Protokoll der Sitzung vom 23.07.2014

Für diesen Tagesordnungspunkt sind uns vier Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie dem Nachtrag zur Tagesordnung entnehmen können.

Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich bei allen Beteiligten, auch bei der Landesregierung, als bekannt voraus.

Ich eröffne zunächst die Besprechung zu

a) Qualitätsmerkmal in Niedersachsen: Tierschutzstandards in der Nutztierhaltung einhalten - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 17/1792

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Wiard Siebels. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Was zu sehen war, ist abschreckend und nicht akzeptabel!“ - Das ist ein Zitat der Interessengemeinschaft der Schweinehalter. Es bezieht sich auf einen ARD-Bericht, der sich mit der Art und Weise befasst, in der „überzählige“ Ferkel - also Ferkel, die eigentlich lebensfähig wären - in der Nutztierhaltung illegalerweise getötet werden.

Wir haben diesen Bericht zum Anlass für diese Aktuelle Stunde genommen, weil er eine weitere gesellschaftliche Diskussion über die Tierschutzstandards in der Nutztierhaltung ausgelöst hat.

Ich bin davon überzeugt, dass Niedersachsen als Agrarland Nummer eins hier in einer besonderen Verpflichtung steht. Wir wollen nicht nur die Größten und die Besten der Branche sein, sondern ich sehe uns auch in der besonderen Verpflichtung, bei den Tierschutzstandards führend zu sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für mich wäre es ein Qualitätsmerkmal, wenn nach außen klar wird, dass Niedersachsen hier kein Auge zudrückt und dass wir diejenigen, die auf solch unrechtmäßige Art und Weise Tiere quälen, nicht davonkommen lassen.

Solche Berichte wie die, die wir im Fernsehen gesehen haben, lassen niemanden kalt - das hoffe ich jedenfalls -, wenngleich ich nicht glauben kann, dass diese Vorkommnisse bei der Mehrzahl insbesondere der niedersächsischen Schweinehaltungsbetriebe an der Tagesordnung sind. Ich halte wenig von Pauschalverurteilungen, muss aber gleichwohl zu bedenken geben, dass es immerhin bei acht der neun Betriebe, die in dem Fernsehbericht gezeigt wurden, solche Vorkommnisse gegeben hat.

Meine Damen und Herren, Handlungsbedarf sehen wir aber auch bei einem anderen Thema - und das auch ohne die aktuelle Fernsehberichterstattung -, nämlich bei den Masthähnchen. Indikator sind hier die Fußballenerkrankungen. Dazu sage ich gleich noch etwas.

Zu beiden Themen hat der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer, dem ich von hier aus herzlich zum Geburtstag gratulieren möchte,

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Erlasse auf den Weg gebracht. Der Erlass zu den Ferkeln ist nach meiner Kenntnis seit Januar in Abstimmung, aber dazu wird der Minister sicherlich gleich im Detail fachlich korrekt ausführen.

Meine Damen und Herren, wir dürfen den Tierschutz nicht wirtschaftlichen Interessen unterordnen bzw. opfern. Hier ist eine Grenze erreicht. Dieses Signal senden wir an die wenigen schwarzen Schafe, die es in der Branche gibt, aus. Wir wollen uns den Tierschutz als Qualitätsmerkmal auf unsere Fahnen schreiben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dafür bedurfte es noch einer rechtliche Klarstellung und Konkretisierung. Diese ist durch diesen Erlass erfolgt. Das begrüße ich ganz ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bei den Masthähnchen wissen wir aus den Diskussionen der vergangenen Jahre, dass der Zustand der Fußballen ein sehr guter Indikator für die Haltungsbedingungen ist. Der Landwirtschaftsminister hat einen Erlass auf den Weg gebracht, wonach in den Schlachtbetrieben systematisch die Fußballen der Masthähnchen zu untersuchen sind, um Rückschlüsse auf die Haltungsbedingungen zu ziehen.

Das sind zwei richtige Maßnahmen, meine Damen und Herren, um mehr Tierschutz in Niedersachsen durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Erlauben Sie mir noch einige Bemerkungen zu den Reaktionen, die ich bisher von CDU und FDP vernommen habe.

Die CDU macht dem Landwirtschaftsminister erstens den Vorwurf, er richte seine Politik nach Fernsehsendeterminen aus. Bei diesem Erlass ist das aber nachweisbar nicht der Fall.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Richtig!)

Zweitens wirft sie ihm vor, dass das alles auch schneller hätte gehen können: Meyer trage die politische Verantwortung für das, was an Nichteinhaltung von Tierschutzstandards draußen im Land möglicherweise Praxis sein könnte. - Ja, hallo, geht’s eigentlich noch, meine Damen und Herren?

Ich glaube, noch verkehrter kann man die Welt nicht darstellen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bei der FDP ist das nicht viel anders. Sie verkündet munter das Gegenteil, lässt sich aber wenigstens - das möchte ich zumindest lobend erwähnen - auf eine sachliche Diskussion über die Ausgestaltung des Erlasses ein. Am Ende kommt sie jedoch zu dem Schluss, sie sei einfach nur enttäuscht: Meyer schieße aus der Hüfte, es sei alles viel zu schnell gegangen.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, vielleicht einigen Sie sich einmal, und vielleicht kommen Sie gerade an dieser Stelle wieder auf die Sache zurück, damit wir gemeinsam das Agrarland Nummer eins weiterbringen. Dazu zählt auch der Tierschutz, meine Damen und Herren!

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Filiz Polat [GRÜNE]: Genau!)

Danke, Herr Kollege Siebels. - Jetzt erteile ich dem Abgeordneten Hermann Grupe, FDP-Fraktion, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema, das die SPD hier aufgeworfen hat, ist ein sehr ernstes, das es sehr seriös zu behandeln gilt.

Herr Siebels, Sie haben es bereits gesagt: Das, was in den Fernsehbildern gezeigt wurde, ist abstoßend und durch nichts zu rechtfertigen. Wer nicht bereit und in der Lage ist, mit Lebewesen, mit Kreaturen angemessen und in Demut umzugehen, der ist nicht geeignet, Tiere zu halten. Das will ich hier ganz eindeutig feststellen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Leider, meine Damen und Herren, gibt es solche Aufnahmen nicht nur aus dem Tierbereich, sondern auch von auf dieser Welt in völlig bestialischer Weise gequälten Menschen. Die Frage ist, ob derartige reißerische Sendungen wirklich dazu beitragen, das Problem in den Griff zu bekommen. Wir wollen es hier anders machen - so habe ich Sie verstanden -, indem wir uns sachlich darüber auseinandersetzen, wie wir zu Verbesserungen kommen können.

Da ist es in der Tat so, Herr Siebels: Auch wenn der Minister heute Geburtstag hat, zu dem auch ich ihm ganz herzlich gratuliere,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

so wäre es trotzdem wesentlich besser, wenn Sie, Herr Minister, das Gespräch mit den Betroffenen, mit den Praktikern, die jeden Tag mit den Tieren zu tun haben, suchen und sich mit ihnen intensiv über die Frage austauschen würden, wie man zu Verbesserungen kommen kann.

Sie haben einige Probleme angesprochen, die wir in der Tierhaltung haben. Sie haben z. B. von den Fußballenerkrankungen beim Geflügel gesprochen. In dem Bereich wird auch sehr viel von den Antibiotika gesprochen, die Sie, glaube ich, aber gar nicht erwähnt haben. Natürlich haben wir da Probleme. Auch da will ich klipp und klar sagen: Vor mehreren Jahren ist gerade mit Antibiotika meines Erachtens unverantwortlich umgegangen worden. Sie sind zum Teil als Mastverstärker eingesetzt worden und nicht zur Gesunderhaltung. Das war ein riesiger Fehler.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Hel- ge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Wir als Landwirtschaft sind aufgerufen, hier von uns aus zu handeln. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu. Wir sind sehr intensiv dran. Deswegen wehre ich mich immer wieder dagegen, dass die Landwirte hier pauschal an den Pranger gestellt werden; denn das ist nicht in Ordnung.

(Zustimmung bei der FDP und Wider- spruch bei den GRÜNEN)

In letzter Zeit habe ich gerade anlässlich dieser Sendungen mit Berufskollegen telefoniert, die auch beim Landvolk Verantwortung tragen. Da sagen mir Leute: Du, mein Sohn hat es geschafft, in seinem größeren Mastbetrieb wieder komplett ohne Antibiotikaeinsatz durchzukommen. - Viele gut geführte Betriebe haben den absoluten Ehrgeiz, ganz neue Standards zu setzen und die Tiere erfolgreich zu halten.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren, im Schweinebereich reden wir z. B. über das Schwänzekürzen. Wir haben als Ausschuss eine Reise gemacht und haben uns auch einen Biobetrieb angesehen. Ich fand das sehr interessant; denn der Kollege, ein Biolandwirt, war sehr offen und ehrlich. Herr Kollege Deppmeyer hat gesagt: Oh, bei einigen Ferkeln sind ja doch die Schwänze abgeknipst! - Darauf

sagte der Landwirt: Nee, die sind nicht abgeknipst, die sind abgebissen! - Das waren fünf oder sechs - ich habe nicht genau gezählt - von 40. Das war nicht Biohaltung, sondern Hobby-Bio. Der hat uns erklärt: Ein paar Schweine gehören auch dazu! - Von den 100 Schweinen, die er insgesamt pro Jahr gemästet hat, konnte er nicht leben. Aber bei 10 bis 20 % waren die Schwänze abgebissen, meine Damen und Herren.

Dieses Problem ist nicht einfach durch plakative Politik in den Griff zu bekommen, sondern dieses Problem gibt es im Grunde schon seit Jahrhunderten. An dieses Problem müssen wir seriös und sachlich herangehen. Ich kann den Minister nur auffordern, nicht gegen einstimmige Beschlüsse, die wir im Ausschuss fassen, zu schießen, sondern mitzumachen und mit der Landwirtschaft gemeinsam für mehr Tierwohl einzutreten.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)