Protokoll der Sitzung vom 23.07.2014

oder endet es dann, wenn die Schlussabrechnung erfolgt?

(Zuruf von der CDU: In welchem Rechtsstaat leben Sie?)

Das ist der Kern der Diskussion. Die Formulierung in der LHO lässt beide Interpretationen zu.

(Zuruf von der CDU: Das Jahr endet am 31. und nicht am 23.! - Zuruf von Christian Dürr [FDP] - Weitere Zurufe von CDU und FDP - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Sind Sie zu Ende, Herr Dürr? - Dann darf ich mich nach dem kurzen Ausflug zum Landesrechnungshof vielleicht zum Thema Schuldenbremse einlassen. In der Tat ist es sicherlich notwendig - aber die Verfassung zu ändern, ist Sache des Parlaments -, einmal aufzuhören, die Gebetsmühlen zu drehen. Sonst wird das nichts. Das ist jedenfalls meine Einschätzung dazu.

In der Sache verhalten wir uns hier in Niedersachsen so wie die allermeisten anderen Bundesländer. Wir gehen schrittweise einen strukturellen Weg hin zur Schuldenbremse, zur Nettoneuverschuldung null. Dabei geht es nicht nur um die Nettoneuverschuldung, sondern wir müssen nach den Definitionen der Schuldenbremse auch Einmaleffekte ausschließen. Es geht also darum, das strukturelle Defizit abzubauen.

Der Haushalt 2013, Ihr letzter Haushalt, hatte ein strukturelles Defizit von 1,3 Milliarden Euro.

(Jörg Hillmer [CDU]: Sie wissen, dass das nicht stimmt!)

1,3 Milliarden Euro! Davon rund die eine Hälfte Neuverschuldung und die andere Hälfte Einmaleffekte. Wir haben mit dem Haushalt 2014 das strukturelle Defizit auf 936 Millionen Euro gesenkt

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

und werden es mit dem Haushaltsplanentwurf, der am Freitag Gegenstand der Beratungen des Kabinetts sein wird, weiter senken. Wir gehen also sowohl mit der Nettoneuverschuldung als auch bei den Einmaleffekten Schritt für Schritt herunter.

(Christian Dürr [FDP]: Der Rech- nungshof wirft Ihnen vor, Sie erhöhen das Defizit!)

Was wir nicht wollen - das betone ich noch einmal -, ist Kahlschlagpolitik. - Herr Dürr, wenn Sie sich schon an Schlagersängern orientieren, hätten Sie „Geier Sturzflug“ als Leitmotiv für Ihre Politik nehmen können.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Also, wir machen keine Kahlschlagpolitik. Es gibt nun einmal Notwendigkeiten. Da könnte ich auch Herrn Thümler zitieren, aber der ist gerade nicht da: Geld in die Hochschulen geben, dritte Kraft finanzieren usw. Von Ihnen kommen immer jede Menge Ausgabevorschläge, und da ist auch viel Vernünftiges dabei. Wir gehen bei dem, was notwendig ist, schrittweise vor: Ausbau der Ganztagschulen, Ausbau der Kitas, Ausbau der Hochschulen, Erhalt der Infrastruktur, die Sie im Übrigen auch vernachlässigt haben.

(Christian Dürr [FDP]: Herr Schneider, was sagen Sie denn zum Rech- nungshof?)

Das alles machen wir systematisch weiter, und zugleich führen wir die Neuverschuldung so zurück, wie das Grundgesetz es vorsieht. Daran werden Sie auch mit Polemik und mit ständigen Zwischenrufen nichts ändern. Wir fahren unseren Kurs,

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das ist ge- nau das Problem!)

der ein Kurs zwischen Notwendigkeiten, was Schulden angeht, aber auch Notwendigkeiten, was die Entwicklung des Landes angeht, sein wird und bleiben wird.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch zur Aktuellen Stunde unter 14 c kann ich feststellen, dass keine weiteren Wortmeldungen vorliegen und die Redezeitsituation auch keine weiteren zulässt.

Ich rufe deswegen auf den Punkt

d) Israelische Fahnen brennen in Göttingen - Kapituliert Pistorius vor linkem Antisemitismus? - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/1789

Eröffnet wird die Besprechung durch den Kollegen Jens Nacke für die CDU-Fraktion. Herr Nacke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Eine verbrannte israelische Fahne in Göttingen, antisemitische Hetzparolen mitten in der Fußgängerzone: Die Eskalation des Nahost-Konflikts führt zu antisemitischen Ausfällen auch in Niedersachsen.“

Mit diesen Zeilen beschrieb die Deutsche Presseagentur gestern, was sich unter anderem am letzten Samstag in der Göttinger Innenstadt im Verlauf einer von pro-palästinensischen Gruppen organisierten Kundgebung abgespielt hat.

Das macht wütend. In Niedersachsen ist kein Platz für Antisemitismus!

(Starker Beifall)

Meine Damen und Herren, auf deutschem Boden dürfen keine israelischen Fahnen brennen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Einen Tag, nachdem in Göttingen israelische Fahnen brannten, fand in Hannover eine pro-israelische Demonstration statt. Nach den Erfahrungen bereits eskalierter Gaza-Demonstrationen in Frankfurt, in Essen und in Bremen hätten wir erwartet, dass pro-israelische Demonstranten in Hannover vor Übergriffen sicher sind.

Unter der Überschrift „Behörden wirkten überfordert von antisemitischen Ausschreitungen“ wird der grüne Bundestagsabgeordnete Sven Kindler in der Welt zitiert, der seine Eindrücke wir folgt zusammenfasst: „Ich bin persönlich schockiert. Die Polizei konnte unsere Kundgebung leider nicht schützen.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hätten erwartet, dass der oberste Dienstherr der Polizei - also Sie, Herr Minister Pistorius - in Niedersachsen die besondere Brisanz dieses Themas erkennen und entsprechend handeln. Das war nicht so.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ebenfalls in der Tageszeitung Die Welt ist am Montag der beklemmende Hilferuf des 23-jährigen Filipp Piatov erschienen: Er lebe als Jude in Deutschland gefährlich. - Es muss uns doch alle nachdenklich machen, wenn er mit folgendem Satz zitiert wird: „Deutschland ist kein antisemitisches Land, aber es lässt zu, dass die jüdische und proisraelische Haltung de facto aus der Öffentlichkeit verbannt wird.“

Und Filipp Piatov hält vielen - auch in diesem Haus - den Spiegel vor, wenn er feststellt:

„In Deutschland zelebriert man jede NPDDemonstration als Happening. Gegendemonstranten aller Altersgruppen und politischer Strömungen versammeln sich zu einem fröhlichen Fest der Toleranz des neuen Deutschlands. Und wenn die Neonazis unter massivem Polizeischutz abziehen, scheint der Kampf gegen Nationalismus und Antisemitismus gewonnen, jedes Mal aufs Neue. Dass währenddessen antisemitische Parolen und Gewalt unter dem Vorwand der Unterstützung von Gaza verbreitet werden, findet kaum Beachtung.“

Dieser Vorhalt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist berechtigt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, weshalb kann man den Schutz, den die Gegendemonstranten etwa in Bad Nenndorf bei dem alljährlich wiederkehrenden sogenannten Trauermarsch der Neonazis genießen, nicht auch den pro-israelischen Demonstranten in niedersächsischen Großstädten angedeihen lassen? Es muss doch möglich sein, sehr geehrter Herr Pistorius, unsere Polizei in die Lage zu versetzen, dass sie das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit wahrt und gegen antisemitische Äußerungen konsequent und entschlossen vorgeht.

Es ist für uns alle ein Geschenk, dass es heute wieder lebendige jüdische Gemeinden auch bei uns in Niedersachsen gibt. Nach den menschenverachtenden Gräueltaten der Nationalsozialisten ist das alles andere als selbstverständlich. Auf den vielen Gaza-Demonstrationen bundesweit tummelt sich aber jetzt eine unheilige Allianz aus Islamisten, Neonazis und extremen Linken. Judenhass ist kein ausschließliches Phänomen der extremen Rechten; es ist ein Phänomen aller extremistischen Strömungen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, wir ahnen, Sie werden sich gleich hinter Ihrem Symposium verstecken, und Sie werden wieder Vorwürfe gegen uns erheben, dass wir dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Aber ich sage Ihnen Folgendes: Wir dürfen niemals zulassen, dass unter dem Deckmantel der Israel-Kritik antisemitische Vorurteile salonfähig werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In Niedersachsen ist kein Platz für Antisemitismus!

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Kollege Nacke. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Meta Janssen-Kucz. Frau Janssen-Kucz, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Nahen Osten tobt ein Krieg. Die aktuelle Eskalation im Gaza-Konflikt macht mich - ich glaube, sie macht uns alle - sehr betroffen. Raketen werden auf Israel geschossen. Im Gazastreifen fallen Bomben. Durch Tunnel dringen Hamas-Kämpfer nach Israel vor. Die israelische Armee befindet sich in einer großen Bodenoffensive im Gazastreifen. Menschen, unschuldige Kinder sterben.

Das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung und die Angriffe auf Israel führen zu Diskussionen in Familien, im Freundeskreis, zu Reaktionen in den Medien und auch zu hitzigen Debatten. Die Auswirkungen dieser Vorkommnisse machen sich auf der ganzen Welt, in Deutschland und auch in Niedersachsen bemerkbar.

Im Rahmen dieser Demonstrationen kam es bundesweit zu gewalttätigen Zwischenfällen auch in Göttingen und Hannover. Ganz offen kam es zu antisemitischen Parolen und auch zum Zeigen untragbarer Symbole. Das dürfen wir nicht zulassen. Kollege Nacke, Sie haben völlig recht: In Niedersachsen ist kein Platz für Antisemitismus!