationstag. Der Reformationstag ist ja hier im Plenum schon diskutiert worden. Wir haben aufgrund des Jubiläums den 31. Oktober 2017 als gesetzlichen Feiertag verankert. Das war und ist die richtige Entscheidung.

Bei einer dauerhaften Einrichtung dieses Tages als Feiertag bin ich aber etwas skeptisch. Auch die Kirchen leiden unter sinkender Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Anzahl der Gottesdienstbesucher geht zurück, die Anzahl der Gemeindemitglieder geht zurück. Deshalb greift - so meine ich - die Schaffung eines neuen, zusätzlichen Feiertages etwas zu kurz. Da schließe ich mich dem an, was der Kollege Scholing gesagt hat.

Dieser neue Tag würde für viele Menschen einfach nur einen freien Tag bedeuten. Deswegen ist es wichtig, dass die Kirche die Aufgabe wahrnimmt - auch gemeinsam mit uns -, für Verständnis für die Bedeutung der Reformation zu werben und da die Sensibilität zu schärfen.

Diese Debatte sollte zunächst geführt werden, und erst dann sollte darüber entschieden werden, ob man den Reformationstag zu einem dauerhaften Feiertag macht.

Kurz und gut: Der CDU-Antrag ist eine gute Grundlage, um dieses wichtige Thema im Ausschuss zu bearbeiten. Ich freue mich auf die Beratungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Grascha. - Es folgt Herr Kollege Poppe für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies könnte ein schöner Antrag sein, wenn er nicht so viele Selbstverständlichkeiten enthielte, so viele Aufträge an die Regierung, die diese schon - ganz ohne große Worte - erfüllt.

Das ist der Grund, warum ich zunächst den ganzen Vorspann in dieser Rede auslasse. Denn warum soll der Landtag völlig Unstrittiges und nie infrage Gestelltes beschließen, z. B. „dass die Kirchen einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Gesellschaft leisten“? Und warum soll er 40 weitere derartige Zeilen bekräftigen?

(Ulf Thiele [CDU]: Weil das ein Signal des Landtages wäre!)