Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

Ich kann jetzt nicht erkennen, wo da gewissermaßen - - - Das ist aber immer so gewesen. Das haben Sie eingeführt.

(Widerspruch bei der CDU)

- Das spielt doch gar keine Rolle, Herr Thiele. Hätten Sie es nicht eingeführt, müssten wir uns jetzt nicht darüber unterhalten, es zurückzuholen. Die Kommunen haben sich vorbehaltlich ihrer Gremienbeschlüsse mit dieser Vereinbarung einverstanden erklärt, und das ist erst einmal ein gutes Signal. Ich verstehe darunter, dass man Maximalpositionen auf beiden Seiten vertreten kann, aber das Wesen eines Kompromisses ist, dass man sich irgendwo begegnet. Und das haben wir getan, meine Damen und Herren.

Herr Försterling, Sie sind jetzt auch noch mit einer Zwischenfrage dran, die der Minister zugelassen hat. Bitte!

Herr Präsident! Herr Minister! Ich möchte die Frage des Kollegen Oetjen präzisieren, wie viele Flüchtlinge unregistriert weitergereist sind.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die technische Einsatzleitung in Laatzen Ihnen genau sagen kann, wie viele Flüchtlinge in welchem Bus in welche Erstaufnahmeeinrichtung unterwegs sind, und die Erstaufnahmeeinrichtungen jeden Nachmittag um 15 Uhr eine Lagemeldung an das Kompetenzzentrum abgeben, in der genau enthalten ist, wie viele Flüchtlinge angekommen und registriert worden sind, frage ich Sie: Warum ist es nicht möglich, daraus einfach die Summe derjenigen, die nicht registriert worden sind, und derer, die

zugeteilt worden sind, zu ermitteln und sie dem Hohen Haus hier mitzuteilen?

Oder wollen Sie das einfach nicht tun, weil Sie Sorge haben, dass dann die anderen Bundesländer sagen: „Ah, ihr habt soundso viele nicht registrierte Flüchtlinge, die ihr gar nicht unterbringen musstet, die sind dann aber nicht auf den Königsteiner Schlüssel anzurechnen.“?

Haben Sie davor Sorge, oder warum können Sie einfach nicht die Zahlen addieren und dem Hohen Haus sagen, wie viele nicht registrierte Flüchtlinge sich in Niedersachsen aufhalten?

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, bitte!

Lieber Herr Försterling, ich kann Ihnen selbstverständlich eine Zahl liefern, aber erstens nicht aus der hohlen Hand, und zweitens gibt es auch dabei ein Delta.

Sie sitzen dem Irrtum auf, dass alle Flüchtlinge, die in Fallingbostel oder in Laatzen ankommen, tatsächlich zahlenmäßig erfasst werden. Viele verschwinden schon unmittelbar auf den Bahnsteigen oder vorher oder auf Rastplätzen, wo sie aussteigen und sich Taxen bestellen.

(Jens Nacke [CDU]: Na, dann ist es ja gut!)

- Das ist eben gar nicht gut, Herr Nacke.

(Jens Nacke [CDU]: Eben! Kümmern Sie sich endlich!)

Das ist ja genau das Problem, dass die Bundespolizei nur 20 % erfassen kann, weil sie nicht genug Personal hat. Darin liegt doch das Problem. Da werden Hunderte von Flüchtlingen, Tausende von Flüchtlingen jeden Tag von der bayerischen Grenze durch die Bundesrepublik geschickt, ohne dass irgendjemand derjenigen, die sie losgeschickt haben, weiß, wie sie heißen und woher sie kommen. Da fängt das Problem an. Das können wir in Laatzen und in Fallingbostel nicht lösen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister, wenn Sie noch einmal kurz innehalten: Herr Thiele möchte Ihnen auch noch eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?

Jetzt wird es aber langsam langweilig.

(Zuruf von der CDU)

- Die Zahlen, die wir haben, können Sie kriegen. Aber ob die belastbar sind?

Jetzt ist Herr Thiele an der Reihe mit einer Zwischenfrage.

Herr Präsident! Herr Innenminister, vor dem Hintergrund, dass Sie gerade die Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden gelobt haben - von der Sie aber ausdrücklich gesagt haben, dass sie noch unter dem Vorbehalt der Gremienbeschlüsse steht -, frage ich Sie:

Was sagen Sie dazu, dass beispielsweise der Erste Kreisrat des Landkreises Leer kürzlich in einer öffentlichen Veranstaltung erklärt hat, dass er auf der Basis dieser Vereinbarung und des jetzigen Trends bei der Zuweisung von Flüchtlingen damit rechnet, dass der Haushalt des Landkreises Leer im nächsten Jahr um 20 Millionen Euro ins Defizit rutscht?

Und was sagen Sie all den anderen Landräten, die momentan ähnliche Modellrechnungen anstellen, weil sie im nächsten Jahr anstelle des Landes Niedersachsen diese Kosten tragen und damit tief in die freiwilligen Leistungen, zum Teil sogar in die Pflichtaufgaben werden eingreifen müssen?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bitte, Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Thiele, all diesen Landräten sage ich: Das ist Ausfluss der Erkenntnis, dass wir hier eine gesamtstaatliche Aufgabe zu erfüllen haben.

Im Landeshaushalt gehen die Ausgaben für Flüchtlinge gerade massiv in die Höhe. Das wissen

Sie, wenn Sie das aufmerksam verfolgt haben, was Sie natürlich tun.

Das Gleiche passiert bei den Kommunen. Wir versuchen, den Kommunen entgegenzukommen, wo immer es geht - sowohl bei der Haushaltskonsolidierung als auch bei der Frage der bilanziellen Positionierung.

(Ulf Thiele [CDU]: Das tun Sie nicht!)

Was wir aber nicht tun können, ist, den Kommunen alle Kosten 1 : 1 zu erstatten. Das passiert übrigens in keinem Bundesland, egal, ob der Ministerpräsident Seehofer, Kretschmann, Weil oder Albig heißt. Nirgendwo passiert das.

Deswegen sage ich Ihnen sehr deutlich: Das ist eine bedauerliche Entwicklung, aber eine, bei der Lamentieren nicht hilft. Auch da hilft nur das geschlossene Bekenntnis, dass es sich um eine Aufgabe handelt, der wir uns aus humanitärer Verpflichtung zu stellen haben und die Geld kostet.

Aber solange wir immer den Eindruck erwecken, als sei das ein Spaziergang, den man mal eben so bewältigen kann, bei dem alle alles richtig machen und dessen Kosten man aus der Portokasse bezahlen kann, so lange wird bei den Menschen diese Botschaft nicht ankommen. Diese Ehrlichkeit und Offenheit fordere ich in der politischen Argumentation ein. Nur dann wird uns das gelingen.

Dass die Kreisräte und Kämmerer in dieser Situation höchst unglücklich sind - gerade diejenigen, die in den letzten Jahren beachtliche Erfolge bei der Konsolidierung ihrer Haushalte nachweisen konnten -, kann ich zutiefst verstehen, und meine Sympathie ist auch voll auf deren Seite. Aber sie kennen auch die Situation der Länder; sie wissen, was wir durchleiten können und was wir auch durchleiten.

Dass die Situation in den Kommunen so ist, wie sie ist, müssen wir leider zur Kenntnis nehmen. In den Landeshaushalten ist sie keinen Deut besser.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: 1 Milliar- de Euro Defizit haben sie!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CDU-Fraktion hat mir eben das Signal gegeben, dass sie nach der Rede des Ministers zusätzliche Redezeit beantragt. Herr Hilbers hat sich zu Wort gemeldet. Sie bekommen drei Minuten. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte aufgreifen, was der Minister zur Finanzausstattung der Kommunen gesagt hat. Ich rechne Ihnen das auch gerne vor, wenn Sie meine Zahlen nicht nachvollziehen können.

(Renate Geuter [SPD]: Das hat Ihnen der Finanzminister doch schon ge- sagt!)

- Ich weiß, Frau Geuter, dass Sie das nicht hören wollen.

Ich sage Ihnen jetzt, wie es ist: Sie hatten im Grundhaushalt 2015 118 Millionen Euro aus der normalen Pauschale nach dem Aufnahmegesetz. Mit dem ersten Nachtragshaushalt haben Sie dann 120 Millionen Euro draufgelegt, die sich aus 40 Millionen Euro vom Bund, noch einmal 40 Millionen Euro vom Bund, die Sie aber irgendwann wieder zurückzahlen müssen, und 40 Millionen Euro aus der Landeskasse zusammensetzen. Im zweiten Nachtragshaushalt haben Sie dann ungefähr 178 Millionen Euro als Vorauszahlungen an die Kommunen verankert. Das macht insgesamt 418 Millionen Euro.

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Aus der weiteren Milliarde des Bundes haben Sie 90 Millionen Euro bekommen, von denen Sie ungefähr 78 Millionen Euro an die Kommunen weitergeleitet haben - ebenfalls als Vorauszahlung, obwohl Sie diesen Betrag noch in diesem Jahr vereinnahmen und gar nicht als Vorauszahlung hätten leisten müssen. Damit sind wir bei insgesamt 496 Millionen Euro.

Dann haben Sie die Mittel für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dazugerechnet; das sind um die 44 Millionen Euro. Das macht insgesamt 530 Millionen Euro, die in diesem Jahr an die Kommunen fließen.

Im kommenden Jahr hingegen sind für die Kommunen nur noch 271 Millionen Euro vorgesehen, und das, obwohl Sie in Ihrer Pressemitteilung bejubelt haben, was Sie alles für die Kommunen tun. Für das nächste Jahr legen Sie zwar 9 500 Euro pro Flüchtling zugrunde, rechnen aber, da Sie den Abrechnungszeitpunkt nicht vorziehen, nur mit 28 500 Flüchtlingen, obwohl Sie wissen, dass über 70 000 Flüchtlinge im Lande sind. Dabei kommen dann die 271 Millionen Euro heraus.

Zusätzlich leisten Sie eine weitere Vorauszahlung von 250 Millionen Euro und ziehen die Vorauszahlung aus dem letzten Jahr in Höhe von 250 Millionen Euro ab. Damit sind wir dann wieder bei den 271 Millionen Euro. Wenn man die Mittel für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, von denen ja auch immer mehr kommen, draufpackt, landet man bei 361 Millionen Euro. Diese Zahl ist im Haushaltsausschuss bestätigt worden.

Diese Summe fließt den Kommunen im nächsten Jahr zu. Die Kommunen müssen sich um mehr Flüchtlinge und mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmern, die Herausforderungen steigen, aber sie bekommen 170 Millionen Euro weniger, obwohl das Land 170 Millionen Euro mehr vom Bund bekommt.