Nun haben Industrieanlagen längere Abschreibungsfristen als Computer oder Autos. Aber unbestritten ist, dass mit dem Alter die Reparaturanfälligkeit und die Wartungsdauer steigen. Auch die sogenannten Drosselkörper und die Federn, die bei der diesjährigen Revision im Atomkraftwerk Grohnde durch Korrosion und Brüche aufgefallen sind, stammen aus den 80er-Jahren. Mittlerweile ist die Hälfte davon ausgetauscht worden, und die zweite Hälfte wird bei der kommenden Revision ausgetauscht.
Ich hätte aus heutiger Sicht erwartet, dass der Betreiber schon früher einen kompletten Austausch veranlasst; denn spätestens seit Anfang der 90er-Jahre ist bekannt, dass das Material zu Spannungsrisskorrosion neigt. Entsprechende Hinweise aus dem Bundesumweltministerium gab es sogar.
Im Atomkraftwerk Emsland hat der Betreiber schneller reagiert. Zwei Drittel der Drosselkörper sind in den vergangenen Jahren ersetzt worden.
Durch die Ereignisse in Grohnde sind bei der diesjährigen Revision alle verbliebenen ersetzt worden.
Natürlich muss sich der Betreiber des AKW Grohnde die Frage gefallen lassen, warum nicht schon eher Untersuchungen der Federn stattgefunden haben. Vor diesem Hintergrund liegt es auch im wohlverstandenen Interesse des Betreibers, dass die Kontrollen verstärkt werden. Eine gelebte Sicherheitskultur ist bei einer solchen Anlage unverzichtbare Bedingung.
Sicherheitskultur, meine Damen und Herren, umfasst auch den Umgang mit Hinweisen auf Dinge, die die Sicherheit der Anlage beeinträchtigen können. Das gilt auch für Reaktionen des Betreibers. Wir prüfen bei jedem Hinweis die Relevanz, auch wenn er anonym sein sollte, und veranlassen im Zweifel weitergehende Prüfungen.
In dem Fall, der letzte Woche diskutiert wurde, hat das Umweltministerium parallel auch die Staatsanwaltschaft informiert. Auch hierfür gab es Präzedenzfälle in der Vergangenheit. Gleichzeitig haben wir aber unsere eigenen Prüfungen intensiv vorangetrieben, um auch zu einer eigenen Bewertung kommen zu können. Dazu habe ich gestern umfangreich vorgetragen.
Bei der letzten Revision wurde festgestellt, dass es zwei meldepflichtige Ereignisse gab. Wir haben festgelegt, dass in diesen Fällen grundsätzlich auch externe Gutachter hinzugezogen werden. Das hat uns bei der Bewertung dessen, was wir an den Drosselkörpern festgestellt haben, sehr geholfen und mit dazu geführt, dass alle innerhalb eines Jahres ausgetauscht werden.
Meine Damen und Herren, wir nehmen das zum Anlass für eine Sicherheitskonferenz zum Thema „Alterung und Ermüdungsverhalten in Atomkraftwerken während der Restlaufzeit“. Wir wollen gezielt analysieren, wo möglicherweise Revisionsprogramme verschärft werden müssen, wo Prüfungsanforderungen verdichtet werden müssen und wo möglicherweise Auflagen für noch laufende Atomkraftwerke notwendig sind.
Meine Damen und Herren, zur Rolle der Opposition: Neun Wochen lang ist intensiv diskutiert worden. Meine Fachleute waren täglich im Kraftwerk. Es hat eine Vielzahl von Gesprächen gegeben: mit dem E.ON-Vorstand, mit dem Betreiber. Die Öf
In dieser Zeit hat man nur von zweien nichts gehört: von CDU und FDP. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben sage und schreibe fast 60 Presseerklärungen gefertigt. Von der FDP waren 70 im Umlauf. Keine einzige hat sich mit den Sicherheitsfragen im Atomkraftwerk Grohnde befasst.
Jetzt muss man feststellen: Letzte Woche, als es um Zeter und Mordio ging, waren Sie auf einmal auf Sendung. Da sprach Herr Birkner plötzlich von offenem Rechtsbruch, es hieß, der Rechtsstaat werde geopfert.
(Christian Dürr [FDP]: Das ist genau der Punkt, Herr Wenzel! - Björn Thümler [CDU]: So ist es auch!)
Ist die Anordnung weiterer Prüfungen nach dem Schadensbefund ein Rechtsbruch? Ist die Übersendung von Fragen zur Materialbeschaffenheit und zum Zustand von Ersatzteilen ein Rechtsbruch?
Ist die Aufforderung an den TÜV, für Klarheit zu sorgen, ein Rechtsbruch? Ist die Weiterleitung eines nicht anonymen Schreibens an die Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Überprüfung ein Rechtsbruch?
Meine Damen und Herren, Herr Thümler, Herr Dr. Birkner, es wäre sehr gut, wenn Sie versuchen würden, Ihre Vorwürfe zu begründen. Ansonsten sollten Sie sie zurücknehmen oder sich entschuldigen.
Gestatten Sie mir ein fast privates Wort, Herr Dr. Birkner. Es erstaunt nicht wirklich, mit welchen Vorwürfen Sie unterwegs sind. Das gehört vielleicht zum politischen Geschäft. Aber die Art und
Weise, in der Sie auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung „Atomaufsicht, Strahlenschutz“ angegriffen haben, halte ich nicht für akzeptabel.
Herr Dr. Birkner, Sie müssten das eigentlich besser wissen. Schließlich haben Sie lange von der guten Zuarbeit, der Loyalität und dem hohen Arbeitseinsatz profitiert. Ich jedenfalls bedanke mich ausdrücklich für den außerordentlich hohen Arbeitseinsatz, den diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten Wochen geleistet haben. Sie hätten auch Ihren Respekt verdient gehabt.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Wenzel, lassen Sie mich vorab Folgendes deutlich machen: Ich habe mit keinem einzigen Wort die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Atomaufsicht angegriffen.
Wem ich den Versuch eines offenen Rechtsbruchs vorgeworfen habe, sind Sie ganz persönlich, ist diese Landesregierung - und sind eben nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die am Ende das exekutieren müssen, was Sie politisch vorgeben.
Herr Minister Wenzel, Sie haben darum gebeten, dass man das noch einmal begründet. Das will ich gerne tun. Ich will aber erst einmal deutlich machen, in welchem Rahmen das Ganze passiert ist, und das können Sie mit den Nebelkerzen, die sowohl Sie als auch Ihre Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen geworfen haben, auch nicht verdecken.
Als Minister haben Sie den originären gesetzlichen Auftrag, die Atomaufsicht selbstständig wahrzunehmen und sicherzustellen, dass die kerntechnischen Anlagen, was ihren Betrieb und alle damit zusammenhängenden Dinge angeht, sicher laufen. Das müssen Sie dementsprechend überwachen,
und zwar nach Recht und Gesetz. Das muss man als Minister übrigens auch unabhängig davon tun, wie man politisch oder persönlich zur Kernenergie steht. Auch darauf ist zu achten.