Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

(Hermann Grupe [FDP]: Für Sie ist das eine Verhinderungsbehörde!)

Für uns geht es um ordnungsgemäße, faire und transparente Verfahren, um den Respekt vor geltendem Recht und um die Berücksichtigung aller Interessen. Wenn Sie jedoch, Herr Grupe, jetzt schon einzelne abgelehnte Hähnchenställe zum Gegenstand eines Antrags machen, dann müssen Sie sich nicht wundern, dass der Vorwurf, Sie würden es mit dem Lobbyismus für die Agrarindustrie übertreiben, hier im Raum steht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dessen ungeachtet, werden wir uns die Details des Planvorhabens und des Vorgangs im Aus

schuss sehr genau anschauen und dann entscheiden. Dabei werden wir es nicht zulassen, dass der Landtag genutzt wird, um in irgendeiner Hinsicht einseitig Klientelinteressen zu verfolgen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ma- chen doch Sie!)

Darüber sollten Sie einmal nachdenken.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Gerade noch rechtzeitig ist die Wortmeldung zu einer Kurzintervention des Kollegen Grupe eingegangen. Sie haben 90 Sekunden. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Bajus, da Sie von ordnungsgemäßen und rechtmäßigen Verfahren gesprochen haben, möchte ich doch noch einmal dazu Stellung nehmen. Kommen Sie mal in den Landkreis Holzminden, sprechen Sie auch mal mit Abgeordneten von dort! Bei diesem Genehmigungsverfahren für einen Stall von der Stange, für einen Nullachtfünfzehn-Stall, das schon sechs Jahre dauert, gibt es niemanden, der bestreitet, dass dieses Verfahren auf politischen Wunsch hin nach allen Regeln der Kunst verschleppt und verzögert wurde. Es gibt nicht einen Einzigen, der behauptet, dass die lange Dauer irgendetwas mit dem Sachverhalt zu tun hätte.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Seit sechs Jahren? Wer hat das Verschleppen denn angefangen? Wir regieren seit zwei Jahren! Habt ihr das 3,5 Jahre verschleppt aus politischen Grün- den?)

Wie das Ganze funktioniert, können Ihnen die Verwaltungsleute erklären; man muss nur mal nachfragen.

Das Landvolk wird mit einer Klägergemeinschaft zusammen gegen diese Machenschaften, gegen dieses Verfahren Klage erheben, sobald das möglich ist. Wir können im Moment gegen das Landschaftsschutzgebiet nur mit einer Normenkontrollklage vorgehen. Das ist es ja: Durch diese Art des Vorgehens wird ja verhindert, dass man dem

Recht zur Geltung verhelfen kann. Dieses Verhalten kritisieren wir hier.

Dieser Antrag bezieht sich auch nicht auf den Landkreis Holzminden, sondern darauf, was zu erwarten ist, wenn diese Handlungsweise, die der Landwirtschaftsminister im Kreis Holzminden exemplarisch vorführt, im ganzen Land Platz greift.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Bajus möchte erwidern. Bitte schön! Sie haben ebenfalls 90 Sekunden.

(Sabine Tippelt [SPD]: Frag mal, wer vorher an der Regierung war!)

Herr Grupe, ich bin schon ein bisschen erstaunt, dass Sie gerade den Landwirtschaftsminister benennen. Der Landwirtschaftsminister ist hierfür doch gar nicht zuständig. Es geht doch um das Baugesetzbuch, und die oberste Baubehörde ist das Sozialministerium.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Und es geht um das Immissionsschutzrecht, und dafür ist der Umweltminister zuständig.

(Jörg Bode [FDP]: Aber er verkörpert doch den Filz in Holzminden! - Weite- re Zurufe von der FDP)

Das zeigt doch, was Ihre eigentliche Motivation ist! Ihnen geht es überhaupt nicht um die Sache! Es geht Ihnen doch alleine darum, Landwirtschaftspolitik in Ihrem Sinne zu betreiben! Hören Sie endlich auf damit!

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zweitens. Zum Vorwurf der Verfahrensverschleppung: Es ist richtig, dass der Antragsteller ein Verwaltungsgerichtsverfahren angestrengt hat, in dem er genau diesen Vorwurf zum Thema gemacht hat. Ja, das hat er. Und es ist richtig, dass er dieses Verfahren verloren hat. Ja, das hat er auch.

(Zurufe von den GRÜNEN: Ach!)

Das, was Sie von uns fordern, ist Rechtsbruch, und das ist nicht in Ordnung! Hören Sie endlich auf damit!

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt geht es mit der Debatte weiter. Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Kollege André Bock.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der FDP-Fraktion, nimmt man sich Ihren Antrag mit dem doch wenig griffigen Titel „Für eine praxisgerechte Prüfung von bau- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durch die Ministerien“ vor, könnte man zunächst meinen, da wiehert ganz schön der Amtsschimmel; es geht um irgendein Kompetenzgerangel zwischen den behördlichen Kreis- und Landesebenen.

Aber darum geht es am Ende gar nicht; denn tatsächlich weist die FDP - das hat Herr Grupe deutlich gemacht - auf ein Dilemma hin, nämlich auf die Frage: Was für eine Landwirtschaft wollen wir in Niedersachsen eigentlich haben? Wollen wir eine grün lackierte, die wir uns dann sozusagen als Abziehbild in die Glasvitrine stellen können? Oder wollen wir eine Landwirtschaft, die zwar nicht dem romantischen Idealbild entspricht, das sich Leute machen, die außer als Verbraucher so gar keine Berührungspunkte mit der real existierenden Landwirtschaft haben, die aber den tatsächlichen Erfordernissen entspricht, die unsere Gesellschaft an sie stellt?

Diese Debatte ist nicht neu im Landtag, meine Damen und Herren, darum ging es bei einem vorhergehenden Tagesordnungspunkt schon einmal. Aber worum geht es im konkreten Fall? Herr Grupe hat es dargestellt: Es geht im Landkreis Holzminden um einen Landwirt mit zwei Hähnchenmastställen und insgesamt jeweils 40 000 Mastplätzen, um ein Verfahren, das seit über sechs Jahren schwelt. Auf der einen Seite haben sich Bürgerinitiativen gegründet, auf der anderen Seite haben sich die Landwirte entsprechend formiert. Seit über sechs Jahren ist das Genehmigungsverfahren beim Landkreis Holzminden anhängig.

Den Vertretern der Bürgerinitiative ist mit dem drohenden Aufkommen einer Hähnchenmastanlage in ihrer Nähe anscheinend aufgefallen, dass sie schon immer irgendwie gegen Massentierhaltung waren. Und sie befürchten, dass von dieser landwirtschaftlichen Anlage Gesundheitsgefahren für Menschen ausgehen können, dass Grundwasser verseucht würde und die Geruchs- und Lärmbeläs

tigung nicht zumutbar sei. Das übliche Szenario, das einen Bauantrag auf Erweiterung von landwirtschaftlichen Betrieben besonders dann begleitet, wenn die Nachbarn davon betroffen sind oder sich auf der anderen Seite auch betroffen fühlen.

All diese Bedenken müssen natürlich von den zuständigen Behörden ordentlich überprüft werden. Insbesondere Geruch und Lärm werden bei derartigen Bauvorhaben von den unteren Immissionsschutzbehörden, die bei den Städten und Landkreisen angesiedelt sind, geprüft. Diese Stellen tun gut daran, ihre Sache ordentlich und gewissenhaft durchzuführen; denn nur kleinste Fehler werden von den Anwohner völlig zu Recht nicht hingenommen. Alle juristischen Möglichkeiten werden am Ende ausgenutzt, um eine nicht gewünschte Ausweitung oder überhaupt die Errichtung eines landwirtschaftlichen Betriebes zu verhindern.

Die Landesregierung scheint aber hierbei längst vergessen zu haben, meine Damen und Herren, dass die behördliche Zuständigkeit beim Landkreis liegt, und nur hier, nicht aber in einem Ministerium, das offensichtlich nach seinen ganz eigenen Kriterien agiert.

Die Bedenken der Bevölkerung sind natürlich ernst zu nehmen. Das ist gar keine Frage. Der Immissionsschutz, das heißt der Schutz vor übermäßigem Lärm und Geruch hat in so einem Verfahren eine hohe Priorität und wird auch in einem aufwendigen Verfahren geprüft. Wenig segensreich und hilfreich ist bei diesem Streit allerdings das Handeln des Umweltministeriums, das bereits den Drittentwurf der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Landkreises beanstandet hat, woraus folglich der Bau der Hähnchenmastställe nicht zu genehmigen sei.

Meine Damen und Herren, woran orientieren sich eigentlich die Entscheider im Umweltministerium, an Recht und Gesetz, das doch für alle gelten sollte, oder etwa an verquasten Ideologien?

Wollen Sie so lange prüfen, bis Ihnen das Ergebnis gefällt, der Landwirt endlich resigniert oder aufhört?

(Renate Geuter [SPD]: Wollen Sie ir- gendjemandem unterstellen, dass er gegen geltendes Recht verstoßen ha- be? Dann sollten Sie das deutlich sa- gen!)

- Genau, Frau Geuter! Ist Niedersachsen noch das Agrarland Nummer eins, das wir uns wünschen, oder ein Land, in dem Landwirte am Ende so lange

hingehalten werden, bis diese aufgeben? - Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Mit Ihrem Agieren, Herr Umweltminister, in dieser Sache sorgen Sie für Unsicherheit, für Unfrieden, aber nicht für Rechtssicherheit und Vertrauen darin, dass die Landesregierung sich auch an ihre eigenen Gesetze hält. Sie sorgen so für Misstrauen der Bürger in die Verwaltung und Landkreise.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Die Menschen vor Ort werden sich sagen: Ach, sieh mal an, wenn ein landwirtschaftliches Gebäude in unserer Nähe errichtet werden soll, das wir nicht haben wollen, und wir mit der Entscheidung des Landkreises nicht übereinstimmen und uns die Entscheidung nicht gefällt, dann versuchen wir es doch einfach mal beim Ministerium in Hannover.

Sie, Herr Minister Wenzel, und die rot-grüne Landesregierung gängeln nicht nur die Kreisverwaltung in Holzminden. Es gibt eben auch noch andere Fälle in Niedersachsen, und ganz besonders tut sich bei der Gängelung der Landwirte - das haben wir heute auch schon debattiert - Ihr Kollege, Agrarminister Meyer, hervor. Weil Herr Janßen vorhin bei einem anderen Tagesordnungspunkt so schön sagte, wir würden nur Botschaften verbreiten: Hier haben wir nun einen konkreten Fall, Herr Janßen, aus dem Bereich Holzminden.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen ist Agrarland Nummer eins, und wir haben unseren Landwirten viel zu verdanken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Ich habe Verständnis dafür, dass Bürger erst einmal nicht davon begeistert sind, wenn in ihrer Nähe Hähnchenmastställe für 80 000 Tiere errichtet werden. Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass man sich gegen Massentierhaltung ausspricht, wenn doch der Großteil unserer Bevölkerung in seinem Konsumverhalten sich weiterhin wenig darum kümmert, woher ihr Fleisch eigentlich kommt und wie das Tier gelebt hat, bevor es gestorben ist. Es fällt den Menschen häufig erst dann ein, wenn ein Stall in ihrer Nähe errichtet wird. Wenn aber alle gesetzlichen Auflagen vom Landwirt eingehalten werden, dann sollte und muss er am Ende grünes Licht für das Projekt erhalten.