Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Nacke, eines möchte ich vorausschicken: Humanität und christliche Werte machen an Parteigrenzen nicht halt. Ich denke, darüber sollten wir alle uns einig sein.
Den Brief der kommunalen Spitzenverbände habe ich mir selbstverständlich durchgelesen. Ich gehe nicht unvorbereitet in Beratungen. Aber ich glaube auch nicht, dass Sie mir das unterstellen wollten.
Dann möchte ich noch auf eines aufmerksam machen: Auch wir sprechen mit den kommunalen Spitzenverbänden und kennen das, was in dem Brief zusammengefasst wurde. Ich kann Ihnen Kommunen aufzählen, die überhaupt gar nicht gefragt worden sind. Es sind die Präsidien gewesen. Die sprechen nicht für die gesamte kommunale Familie.
Ich denke, so viel Zeit muss letztendlich schon sein. Aber das sind Dinge, über die können wir uns anschließend in den Beratungen auseinandersetzen.
Herr Thiele, noch einmal: Zuhören hilft vielleicht. Dann hätten Sie auch den Rest meiner Ausführungen mitbekommen.
Als Nächster spricht der Redner der FDP-Fraktion. Das ist, wenn ich das noch sagen darf, der Kollege Oetjen. Schön, dass Sie wieder da sind, vom Sitzungsvorstand! Einen herzlichen Glückwunsch zur Geburt Ihrer Tochter vom ganzen Haus!
Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident, und vielen herzlichen Dank an die vielen Kolleginnen und Kollegen, die mir und meiner Frau gratuliert haben.
Ich glaube, wir alle wissen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass das Thema Abschiebung in der öffentlichen Wahrnehmung überbewertet ist, wenn es darum geht, Lösungen für die derzeitige Flüchtlingskrise zu bieten. Das will ich vorausgestellt sagen. Aber es kann vielleicht an der einen oder anderen Stelle lindern.
Zumindest mich erreichen sehr viele Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern, die sich mit dem Thema Abschiebung und mit der Frage beschäftigen: Wie geht es eigentlich weiter mit denen, die gar keinen Asylgrund haben?
In diesen Briefen kommt ganz oft ein Satz vor, der in der Bevölkerung ein Mythos ist, nämlich: Wenn der Krieg in deren Land wieder vorbei ist, dann können die Asylbewerber, die hier einen Asylgrund hatten, wieder dahin zurückkehren. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass man an einer solchen Stelle einmal mit solch einem Mythos aufräumen muss. Menschen, die Asyl bei uns bekommen haben, werden bei uns bleiben. Die werden nicht wieder in ihr Heimatland zurückkehren, sondern sie sind dauerhaft bei uns.
Nur wer kein Asyl bekommt, aber nicht in das Heimatland zurückkehren kann, weil dort Krieg ist, der fällt in einen Duldungsstatus. Es sind insbesondere sehr viele Menschen dieser Gruppe, über die wir in den vergangenen Jahren hier in diesem Hause sehr heftig diskutiert haben, als es darum ging, aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach zum Teil mehr als einem Jahrzehnt Aufenthalt in Deutschland zu vollziehen. Das ist ja auch Teil des Wahlkampfes gewesen.
Gerade in der Gruppe der Geduldeten gab es immer wieder schwierige Situationen. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass es daher aus meiner Sicht richtig ist, dass Verfahren geändert wurden. Wir selbst haben ja einen Vorschlag für eine veränderte Verordnung der Härtefallverfahren vorgelegt. Es ist richtig, dass die Landesregierung dort etwas verändert hat. Es ist auch richtig, dass im Bereich des Abschiebeerlasses Veränderungen gemacht wurden, um die Härten bei Menschen, die aus der Duldung abgeschoben werden sollen, zu mindern.
Ich will sagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass auch wir von der FDP-Fraktion kein Rollback wollen, wie dies zum Teil von den kommunalen Spitzenverbänden und von der CDU gefordert wurde.
Es gibt ja einzelne Forderungen darin, mit denen wir Erfahrungen haben. Das Thema Familientrennung, das in Baden-Württemberg praktiziert wurde, hat in Niedersachsen dazu geführt, dass wir den Fall Gazale Salame bekommen haben. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will solche Fälle hier bei uns in Niedersachsen nicht mehr haben.
Aber auch wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wünschen uns Änderungen. Es muss uns alarmieren, wenn die kommunalen Spitzenverbände einen solchen Brandbrief an die Landesregierung schicken. Insbesondere wünschen wir uns mehr Flexibilität und Entscheidungsspielraum auf kommunaler Ebene. Sehr geehrter Herr Innenminister, hier müssen Sie mit den Kommunen wieder in Gespräche eintreten und gucken, inwieweit Sie dort noch Änderungen vornehmen können.
Es sind jetzt Änderungen vorgenommen worden. Das ist in Ordnung. Wir finden, das geht in die Richtung.
Ich persönlich hätte nicht die Zeitkomponente eingebaut, sehr geehrter Herr Innenminister. Die 18 Monate, die Sie in die Regelung geschrieben haben, sind in der heutigen Situation, in der Asylverfahren frühestens 15 Monate nach Einreise abgearbeitet sind, der falsche Ansatzpunkt. Ich hätte mich auf den Status bezogen und zwischen Menschen, die aus einem Duldungsstatus abgeschoben werden müssen, und Menschen, deren Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurden, eine Unterscheidung gemacht. Das wäre aus meiner Sicht der richtige Weg gewesen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will zum Abschluss - sehr geehrter Herr Präsident, wenn Sie mir das gestatten - zwei Wünsche nach klaren Aussagen äußern.
Die eine klare Aussage wünsche ich mir vom Herrn Innenminister, nämlich eine Aussage darüber, ob er mit uns und mit den Kommunen das Ziel teilt, dass Menschen, deren Asylanträge offensichtlich unbegründet sind, gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden, sofern es genügend Aufnahmekapazitäten auf Landesebene gibt.
Die andere klare Aussage wünsche ich mir von den Grünen. Sagen Sie uns hier bitte einmal ganz klar und deutlich, ob Sie der Meinung sind, dass Menschen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, in ihre Heimatländer zurückkehren müssen.
Vielen Dank, Herr Oetjen. - Das Wort hat jetzt der Kollege Belit Onay von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation ist hinlänglich bekannt. Seit mehreren Tagen diskutieren wir
Gerade wir als Niedersachsen täten gut daran, uns in Erinnerung zu rufen - wie es auch in dem Antrag der CDU-Fraktion geschildert wird, Herr Nacke -, dass es sich bei Abschiebungen nicht bloß um ein Verwaltungshandeln, um einen Verwaltungsakt handelt, sondern dass dahinter immer Menschen stehen.
Aus diesem Grund haben wir uns angeschaut: Was passiert da eigentlich? - Diese Menschen - ich habe es schon einmal von dieser Stelle aus gesagt; ich wiederhole es gerne - durchleben eine Zäsur. Das ist ein Bruch in ihrem Leben. Das ist ein Umstand, der sehr betroffen macht. Ich glaube, diesem Umstand muss man Rechnung tragen.
Genau aus diesem Grund - Herr Kollege Oetjen, das beantwortet hoffentlich auch Ihre Frage - haben wir von Rot-Grün uns mit dieser rechtlichen Realität auseinandergesetzt. Wir haben geschaut: Wie kann man die aus dieser Praxis resultierende Belastung reduzieren?
Herausgekommen ist der Rückführungserlass. Dieser Rückführungserlass nimmt auf diese Belastung Bezug, beispielsweise mit der darin vorgesehenen Ankündigung der Rückführung. Diese Ankündigung ermöglicht es den Menschen, sich auf diesen Bruch in ihrem Leben hier in Deutschland einzustellen, vor allem wenn sie einen längeren Zeitraum hier gewesen sind. Diese Regelung trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass wir im Vergleich zu den zehn Jahren vor unserer Regierungszeit einen Paradigmenwechsel vollziehen wollten. Dieser schlägt sich hier nieder.
Herr Nacke, Sie erzeugen in Ihrem Beitrag den Eindruck, durch den Rückführungserlass entstehe Handlungsunfähigkeit. Dem möchte ich ausdrücklich widersprechen. Sie müssten es besser wissen. In der Antwort auf Ihre Mündliche Anfrage vor einigen Monaten
- genau - haben Sie selbst vom Ministerium attestiert bekommen, dass zwar die absoluten Zahlen gestiegen sind, aber der Anteil derjenigen Abschiebungen, die nicht durchgeführt werden konnten, konstant bei knapp 65 bis 70 % liegt.
Darauf möchte ich aber gar nicht eingehen. An einem Wettkampf „Wer schiebt am meisten ab?“ werden wir uns nämlich ganz sicher nicht beteiligen. Es geht vor allem um das Wie, um die Art und Weise der Abschiebung. Da haben wir, wie gesagt, die zehn Jahre vor unserer Regierungszeit in sehr klarer Erinnerung. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie der Innenminister 2003, nachdem die schwarzgelbe Landesregierung ins Amt gekommen war, den liberaleren Rückführungserlass kassiert hat. Damit hat er die Situation verursacht, die zu dem bereits erwähnten Fall Gazale Salame führte.
Sie tun so, als wäre dieser Personenkreis rechtsbrüchig, als würde er sich in der Illegalität bewegen. Sie erzeugen den Eindruck, als gäbe es keine Rechtsmittel. Diese werden aber von diesen Menschen größtenteils eingelegt, indem sie verschiedene gerichtliche Instanzen anrufen und die Möglichkeit nutzen, Petitionen und Härtefallanträge einzureichen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das gehört eben auch zum Rechtsstaat: die Möglichkeit, solche Rechtsmittel zu nutzen und einzulegen.
Sie wollen diesen Menschen diese Möglichkeiten streitig machen, indem Sie Fristen beschneiden wollen, indem Sie die Ankündigungen streichen wollen, indem Sie die Trennung von Familien fordern, indem Sie fordern, dass Kinder von ihren Eltern getrennt werden,