Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier liegt ein schwerwiegendes Missverständnis vor. Es handelt sich nicht um zwei Opfer. Es handelt sich um ein beklagenswertes Opfer.
Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass der Sicherungsverwahrte in der Sozialtherapie Mädchen kennenlernt. Das ist auch gar nicht möglich. Kinder haben dort gar keinen Zugang. Wie ich eben schon sagte, war dem Justizvollzug nicht bekannt, dass der Sicherungsverwahrte seinen Bekannten in seiner Wohnung aufsuchen
würde und dass er dort auf die Mädchen stoßen würde. Uns ist auch nicht bekannt, ob Herr Rühs das vorher wusste oder irgendjemand anderes.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Mir liegen jetzt Wortmeldungen des Kollegen Kai Seefried vor. Ich gehe davon aus, dass Sie zwei Fragen stellen. - Okay.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle die beiden Fragen gleich gemeinsam. In der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 14. Juni 2014 wird die Ministerin zitiert, dass man offen darüber nachdenken müsse, ob Sicherungsverwahrte überhaupt noch in sozialtherapeutischen Abteilungen behandelt werden könnten. Ich frage die Landesregierung, ob die übrigen Sicherungsverwahrten aus den sozialtherapeutischen Abteilungen mittlerweile in die Abteilung für Sicherungsverwahrte in der JVA Rosdorf verlegt worden sind. Die zweite Frage ist, falls das nicht passiert ist, wann der Denkprozess der Landesregierung in diesem Zusammenhang abgeschlossen sein wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie ich, glaube ich, schon gesagt habe, werden alle Therapieverläufe von Sicherungsverwahrten, die sich gegenwärtig in der Sozialtherapie befinden, überprüft.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für das Gesetz über die Sicherungsverwahrung ist der Aufenthalt von Sicherungsverwahrten in der Sozialtherapie ausdrücklich nicht geregelt. Das ist nicht ausgeschlossen. Und das hat auch seinen guten Grund, weil nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts jeder Sicherungsverwahrte einen Anspruch darauf hat, dass sein Aufenthalt in der Sicherungsverwahrung therapiegerichtet ist. Die Ansicht des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes im Zuge der damaligen Gesetzesberatungen hat dazu geführt, dass man die Auffassung vertreten hat, für die auch viel spricht, dass jeder Sicherungsverwahrte einen Anspruch darauf hat,
auch an der Sozialtherapie teilzunehmen. Wenn es so ist, dass von Verfassungs wegen die Teilnahme an der Sozialtherapie nicht verweigert werden kann, dann wird das in Niedersachsen natürlich auch nicht geschehen. Aber sowohl rechtlich als auch tatsächlich werden die Vorgänge im Augenblick geprüft.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Herr Dr. Siemer, Sie haben jetzt die Gelegenheit zu einer Zusatzfrage.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich der flüchtige Sicherungsverwahrte in Lingen durch Ausschalten des Handys der Ortung entziehen konnte, frage ich die Justizministerin und den von ihr jetzt doch etwas höher geschätzten Justizapparat: Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, damit Sicherungsverwahrte, die in unbegleiteter Freiheit sind, nunmehr besser überwacht werden können, z. B. durch eine elektronische Fußfessel?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verwendung einer elektronischen Fußfessel ist im Gesetz geregelt und ist ausschließlich auf Fälle der Führungsaufsicht beschränkt. Menschen, die sich im Ausgang aus der Sicherungsverwahrung befinden, sind keine Personen, die unter Führungsaufsicht stehen. Deswegen kann ihnen eine solche Fußfessel auch nicht verordnet werden.
dem Hintergrund der hier vom Innenminister gegebenen Antworten, insbesondere auf die Frage des Kollegen Rolfes nach der öffentlichen Fahndung, die ja sehr formal gehalten war, frage ich die Landesregierung, ob für zukünftige Fälle jenseits der Entscheidung der ermittelnden und fahndenden Beamten über ermittlungstaktische bzw. fahndungstaktische Vorgehensweisen erwogen wird, dass bei Straftätern, die ausbrechen und von denen eine besonders große Gefahr für die Bevölkerung ausgeht, zukünftig ein Warnhinweis sofort an die Bevölkerung geht, damit sich diese vor diesen Straftätern schützen kann.
Meine zweite Frage bezieht sich auf den Themenkomplex Edathy. Frau Ministerin, ich frage Sie: Wie ist der konkrete Ermittlungsstand zu den Herrn Edathy vorgeworfenen Straftaten bezüglich des Vorwurfs zu Kinder- und Jugendpornografie sowie zu der von ihm gemachten Anzeige zum Diebstahl seines Laptops? Können wir hier davon ausgehen, dass eine Anklage bzw. eine Einstellung des Verfahrens bevorsteht?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Thiele, ich habe vorhin auf den Gesetzeswortlaut hingewiesen. Das heißt, eine exekutiv-pauschale Ansage in jedem Einzelfall, eine öffentliche Fahndung auszuschreiben, würde die notwendige Ermessensausübung im Gesetz unzulässigerweise auf null reduzieren. Das bedeutet, dass in jedem Einzelfall eine Prüfung erforderlich ist, die einerseits die Gefährlichkeit des Täters und gleichzeitig die konkrete Gefährdung der Öffentlichkeit einordnet. In diesem Fall, so die Erkenntnisse im Nachhinein, war die Einschätzung die, dass wir es mit einem Sicherungsverwahrten zu tun hatten, der bei über 100 oder 150 Freigängen nicht ein einziges Mal aufgefallen war, der jede Alkoholkontrolle morgens jeweils problemlos bestanden hatte und der sich selbst am Samstagmorgen nach der Tat noch einmal vorgestellt hatte. Es konnte daher offenbar keine akute Gefährdung der Bevölkerung, jedenfalls nicht sofort, angenommen werden, so die Einschätzung der örtlichen Behörden.
Ich bin völlig Ihrer Meinung, dass man sich jeden Einzelfall im Nachhinein manöverkritisch anschauen und prüfen muss: War die Entscheidung richtig, oder hätte man sie anders treffen können oder sogar müssen? - Meines Wissens läuft diese Prüfung gegenwärtig bei der Polizeidirektion in Osnabrück. Deswegen kann ich Ihnen weitergehende Erkenntnisse zu dieser nachträglichen Bewertung, manöverkritisch gesehen, noch nicht geben. Aber es bleibt dabei: Wir sind verpflichtet, auch aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, die natürlich geringer zu bewerten sind als die Belange des Schutzes der Öffentlichkeit, in jedem Fall eine abgewogenen Einzelfallentscheidung zu treffen.
Vielen Dank, Herr Innenminister. - Auf die zweite von Ihnen gestellte Frage zum Sachstand bezüglich der Ermittlungen im Fall Edathy antwortet Frau Justizministerin. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Ermittlungsverfahren wegen kinderpornografischen Materials und seines Erwerbs und Besitzes sind die Ermittlungen soweit abgeschlossen. Allerdings hat der Beschuldigte im Augenblick noch Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis der Ermittlungen. Diese Frist läuft mit dem 30. Juni 2014 ab.
Hinsichtlich der Ermittlungen wegen des angeblich oder tatsächlich gestohlenen Laptops dauern die Ermittlungen noch an. Umfangreiches Personal aus dem Zug muss dazu befragt werden. Das ist noch nicht endgültig abgeschlossen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Herr Kollege Schiesgeries, Sie stellen eine Zusatzfrage. Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Frage an die Landesregierung ist kurz und knapp: Wie viele Personen
welchen Alters waren an dem Abend des mutmaßlichen Missbrauchs in der Wohnung des Bekannten von Reinhard Rühs, und in welchem Verhältnis standen sie zueinander?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während des Missbrauchs befanden sich in der Wohnung nur der mutmaßliche Täter und das mutmaßliche Opfer.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme noch einmal auf den Fall Edathy zu sprechen. Vor dem Hintergrund, dass hier aus den Reihen der Opposition eine ganze Reihe von Forderungen auftaucht und auch der Chef der CDU-Fraktion, Herr Thümler, gefordert hat, einen internationalen Haftbefehl gegen Sebastian Edathy auszustellen, frage ich die Landesregierung: Gab es jemals Erkenntnisse darüber, dass die Voraussetzungen für einen internationalen Haftbefehl gegen Sebastian Edathy vorlagen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder ein nationaler noch ein internationaler Haftbefehl wurde jemals in Erwägung gezogen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Hinblick darauf, dass sich der Sicherungsverwahrte, wie erwähnt, durch Ausschalten seines Handys der Verfolgung oder der Überwachung entziehen konnte, sodass von daher eine elektronische Fußfessel ganz objektiv eine besser geeignete Maßnahme gewesen wäre, die auch in der Woche der Verwirrung, die im Justizministerium wegen seiner Flucht entstanden war, deutlich geholfen hätte, frage ich die Justizministerin, ob sie sich für eine entsprechende Änderung des Gesetzes - Sie haben sich in Ihrer Antwort eben ja nur auf die Gesetzeslage bezogen - einsetzen wird, sodass Sicherungsverwahrte, die sich in unbegleiteter Freiheit befinden, in Niedersachsen zum Schutze der Bürgerinnen und Bürger künftig besser und effektiver überwacht werden können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verwirrung hat es im Justizministerium nicht gegeben. Dafür bestand auch überhaupt keine Veranlassung. In der Tat ist für Sicherungsverwahrte im Augenblick eine Fußfessel gesetzlich nicht vorgesehen. Sie wurde in dem Gesetz über die Sicherungsverwahrung, das dieses Haus hier verabschiedet hat, auch nicht vorgesehen.