Protokoll der Sitzung vom 21.01.2015

(Christian Dürr [FDP]: Wenn das schon zu Begeisterung führt! - Gegen- ruf von Johanne Modder [SPD])

- Ruhe, bitte! - Es liegt eine weitere Zusatzfrage von der Fraktion der CDU vor. Kollege Schünemann, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, trifft es zu, dass Sie die 40 % weniger EU-Mittel jetzt u. a. durch erheblich höhere Ausgaben für Marketing und Kommunikation ausgleichen wollen? Trifft es also zu, dass Sie eine Marketingagentur beauftragt haben? Wenn ja, wie hoch ist das Auftragsvolumen, und wann soll diese Kampagne starten?

(Zustimmung bei der CDU - Petra Tiemann [SPD]: Das waren drei Fra- gen!)

Wegen des Sinnzusammenhangs war das eine Frage.

(Petra Tiemann [SPD]: Was? - Zuruf von Christian Dürr [FDP])

- Ruhe, bitte! - Wer antwortet? - Herr Ministerpräsident Weil, bitte!

Die Kommunikationsmittel, die da zur Verfügung stehen, sind von der Kommission festgelegt. Das ist die sogenannte technische Hilfe. Die Maßnahmen erfolgen samt und sonders in Abstimmung mit der Kommission, und zwar insbesondere deswegen, weil die Kommission selber natürlich ein ausgeprägtes Interesse daran hat, dass die Union nicht nur im Zusammenhang mit unangenehmen Nachrichten, sondern auch mit sehr konkreten Fördererfolgen erwähnt wird. Deswegen arbeiten wir an dieser Stelle derzeit gemeinsam mit der Kommission. Wir bereiten ihr selbstverständlich einen entsprechenden Vorschlag für die Kommunikation in den nächsten Jahren vor.

Wenn Sie es mir gestatten, weil mir dies jetzt aus dem Handgelenk nicht möglich ist, dann reiche ich Ihnen die Summe gern nach.

(Björn Thümler [CDU]: Schriftlich?)

- Nicht mündlich, Herr Thümler, schriftlich!

(Zustimmung bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Und die Agentur!)

Danke schön. - Meine Damen und Herren, weitere Zusatzfragen liegen mir zu dieser Dringlichen Anfrage nicht vor, sodass wir diesen Punkt verlassen können.

Meine Damen und Herren, wir gehen über zu

b) Nach den Anschlägen von Paris und den Festnahmen von Dschihadisten in Wolfsburg - Wird in Niedersachsen alles getan, um den dschihadistischen Salafismus zu bekämpfen? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 17/2753

Kollege Adasch ist im Anmarsch, um diese Anfrage vorzutragen. Bitte sehr! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe die Dringliche Anfrage der CDUFraktion ein.

Die Überschrift lautet: Nach den Anschlägen von Paris und den Festnahmen von Dschihadisten in Wolfsburg - Wird in Niedersachsen alles getan, um den dschihadistischen Salafismus zu bekämpfen?

(Johanne Modder [SPD]: Ja!)

- Wir fragen die Landesregierung, nicht die SPDFraktion, Frau Kollegin.

Am 7. Januar 2015 brachten zwei maskierte Täter, die sich zu der Terrorgruppe Al Qaida im Jemen bekannten, in und vor den Redaktionsräumen der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris zwölf Personen um. Am 9. Januar 2015 wurden die Täter in einer Druckerei in der Nähe des Flughafens Charles de Gaulle aufgespürt. Als sie die Druckerei verließen, schossen sie auf die Polizei und wurden bei der anschließenden Schießerei selber getötet.

Ein weiterer islamistischer Täter erschoss in Paris am 8. Januar 2015 eine Polizistin, bevor er am Tag darauf einen koscheren Supermarkt überfiel. Dort ermordete er vier Personen und nahm weitere Personen als Geiseln. Die Polizei stürmte den Supermarkt, wobei der Täter getötet wurde.

Am 15. Januar 2015 wurden zwei mutmaßliche Terroristen im Osten Belgiens bei einem Schusswechsel mit der Polizei erschossen. Nach Aussagen der Staatsanwaltschaft wurden Anzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden und nun vereitelten Anschlag mit dem Ziel, „Polizisten auf offener Straße und in Wachen zu töten“, festgestellt.

Die Bild-Zeitung berichtete am 15. Januar 2015 unter der Überschrift „Die ISIS-Zelle von Wolfsburg“ über rund 50 Kämpfer, Unterstützer und Sympathisanten des vermeintlichen „Islamischen Staates“ in Syrien und im Irak. Die Bild-Zeitung zitierte in dem Artikel Professor Peter Neumann vom King’s College in London mit folgenden Worten - ich zitiere -:

„Die Wolfsburger Zelle ist neben Dinslaken die größte bekannte Häufung von SyrienKämpfern. Mit fast 50 Personen - Kämpfer, Rückkehrer oder Unterstützer - ist Wolfsburg ein wichtiges Zentrum für den ‚Islamischen Staat‘ in Europa.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte am

15. Januar 2015 in einer Regierungserklärung einen Neun-Punkte-Plan gegen den dschihadistischen Terror vor.

Innenminister Pistorius sagte im NDR Fernsehen am 15. Januar 2015 - ich zitiere -:

„Wir haben in Wolfsburg eine Gruppierung von 30 bis 40 extremistischen Salafisten, die wir im Auge haben, aber von denen keine konkrete Anschlagsgefahr ausgeht.“

Praktisch zeitgleich mit dem Interview von Innenminister Pistorius im NDR wurde der 26-jährige Ayoub B. in Wolfsburg in seinem Elternhaus vom Landeskriminalamt festgenommen. Dabei rief er nach einem weiteren Bericht der Bild-Zeitung vom 16. Januar 2015 laut: „Allahu akbar!“ - Allah ist groß.

Am Nachmittag des gleichen Tages soll Innenminister Pistorius laut Bild-Zeitung in einer Pressekonferenz zu einer möglichen Verhaftung dieses Ayoub B. gesagt haben, dass gegen diesen Mann aktuell keine Haftgründe vorlägen.

Weitere Verhaftungen von dschihadistischen Salafisten fanden inzwischen in Dinslaken und Berlin statt.

Das englischsprachige Magazin Dabiq, das vom vermeintlichen Islamischen Staat in Syrien und im Irak herausgegeben wird, schreibt in der OktoberAusgabe vom letzten Jahre - ich zitiere -:

„An diesem Punkt des Kreuzzuges gegen den Islamischen Staat ist es sehr wichtig, dass Attacken in jedem Staat stattfinden, der sich an der Allianz gegen den Islamischen Staat beteiligt, besonders in den Vereinigen Staaten, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Australien und Deutschland. Vielmehr sollten die Bürger dieser Kreuzfahrerstaaten überall dort, wo man sie trifft, zum Ziel werden. …

Geheimhaltung sollte bei der Planung und Durchführung jedes Angriffes beachtet werden. Je geringer die Zahl der Beteiligten und je weniger zuvor diskutiert wird, umso eher wird dieser ohne Probleme ausgeführt. Man sollte die Angriffe nicht verkomplizieren durch die Beteiligung Dritter, den Erwerb komplexen Materials oder die Kommunikation mit feigen Personen. ‚Verlasse Dich auf Allah und ersteche die Kreuzfahrer‘ sollte

der Schlachtruf für alle Förderer des Islamischen Staates sein.

Vergiss schließlich nicht, dass Allah mit den Muslimen ist und sie gegen seine Feinde nicht allein lassen wird. Und der Islamische Staat wird nicht aufgeben, bis sein Banner über Rom weht.“

Das war eine eigene Übersetzung der Fragesteller.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche zusätzlichen Maßnahmen plant die Landesregierung zur Bekämpfung des dschihadistischen Salafismus?

2. Unterstützt die Landesregierung den NeunPunkte-Plan der Bundeskanzlerin zur Bekämpfung des dschihadistischen Terrors?

3. Welche Gefahren sieht die Landesregierung für Niedersachsen durch bekannte und unbekannte dschihadistische Salafisten?

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Adasch. - Für die Landesregierung antwortet der Innenminister. Herr Pistorius, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der gestrigen Sitzung wurde mehrfach festgestellt und bekräftigt, wie sehr uns alle die grauenhaften, menschenverachtenden Anschläge von Paris erschüttert und getroffen haben.

Nun gilt es - das ist das Gebot der Stunde -, die Taten genau zu analysieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Es wäre allerdings grundfalsch, in Aktionismus zu verfallen. Der reflexhafte Ruf nach weiteren Maßnahmen oder neuen bzw. schärferen Gesetzen hilft aktuell nicht weiter. Wir müssen sorgfältig abwägen. Erst danach ist überhaupt eine Entscheidung über die Änderung, Verschärfung oder Einführung gesetzlicher Regelungen und Eingriffsmaßnahmen möglich. Es gilt auch dabei, klug und besonnen Sicherheits- und Freiheitsinteressen in Einklang zu bringen.

Aber nun zur aktuellen Lage. Nach übereinstimmender Bewertung der Sicherheitsbehörden hat sich die Sicherheitslage in Deutschland auch nach

Paris und nach den vereitelten Anschlagsplänen in Belgien nicht geändert. Darauf habe ich bereits gestern in der Aktuellen Stunde hingewiesen. Es besteht - wie schon seit einiger Zeit - eine hohe abstrakte Gefährdung in Deutschland, die sich natürlich jederzeit auch konkretisieren könnte.

Mehr als 600 Islamisten aus Deutschland sind nach der Erkenntnislage der Bundessicherheitsbehörden inzwischen in Richtung Syrien und Irak ausgereist, um dort - so die Annahme - an Kampfhandlungen teilzunehmen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen. Ob sich diese Personen tatsächlich in Syrien aufhalten oder aufgehalten haben, ist nicht in allen Fällen bekannt. Aufgrund der dynamischen Lageentwicklung vor Ort unterliegt die Gesamtzahl der ausgereisten Personen tagesaktuellen Veränderungen.

Die Tendenz ist weiterhin steigend. Etwa ein Drittel dieser ausgereisten Personen ist zwischenzeitlich, zumindest zeitweise, nach Deutschland zurückgekehrt. Zu der Mehrzahl dieser Rückkehrer liegen keine Informationen darüber vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen vor Ort beteiligt haben. Für etwa 35 Personen liegen Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv am bewaffneten Kampf in Syrien oder im Irak beteiligt haben. Ferner liegen zu ca. 60 Personen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder dem Irak ums Leben gekommen sind.