Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

Ich habe nur noch auf ein Zitat von ver.di gewartet. Dann hätten wir wirklich eine formidable Große Koalition gehabt, vor der wir uns in Berlin ja dann fürchten müssten.

(Beifall bei der CDU)

Bei dem Thema Finanztransaktionssteuer möchte ich zu den Grundsätzen zurückkommen. So weit wie zur Einführung der Straßenverkehrsordnung würde ich nicht zurückgehen.

Erstens. Wir reden über diese Themen der Finanztransaktionssteuer und der zusätzlichen Regulierung, weil wir in den Jahren 2008 und 2009 die größte Wirtschafts- und Finanzkrise gehabt haben, bei der große, spekulativ arbeitende Banken und Versicherungen pleitegegangen sind und auch mit Mitteln vom Steuerzahler - nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern - gerettet werden mussten. Hinzu kamen natürlich hoch ver

schuldete EU-Staaten. Wir hatten also einen Komplex an Gründen aus der Wirtschafts- und Finanzkrise, die es sehr schwer gemacht haben, diese Probleme zu lösen. Wir können aber feststellen, dass uns dies in der Bundesrepublik Deutschland ganz hervorragend gelungen ist, auch dank der Politik von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble. Angela Merkel wurde auch schon von meinem Vorredner von der SPD, Herrn Heymann, genannt.

(Johanne Modder [SPD]: Da ging es um Hilfestellungen!)

Die deutsche Wirtschaft wächst. Wir haben Vollbeschäftigung. Mein Fazit ist: Wir haben die richtigen Lehren aus der Krise gezogen und in politisches Handeln umgesetzt. Dies findet sich ja auch in den Kernforderungen des Regierungsprogramms der CDU/CSU und auch in der Koalitionsvereinbarung wieder, dass wir nämlich sagen: Die Finanzmärkte müssen den Menschen dienen und nicht irgendwelchen anonymen Spekulationsgeschäften in Steueroasen.

Zweitens. Wer als Akteur in den Finanzmärkten die Verantwortung für seine Entscheidungen trägt und den Nutzen daraus ziehen will, muss auch für seine Fehlentscheidungen haften. Wir Steuerzahler wollen nicht mehr für die Risiken des Finanzsektors einstehen. Die Einlagen der Sparer müssen sicher sein.

(Beifall bei der CDU)

Für jedes Finanzprodukt - damit komme ich zum dritten Punkt der Grundsätze - und für jeden Akteur, so auch für Hedgefonds, müssen klare Regeln gelten. Es soll eine einheitliche strenge europaweite Aufsicht geben.

Der FDP-Antrag nimmt diese Punkte in seinem ersten Teil auf. Es ist ja hier von dem Abwicklungsfonds auf Basis der Bankenabgabe die Rede gewesen. Es wurde auf strenge Vorschriften für das Eigenkapital verwiesen. Diesem Teil können wir zustimmen, dem zweiten Teil allerdings nicht; dazu komme ich jetzt. Denn wir wollen die schweren Fehler aus der Finanzkrise nicht wiederholen

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

und sehen hier im Gegensatz zur FDP noch weiteren Handlungsbedarf.

Schon in meiner ersten Rede anlässlich der Einbringung des FDP-Antrages am 29. August 2013 habe ich auf die Gefahren des Hochfrequenzhandels hingewiesen. Der Kollege Heymann hat es jetzt ebenfalls getan. Dort werden im Bereich von

Zehntausendstel von Sekunden Transaktionen durchgeführt, sodass während der Dauer einer solchen Rede bei einem Hochfrequenzhändler ca. 1,7 Millionen Transaktionen durchgeführt werden. Das wird durch Computerprogramme abgewickelt. Der Händler hat natürlich kein Interesse daran, dass da etwas schiefgeht. Das ist aber passiert, so z. B. bei Knight Capital, die innerhalb von Minuten rund 400 Millionen Dollar verloren und in Amerika fast einen Minicrash ausgelöst hat.

Genau dies ist der Ansatzpunkt der Finanztransaktionssteuer, mit der durch die von Herrn Heymann genannten Raten auf diese Transaktionen eingewirkt werden soll, sodass sie nicht mehr wirtschaftlich sind. Die Koalitionsvereinbarung nennt Faktoren für eine erfolgreiche Einführung der Finanztransaktionssteuer: möglichst weltweit - es sind jetzt elf Länder -, Ausschluss von Ausweichreaktionen in andere Länder und keine finanziellen Belastungen von Kleinanlegern.

Immer wird auch das Argument genannt, dass mit der Finanztransaktionssteuer die Finanzakteure an den Kosten der Krise beteiligt werden sollen. Ich möchte deshalb an dieser Stelle darauf hinweisen, dass dies bereits der Fall ist. Wir haben ja in Deutschland das besonders erfolgreiche Bankensystem, das Drei-Säulen-Modell, mit den genannten Volksbanken, den Sparkassen und den Privatbanken. Interessanterweise hat sich die FDP ja nur auf die Volksbanken und die Sparkassen bezogen.

(Zuruf von der FDP)

- Aber die Privaten habe ich jetzt nicht gehört.

Was aber interessant und wichtig ist: Die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen helfen sich schon jetzt untereinander. Wir haben eine Einlagensicherung. Die deutschen Institute werden in Teilen zur Bankenabgabe herangezogen, die einen höheren sechsstelligen Betrag einbringt.

Mit der Bankenunion kommen auch auf deutsche Banken weitere Kosten zu. Ich möchte nur die wesentlichen Punkte nennen: Es soll eine europaweite Einlagensicherung geben. Wir sind uns in Deutschland dessen bewusst, dass diese Einlagensicherung eher für kritische Banken in anderen Ländern gesehen wird als für deutsche Banken. Trotzdem müssen wir dazu beitragen. Dies wird für die deutschen Banken zu einem Beitrag von 600 bis 900 Millionen Euro per Jahr führen.

Ferner soll im Rahmen des sogenannten Single Resolution Mechanism ein Abwicklungsfonds mit einem Beitrag von 2 bis 2,6 Milliarden Euro jährlich nur für die deutschen Banken eingeführt werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Siemer, ich darf Sie in Ihrem Interesse kurz unterbrechen. - Meine Damen und Herren, es geht zwar auf die Mittagspause zu, aber Sie sollten die letzten Redner bitte noch anhören und die Ruhe wahren, die wir zuvor hatten. Das Grundgemurmel ist ziemlich laut. Stellen Sie das bitte ein!

Das ist wahrscheinlich das Bewunderungsmurmeln der Kollegen für diese gute Rede.

(Beifall bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Ich hatte eben den Kostenbeitrag in Höhe von 2 bis 2,6 Milliarden Euro für den Abwicklungsfonds genannt.

Es kommen aber auch noch weitere Haftungsrisiken auf die Institute zu, nämlich für das so genannte Bail-in. Wenn Banken anderen Banken Kredite geben und dafür eine zusätzliche Haftungsverpflichtung eingehen, können die Refinanzierungskosten der Institute um 5 bis 6,5 Milliarden Euro steigen.

Wir müssen uns also der Tatsache bewusst sein, dass auf deutsche Banken nicht nur durch die Aufsicht, sondern auch durch weitere Kosten ein Beitrag in Höhe von 10 Milliarden Euro zusätzlich zu den bisher schon geleisteten Beiträgen zukommt.

Das heißt: Wir müssen bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer sehr vorsichtig vorgehen, zumal - aber das ist meine persönliche Auffassung - die 35 Milliarden Euro Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer, die uns bei unserem Besuch in Brüssel genannt worden sind, bei weitem zu hoch gegriffen sind. Ich teile aber ausdrücklich die Auffassung, dass wir uns gegen den gefährlichen Hochfrequenzhandel wappnen müssen, da von ihm durchaus eine Gefahr für das Finanzsystem ausgeht.

(Zustimmung bei der CDU)

Hinzu kommt: Diese ganzen Maßnahmen finden in einem Umfeld statt - der Kollege Grascha hat es

schon gesagt -, in dem das Zinsniveau sehr gering ist. Die Banken können kaum noch von einer Zinsspanne reden. Fragen Sie einmal bei Ihren Sparkassen nach - einige Landtagskollegen sitzen ja in den Aufsichtsgremien von Sparkassen -, wie es mit deren Wertpapiergeschäft aussieht. Wenn die Leute, die für die Anlagenbetreuung zuständig sind, freitags ihre Gedanken über die zurückliegende Woche schweifen lassen, dann stellen sie fest, dass sie kaum Anlagegeschäft getätigt haben. Das liegt daran, dass der deutsche Sparer in seinem Anlageverhalten wesentlich vorsichtiger geworden ist. Auch das mindert die Erträge der Banken.

Deshalb müssen wir bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer sehr vorsichtig vorgehen und dabei auch die Punkte beachten, die schon meine Vorredner genannt haben: Die Finanztransaktionssteuer muss möglichst breit eingeführt werden, sie muss eine breite Bemessungsgrundlage haben, sich muss sich möglichst auf Großakteure beschränken, und unser Bankensystem muss beibehalten werden.

Insofern werden wir dem Antrag der FDP nicht zustimmen und freuen uns auf eine konstruktive Beratung des Antrags von SPD und Grünen im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU - Anhalten- de Unruhe)

Wir bedanken uns auch bei Ihnen, Herr Dr. Siemer. - Ich darf das Plenum noch einmal darauf hinweisen, dass meine Bitte bzw. meine Aufforderung nicht viel genutzt hat. Es ist in der gleichen Lautstärke weitergegangen. Noch einmal: Stellen Sie das Gemurmel und die Gespräche mit den Nachbarinnen und Nachbarn bitte ein!

Mir liegen zu diesem Tagesordnungspunkt noch zwei Wortmeldungen vor. Die Redner sollten die Möglichkeit haben, sich Gehör zu verschaffen.

Das Wort hat der Kollege Gerald Heere für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDP zeigt die sehr einseitige Sichtweise der Liberalen auf die Probleme der internationalen Finanzmärkte. Ich darf daran erinnern: Im Ausschuss hat Herr Gra

scha die Verantwortung der Finanzmärkte für die aktuellen Krisen sogar ein Stück weit infrage gestellt.

Natürlich sind die aktuellen Krisen auch durch staatliches Missmanagement oder strukturelle Ungleichgewichte in Europa ausgelöst worden.

(Christian Dürr [FDP]: Durch Ver- schuldung! Durch das, was ihr als Po- litik macht!)

Aber die Spekulation mit Derivaten ist zumindest mit dafür verantwortlich. Diese Mitverantwortung können Sie nicht einfach negieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zu- rufe von der FDP)

- Oh doch! Ich meine die Derivate, die nach dem Platzen der Immobilienblase keinen Wert mehr hatten. In einer Reihe von EU-Staaten - z. B. Irland, Spanien oder Zypern - mussten Banken durch den Staat gerettet werden, um die Einlagen zu sichern. Auch dadurch ist es zu massiven Verschuldungen gekommen. Es ist eben nicht nur Staatsversagen, sondern es sind auch die Finanzmärkte gewesen. Das ist die Realität; das können Sie hier nicht wegreden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Finanztransaktionssteuer ist ein probates Mittel, um Risiken zu reduzieren, die durch die Spekulation mit Derivaten entstehen. Durch diese Steuer werden rein spekulative Transaktionen - und das ist entscheidend - ohne Bezug zur Realwirtschaft verteuert und somit seltener stattfinden. Und genau das wollen wir.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das aber ist nicht das einzige Ziel der verstärkten Zusammenarbeit von elf EU-Staaten. - Mich wundert übrigens, dass Sie diese Verstärkte Zusammenarbeit so dermaßen kritisieren. Eine solche verstärkte Zusammenarbeit ist schließlich auch der Euro. Natürlich wäre es für die Wirtschaft in Europa schöner, wenn alle Staaten den Euro hätten, und natürlich wäre es für die Wirtschaft in Europa schöner, wenn alle Staaten die Finanztransaktionssteuer einführen würden. Aber dass dem nicht so ist, ist doch kein Grund dafür, solch ein gutes Instrument abzulehnen. Dieses Argument können Sie sich also sparen.