Vielen Dank, Herr Bode. - Herr Kollege Schremmer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte, Herr Schremmer!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Toepffer, wir sprechen uns noch mal zu der Frage der Arbeitsbedingungen. Sie haben einen großen Sack der Bürokratie aufgemacht, haben alles hineingepackt und dann mit einem Knüppel draufgehauen. Das wird dieser Sache überhaupt nicht gerecht.
Auch ich habe mir Betriebe angeguckt. Letzte Woche waren Betriebsangehörige von UPS in Langenhagen bei mir; sie haben über Probleme gesprochen, über die Sie hier gar nicht geredet haben, nämlich darüber, dass sie befristete Verträge haben - 17-Wochenstunden-Verträge -, und
dass sie anschließend die Überstunden, die sie da kloppen müssen, befristet on top kriegen. Das wird vom Teilzeit- und Befristungsgesetz überhaupt nicht gedeckt bzw. folgt gar nicht dessen Bestimmungen, sondern kann nach Belieben gemacht werden. Das ist eine Situation, die Sie in Betrieben vorfinden. Das wäre eine Regelung, die wir angehen müssen, aber nicht die Neuregelung des Mindestlohnes.
Dazu vielleicht noch zwei Sätze. Ich finde, dass Andrea Nahles das richtig gemacht hat. Ich habe hier auch schon gesagt, dass diese Wertgrenze angeguckt werden muss. Das, was Sie über das Arbeitszeitgesetz erzählen, wird auch angefasst. Dass der Zoll da mit Handschellen hingeht, soll auch nicht mehr der Fall sein. Das heißt, dieses Vertrauensverhältnis entwickelt sich natürlich. Wenn ein Bundesurlaubsgesetz seit vielen Jahrzehnten besteht und es mit ihm überhaupt keine Probleme gibt, dann braucht man es auch nicht anzufassen. Aber beim Mindestlohn ist es so, dass die meisten Beschäftigungsverhältnisse in den prekären Bereichen mit weniger als 8,50 Euro entlohnt werden. Das haben 99,5 % der Bevölkerung in Deutschland nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern sagen auch, dass sie es ändern möchten. Das restliche halbe Prozent wählt FDP. An dieser Stelle können Sie also sagen, dass wir alles richtig gemacht haben. Deswegen finde ich, dass es nicht richtig ist, das mit allen den anderen Verordnungen in einen Pott zu werfen.
Wenn Sie an diesen etwas ändern wollen, Herr Toepffer, dann erwarte ich, dass Sie hier Anträge zur Feinbäckerei-Durchführungsverordnung, zur Hygieneverordnung und zu den damit in Zusammenhang stehenden Gesetzen stellen. Ich bin sehr gespannt, was die Bevölkerung sagt, wenn der erste Fall eintritt, in dem jemand z. B. ein Brötchen
Ich meine, dass das, was Sie hier machen, nicht redlich ist. Der Mindestlohn ist gerecht. Ich finde, wir sollten die Debatte hier an dieser Stelle beenden und nicht mehr über Bürokratie reden.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Hören Sie sich eigentlich gerne selber reden? Das ist ja unerträglich!)
Das war gerade noch rechtzeitig. - Herr Toepffer hat das Wort zu einer Kurzintervention auf den Kollegen Schremmer!
Herr Kollege Schremmer, ich finde, dass Sie im Prinzip den Kern des Übels sehr, sehr schön zum Ausdruck gebracht haben. Dieser besagte Bäckermeister hat mir Folgendes gesagt: Herr Toepffer, wissen Sie, was mein Problem ist? Ich bin genau in der Mitte. Mein Laden ist zu groß, als dass ich Welpenschutz genieße. Hätte ich nur ein oder zwei Filialen, dann würde man gar nicht großartig nachgucken. Hätte ich einen riesengroßen Betrieb, dann hätte ich eine Verwaltung, die das alles auffangen könnte. Ich besitze aber eine Betriebsgröße, bei der es reizvoll ist. Die Bußgelder kann ich noch zahlen. Aber ich kann mir nicht den Wasserkopf an Verwaltung leisten, der das irgendwie sicherstellen kann, und den Welpenschutz kriege ich auch nicht. - Sie kommen mit Unternehmen wie Amazon, wie UPS etc., wo wir tatsächlich diese Missstände haben. Da bin ich ganz bei Ihnen. Aber ich sage Ihnen: Dann lassen Sie uns auch wirklich bei denen gucken und lassen Sie unseren Mittelstand und unser Handwerk außen vor!
Ich antworte kurz. Auch ich habe das Interview mit Herrn Bosselmann gelesen. Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau, meine aber, der erste Satz, den
Zu den anderen Fragen habe ich gerade etwas gesagt. Das alles in einen Pott zu werfen und dann zu sagen, dass deswegen der Mindestlohn schlecht ist, finde ich nicht richtig. Das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Ich finde, dass man das nicht in einen Pott werfen sollte, weil nachher in der Öffentlichkeit diskutiert wird, dass der Mindestlohn eigentlich nicht richtig sei, weil er angeblich Bürokratie erzeugt. Das ist doch das eigentliche Problem.
Das Problem ist, dass wir einen Mindestlohn brauchen, und dass es ganz viele Unternehmen gibt, die ordentlich bezahlen und ordentliche Arbeitsbedingungen haben, aber auch die Unternehmen gibt, die ich z. B. auch besuche, bei denen das nicht der Fall ist und für die man eine Regelung braucht.
(Jens Nacke [CDU]: Man kann doch nicht nur in der Ideologie verhaftet sein! Das gibt es doch wohl nicht!)
Wenn Sie jetzt das Gesamtkonstrukt diskreditieren, dann erweisen Sie denen einen Bärendienst, die das auf jeden Fall nicht verdient haben, sondern die 8,50 Euro verdient haben. Das ist meine Position.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, welche Debatte wir hier heute zum Thema Mindestlohn führen. Ich will daran erinnern, dass am 3. Juli letzten Jahres der Deutsche Bundestag mit 535 JaStimmen und 61 Enthaltungen - das waren die Linken, weil sie mehr Mindestlohn wollten -, also
mit 99,2 %, die Einführung des Mindestlohns in Deutschland beschlossen hat. Das war ein historischer Tag. Die Debatte, die ich hier gehört habe, erweckt bei mir den Eindruck, als hätten wir sie vor zehn Jahren geführt. Ich verstehe diese Diskussion hier wirklich nicht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Aber von Ihren eigenen Leuten initi- iert, von uns doch nicht!)
Bei aller Wertschätzung der Redebeiträge, Herr Toepffer, aber in der Debatte über den Mindestlohn einen Vergleich mit den Nachkriegsfrauen zu ziehen - auf so viel Geschmacklosigkeit muss man bei einer solchen Debatte erst einmal kommen. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis.
Das Gleiche gilt auch für die Arbeitszeiten, Herr Bode, die, wenn wir über Mindestlohn reden, gar nicht zu den hier zu diskutierenden Fragestellungen gehören. Bei allem Respekt: Auch da müssen wir unterscheiden. Es geht um die Mindestlohndebatte. Wir reden hier von Leuten, die einen Mindestlohn von 8,50 Euro bekommen und von denen wir wissen, dass sie oft genug in durch Schwarzarbeit gefährdeten Branchen oder als Minijobber tätig sind und dass die Gefahr, dass sie dort ausgebeutet werden, groß ist. Genau deshalb müssen wir kontrollieren. Deshalb kann ich doch keinen Vergleich zu einem Mitarbeiter aus einem Ministerium ziehen! Das ist einfach unehrlich und ignoriert die Probleme, die die Menschen in der Wirklichkeit haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Genau das ist der Punkt, über den wir die Debatte führen müssen. Ich bin wirklich viel unterwegs - in Betrieben, Unternehmen, vor allen Dingen auch in Kleinbetrieben.
(Jörg Bode [FDP]: Das heißt, Mitarbei- ter in den Ministerien dürfen ausge- beutet werden? - Christian Grascha [FDP]: Sie schlagen hier eine Schlacht der Vergangenheit!)
- Ja, ich glaube Ihnen, dass Sie das glauben! - Schlachten der Vergangenheit! Aber egal, ich will dazu nichts sagen. - Ich spreche mit ganz vielen Betrieben. Übrigens sagen die allermeisten Betriebe: Ja, Herr Lies, der Mindestlohn ist richtig! Und wir leben auch mit dem Mindestlohn! - Aber sie sagen auch: Dann muss es auch so sein, dass sich alle daran halten! - Denn das ist die Wettbewerbsverzerrung, die wir haben, wenn wir den Mindestlohn einführen, sich aber einige einen schlanken Fuß machen und sich nicht daran halten. Deshalb brauchen wir die Kontrollen. Die Kontrollen brauchen wir nicht nur, um die Betriebe zu überwachen, die wir kontrollieren. Diese Kontrollen brauchen wir auch, damit die anderen, die sich schon lange daran halten und die überhaupt kein Interesse haben, das zu umgehen, fair behandelt werden und im Wettbewerb die gleichen Chancen haben. Ich meine unsere kleinen und mittelständischen Betriebe. Genau für die machen wir das nämlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Noch einmal zum Thema Bürokratie. Wir reden über die Arbeitszeit. Wir schreiben morgens in der Form, die der Arbeitgeber will, die Arbeitszeit auf. Wir schreiben abends die Zeit auf, wann wir gehen, und in der Zeit dazwischen die Pause. Wer über bürokratischen Aufwand redet, der muss sich überlegen, ob er nicht ein Argument missbraucht, weil er in Wirklichkeit nur gegen den Mindestlohn ist. Das scheint mir immer noch der Kern der Debatte zu sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Sie wissen wirklich nicht, worüber Sie re- den!)
Ansonsten gibt es alle breiten Informationen, die vorhanden sind, und natürlich auch die Erkenntnis: Lasst uns darüber reden. „Darüber reden“ heißt z. B., alle an einen Tisch. Vorhin ist zu Recht gesagt worden: Es gibt Möglichkeiten der Tarifpartner. Die Sozialpartnerschaft ist die Lösung, um bestimmte Rahmenbedingungen zu regeln. Ran an den Tisch! Ich habe wieder eingeladen in der Branche der Gastronomie. Ich lasse die NGG an den Tisch, nehme die Dehoga bei mir an den Tisch, und dann diskutieren wir, was das Tarifrecht an Möglichkeiten offen lässt und wie ein Tarifvertrag die richtigen Möglichkeiten schafft. Das ist zukunftsfähige Wirtschaftspolitik, die beide Sozial
partner mitnimmt und die Qualität von Arbeit in unserem Land garantiert, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Jens Nacke [CDU]: Morgens aufschreiben, abends aufschreiben - wie soll das in der Gastronomie gehen? Völlig an der Realität vorbei!)