Protokoll der Sitzung vom 18.04.2013

Herr Minister Meyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt gehen wir schon in Richtung Welthungerdebatte. Ich denke, dass man das komplexer sehen muss, dass es auch nach Einschätzung des Weltagrarberichts der Vereinten Nationen vor allen Dingen eine Verteilungsfrage ist, was angebaut wird. Denn wenn der Regenwald, wie eben beschrieben, gerodet wird, dann nicht deshalb, um Lebensmittel für die eigene Bevölkerung anzubauen, sondern um z. B. Futtermittel für den reichen Norden anzubauen

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

oder um Biotreibstoffe zu produzieren, mit denen man möglichst viel verdient.

Auch die UN fordert übrigens zur Bekämpfung des Hungers nicht die Industrialisierung der Landwirtschaft, nicht mehr Gentechnikeinsatz - das ist der klare Beschluss des Weltagrarberichts -, sondern die Nutzung kleinbäuerlicher Strukturen gerade in den Entwicklungsländern. Der Bericht besagt, dass das die Zukunft ist, um auch Einkommen im ländlichen Raum zu generieren, und dass man nicht immer in Richtung Größenwachstum gehen sollte. Insoweit sind die Ziele der EU klar.

Es geht in Richtung Nachhaltigkeit, es geht in Richtung Ökologisierung und nicht mehr, wie bei der alten Förderung, die wir zum Glück überwunden haben und zu der Sie hoffentlich nicht zurück wollen, danach, wie viel Tiere und wie viel mehr Getreide man produziert. Mit dieser alten Förderung kamen wir in die Bereiche von Butterbergen und Milchseen. Die Zeiten, in denen man mit EUSubventionen Preise stützen oder Mengenproduktion anheizen will, sollten vorbei sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Herr Minister. - Die nächste Frage kommt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Noch einmal Herr Janßen, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Meyer, ich möchte die Landesregierung doch noch einmal fragen, welche grundsätzlichen Ziele eine Agrarförderung aus ihrer Sicht eigentlich haben soll, ob es dabei aus der Sicht der Landesregierung um die Kostengünstigkeit von Nahrungsmitteln oder um Einkommensstützung gehen soll, also welches die zentralen Ziele der Agrarförderung aus der Sicht der Landesregierung sein sollen.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Jetzt Butter bei die Fische!)

Danke schön. - Die zentralen Ziele, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch dazu gibt es klare Aussagen im Koalitionsvertrag. Unser Ziel ist - das habe ich vorhin gesagt -, in Zukunft nach dem Prinzip „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ gesellschaftliche Mehrleistungen von Landwirten zu honorieren und von pauschalen Fördersystemen wegzukommen, die eher dazu geführt haben, dass wir immer weniger Landwirte und immer weniger Betriebe haben - 30 000 Arbeitsplatzverluste in den letzten zehn Jahren allein in Niedersachsen -,

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Die Fußnoten lassen Sie bei der Statistik immer weg!)

also dass wir das honorieren, was die Gesellschaft will. Dafür muss es einen Ausgleich geben. Das heißt: mehr Umweltschutz, mehr Tierschutz, mehr Gewässerschutz. In diese Richtung soll es gehen.

Das ist auch ein ganz klarer Konsens unter den rot-grünen Bundesländern - egal, ob es ein roter oder ein grüner Agrarminister ist. Wenn man gegenüber dem Steuerzahler rechtfertigen will, dass es im Agrarhaushalt Gelder geben soll, dann können diese nicht für die Produktionsstützung eingesetzt werden, sondern für das, was Verbraucher und Gesellschaft an Mehrleistungen von Landwirten einfordern, angefangen von Blühstreifen bis hin zu mehr Tierschutz.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Försterling für die FDPFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weil sogar ich weiß, dass ein Rüstungskonzern kein familiäres bäuerliches Unternehmen ist,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Herr Försterling, Sie überra- schen uns immer wieder!)

frage ich die Landesregierung jetzt nicht nach weiteren Negativabgrenzungen, sondern ich frage die Landesregierung: Was ist Ihre Positivdefinition eines bäuerlichen Familienunternehmens?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Sehr schön!)

Danke schön, Herr Försterling. - Herr Minister Meyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Positiv ist: Das ist die übergroße Mehrheit der niedersächsischen Betriebe,

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Wie groß, Herr Minister?)

die über 40 000 bäuerlichen Familienbetriebe, die z. B. bei den Tierzahlen - das habe ich gesagt - bis zur BImSchG-Grenze gehen. Bei den Schweinehaltungen sind, wenn man sich den Filtererlass anguckt, 350 von über 10 000 Betrieben betroffen. Die 350, die betroffen sind, weil sie in solche Größeneinheiten gehen, würde ich nicht mehr als bäuerlich bezeichnen.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Würden Sie nicht oder machen Sie nicht? - Jörg Hillmer [CDU]: Wie viel Hektar?)

Die darunter - da sind wir im Bereich von 90 bis 95 %, auch im Bereich der Tierhaltung - sind aus der Sicht der Landesregierung bäuerliche Betriebe, die wir stärken und in den Fokus nehmen wollen, anstatt in diesem Bereich Agrarkonzernen eine Sonderförderung oder Marktführern eine Wirtschaftsförderung zu geben.

Agrarförderung muss sich immer am Mittelstand orientieren, um mehr Wettbewerb und Vielfalt zu schaffen. Wir sind der Überzeugung, dass gerade die bäuerlichen Betriebe deutlich mehr Arbeitskräfte, Wertschöpfung und Akzeptanz in den ländlichen Raum bringen als flächenlose, arbeitsplatzarme Großbetriebe, die bislang im Fokus der Förderung der alten Landesregierung standen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage kommt von der SPD. Herr Kollege Siebels!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der Diskussion über die Definition von bäuerlichen Betrieben frage ich die Landesregierung, wie sie die Tatsache bewertet, dass von der Kappung, die ja von dieser Landesregierung befürwortet wird, 50 Betriebe in Niedersachsen betroffen sind - die Frage ist: von wie vielen insgesamt? - und wie diese Landesregierung die Haltung der CDU-geführten Bundesländer in dieser Frage bewertet.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet der Landwirtschaftsminister Meyer.

(Jens Nacke [CDU]: Da bin ich mal gespannt! Ich habe letztes Mal nach Nordrhein-Westfalen gefragt, da ha- ben Sie gesagt, Sie könnten dazu nichts sagen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass nach den Vorschlägen des Europäischen Parlaments, was die Kappung angeht, maximal 50 Betriebe in Niedersachsen betroffen sind. Das heißt, über 99 % sind nicht betroffen. Wir setzen uns für die 99 % ein, dass die bei der Kappung - der Topf bleibt ja der gleiche - gestärkt werden. Deshalb wollen wir im Sinne der mittleren Betriebe bei den ersten Hektaren eine höhere Förderung geben - die dann allen Betrieben zugute kommt -, wenn der Bund und die EU uns dies ermöglichen. Damit stärken wir gerade diese bäuerlichen, arbeitsplatzschaffenden, akzeptierten Betriebe im ländlichen Raum.

Ich finde es schon merkwürdig, dass sich einige CDU-geführte Länder und auch die Opposition hier, wenn sie sich gegen Kappung und Degression ausspricht - eigentlich nur für die Interessen von unter 1 % der niedersächsischen Betriebe stark machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage kommt vom Abgeordneten Hermann Grupe für die FDPFraktion.

(Ronald Schminke [SPD]: Darf man drei Fragen stellen?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich habe keine befriedigende Antwort auf meine Frage nach dem iLUC-Faktor bekommen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Oh! Also wirk- lich!)

Vor dem Hintergrund, dass die 60 ärmsten Länder der Welt nach Auskunft von Wissenschaftlern bis 2030 ihren Bedarf an Lebensmitteln verfünffachen werden, also nicht mehr exportierende Länder sein werden,

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Wir schmeißen doch die Hälfte weg!)

möchte ich die Landesregierung nochmals fragen, ob sie auch Intensivierungsmaßnahmen ergreifen will, um eine höhere Effizienz in der Landwirtschaft zu erreichen. Denn das ist dringend notwendig. Ich darf hier ja keine Wertung vornehmen, aber ich hätte gerne eine Antwort auf die Frage, ob wir als Niedersachsen nicht auch einen wirkungsvollen Beitrag zur Ernährung der Menschen auf dieser Welt leisten müssen.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Grupe.

Vielleicht noch als Hinweis vor dem Hintergrund der Zwischenbemerkung des Kollegen Schminke: Die Fraktionen können jeweils fünf Fragen stellen. Theoretisch kann ein Abgeordneter alle fünf Fragen stellen.

(Zuruf von der CDU: Schminke, hät- test du das gewusst! - Jens Nacke [CDU]: Herr Schminke ist erst seit der Einstimmenmehrheit ab und zu im Parlament!)

Herr Janßen hat drei Fragen gestellt, und Herr Grupe hat drei Fragen gestellt. Das wird vom Kontingent der Fraktion abgezogen.

Jetzt hat wieder die Landesregierung das Wort. Herr Meyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich hat in der Lebensmittelerzeugung die bäuerliche Landwirtschaft Vorrang. Das ist ganz klar. Das sollen die bäuerlichen Betriebe leisten. Aber wir sind der Überzeugung, dass sich die Förderung mehr auf Leistungen im Bereich der Ökologie und des Tierschutzes beziehen soll.