Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

c) Wie steht es um die Wirtschaftskompetenz der niedersächsischen Landesregierung? - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/3884

Eingebracht und begründet wird dieser Antrag vom Kollegen Toepffer. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat läuft die niedersächsische Konjunktur dank bundespolitischer Rahmendaten hervorragend. Selbst dieser Wirtschaftsminister ist nicht in der Lage, das zu verhindern. Er ist aber dabei, Vertrauen der Wirtschaft in die Politik zu zerschlagen. An die Stelle von Kompetenz treten zunehmend Eitelkeit und Theaterspiel.

(Björn Thümler [CDU]: Da haben wir es! - Christian Grascha [FDP]: Schmierentheater!)

Lieber Herr Lies, wir erinnern uns noch sehr gut an Ihre Brandrede vom 15. Oktober 2012 vor der Staatskanzlei. Da sind Sie als selbsternannter Volkstribun aufgetreten und haben den Menschen bei den Nordseewerken gesagt: Ich kann eure Arbeitsplätze dauerhaft retten, wenn ihr nur die richtige Landesregierung wählt. - Sie haben den

Menschen einfache Antworten vermittelt und einfache Schuldzuweisungen in den Raum gestellt. Schuld waren natürlich Ihr Vorgänger als Wirtschaftsminister und der damalige Ministerpräsident. Sie hatten die einfachen Rezepte und haben gesagt: Wählt mich! Dann klappt das schon. Ich habe schon neue Investoren. Ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Dann werden wir die Arbeitsplätze retten.

Herr Lies, tatsächlich ist Folgendes geschehen: Sie haben die Menschen im Stich gelassen. Sie haben den Menschen damals nicht die Wahrheit gesagt. Sie haben ihnen nicht gesagt, dass die Möglichkeiten der Landespolitik in diesem Punkt begrenzt sind. Das war Ihr persönlicher Beitrag zur Politikverdrossenheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben aber nicht nur das Vertrauen der Arbeitnehmer aufs Spiel gesetzt. In den letzten Tagen haben Sie auch in Unternehmerkreisen eine wahre Brandspur hinterlassen. Ich will nicht spekulieren, wann und in welchem Umfang Sie von der Sitzverlegung der Meyer Werft erfahren haben. Tatsache ist: Sie waren ab 4. Juni 2015 informiert - vielleicht nicht über alle Details. Beim Stichwort „Sitzverlegung“ hätten bei Ihnen aber eigentlich alle Warnlampen aufleuchten müssen.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht sind Sie ja nach der Hälfte Ihrer Amtszeit einfach noch so unerfahren, dass Sie die Brisanz nicht erkannt haben. Deswegen will ich Ihnen die Kommunikationspanne an sich auch nicht vorwerfen. Kritikwürdig ist aber der Umgang mit dieser Panne. Reagiert haben Sie wie im Sandkasten; von Souveränität keine Spur; statt Reparatur beleidigte Leberwurst.

Bernard Meyer ist ein Unternehmensführer alter Schule. Er hat in den letzten Jahrzehnten Hunderte Millionen in diesem Land investiert; erst diese Woche haben wir von weiteren 10 Millionen erfahren. Er ist der wahrscheinlich erfolgreichste Schiffbauer der Welt. Er hat ein einzigartiges Unternehmen aufgebaut. Er hat auch deutlich erklärt, dass er Steuern weiter in Deutschland zahlen will. Dafür gebührt ihm unser Dank - und nicht die Verfolgung durch diesen Minister.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was tun Sie, Herr Lies? - Ich zitiere Ihre Reaktion aus der NOZ vom 9. Juli 2015: „Eine Verbindung

zum Standort Luxemburg rückt das Unternehmen in den Verdacht der Steuerflucht.“

Ich frage mich: Was hat Sie denn da bloß getrieben? - Die Wahrheit ist: Es gibt in diesem Unternehmen ein hervorragendes Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es gibt eine Beschäftigungsgarantie bis 2030. So etwas existiert sonst nirgendwo in diesem Land. Das ist einmalig.

Wahr ist aber auch: Bernard Meyer will in seinem Unternehmen die Zügel in der Hand behalten. Er will in der Tat keinen Aufsichtsrat. Das kann man zwar kritisieren. Zunächst einmal ist es aber völlig legal, und andere tun das auch so.

Wir haben einen vergleichbar erfolgreichen Unternehmer in Niedersachsen, und zwar in Duderstadt, nämlich Hans Georg Nädler mit der Unternehmensgruppe Otto Bock. Er macht jetzt etwas ganz Ähnliches. Er sagt nämlich: Ich gehe mit meinem Unternehmen an die Börse, wähle aber nicht die Rechtsform der deutschen AG, sondern weiche auf die Rechtsform der europäischen AG aus. Warum, stand in der HAZ vom 11. Juli 2015: Er tut dies, damit die Entscheidungsgewalt in der Familie bleibt. Neben dem fraglichen Artikel gibt es einen kurzen Kommentar, der von der HAZ mit den Worten „Vorreiter für den Mittelstand“ überschrieben ist.

(Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann übernimmt den Vorsitz)

Herr Lies, wie wollen Sie eigentlich diesmal reagieren? Wie bei der Meyer Werft? - Ich zitiere die NOZ vom 9. Juli 2015: „Wir durchleuchten gerade alles, auch die Unternehmensstruktur.“ Wird Otto Bock jetzt auch durchleuchtet? - Herr Lies, Sie sind doch nicht die NSA. Sie sollen Unternehmen helfen. Sie sollen sie nicht durchleuchten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, Bernhard Meyer hat kürzlich vor seiner Belegschaft erklärt - nachzulesen in der NOZ vom 3. Juli 2015 -, dass ihn die Art und Weise, wie ihm und seiner Familie verantwortungsvolles Handeln abgesprochen werde, „irritiert und verletzt“ habe. Herr Lies, solche Verletzungen stehen meist am Anfang, wenn Unternehmen irgendwann tatsächlich das Land verlassen. Auch deshalb sollten solche Verletzungen in Niedersachsen nicht zur Regel werden.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Jetzt spricht zu diesem Tagesordnungspunkt in der Aktuellen Stunde der Kollege Will, SPD-Fraktion. Bitte, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Toepffer, was Sie hier gemacht haben, ist beispiellos: Einzelfirmen vorführen, um daraus parteipolitischen Nutzen zu ziehen.

(Dirk Toepffer [CDU]: Vorführen? Sie führen sie doch vor! - Björn Thümler [CDU]: Vorsichtig!)

Früher hatten wir hier im Landtag den Konsens, dass wir uns zu schade dafür sind, die Wirtschaft durch Einzelbeispiele umfassend zu beschädigen. Damit nützen Sie dem Standort Niedersachsen überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Das waren Sie doch selbst, Herr Will! Mit Verlaub!)

Meine Damen und Herren, das folgt genau dem Motto: Warum sachlich bleiben, wenn es auch persönlich geht? - Das kennen wir bei Ihnen ja. Sie haben nichts anderes mehr vorzubringen, als diesen Minister persönlich zu desavouieren. Das ist Ihre Strategie.

(Christian Dürr [FDP]: Haben Sie auch noch eine andere Platte in der Ta- sche, Herr Will? - Björn Thümler [CDU]: Jetzt sind wir wieder bei Text- bausteinen!)

Meine Damen und Herren, ich will zunächst auf das eingehen, was Sie zur Meyer Werft gesagt haben. Der Masterplan Ems 2050 war gut und richtig und bleibt es auch - unabhängig davon, was die Firma in den letzten Tagen gemacht hat.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Was Sie, Herr Toepffer, seit über zehn Jahren nicht hinbekommen haben, haben wir geschafft. Diese Landesregierung hat für einen sinnvollen Interessenausgleich zwischen Ökonomie, Arbeitnehmerschaft, Gewerkschaften und Ökologie alle

Beteiligten an einen Tisch gebracht und endlich vertragliche Regelungen erreicht.

(Gabriela König [FDP]: Was?)

Das müssten Sie eigentlich begrüßen. Sie müssten diese Landesregierung dafür loben, dass sie das nach zehn Jahren, in denen Sie es nicht hinbekommen haben, in kürzester Zeit bewältigt hat. Das sichert den Standort und die Arbeitsplätze in der Region. So wird Industriepolitik gemacht - und nicht durch Ihre industriefeindliche Haltung gegenüber der Meyer Werft in Papenburg.

Meine Damen und Herren, wie gerne hätten einige in Ihren Reihen der Landesregierung eine Niederlage beigebracht -

(Johanne Modder [SPD]: Ja, genau!)

koste es, was es wolle, selbst den Werftstandort und die Arbeitsplätze!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will allerdings auch sagen: Der Schritt nach Luxemburg ist für die Belegschaft und ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten sowie die bisher gute Zusammenarbeit mit der Niedersächsischen Landesregierung nicht hilfreich.

(Jens Nacke [CDU]: Ach so, da mal wieder nicht!)

Ich kann Herrn Meyer nur sagen: Kehren Sie um!

Sie reden der Mitbestimmungsflucht noch das Wort, nach dem Motto: Ein Unternehmer muss ja frei entscheiden. - Sie haben sich hier in Ihren Stellungnahmen gegen Arbeitnehmerrechte entschieden, auch die FDP.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ließe sich an anderen Stellen wiederholen. Es gibt Entwicklungen in der Industriepolitik, wo Arbeitsplätze verlagert werden, wo Strukturen verändert werden. Diese Entwicklungen werden wir im Einzelnen nicht aufhalten können. Das sind auch unternehmerische Entscheidungen. Aber wir müssen natürlich - wir werden das ja bei Continental am Freitag noch zu diskutieren haben - an der Seite der Belegschaften stehen, um Standorte zu sichern, Arbeitsplätze zu sichern und Mitbestimmungsmöglichkeiten zu erhalten.

(Zustimmung von Susanne Menge [GRÜNE])

Keinesfalls ist es z. B. sinnvoll, bei den Thyssen Nordseewerken, einem Unternehmen, das zurzeit in einer vermögenslosen Beschäftigungsgesellschaft in der Insolvenz steckt, Fragen der Entwicklung z. B. von Windkapazitäten und der Entwicklung in diesem Markt öffentlich zu diskutieren. Im Übrigen haben Sie diese Entwicklung durch Ihre Vorgängerregierungen mit zu verantworten.

(Gabriela König [FDP]: Ja, klar! Alles!)

- Die langsamen Lösungen bei der Windkraft waren auch Ihr Teil der Verantwortung.