Protokoll der Sitzung vom 30.05.2013

Das wichtigste Wort - Herr Kollege Watermann, schützen Sie sich vor Bluthochdruck - im Antrag der FDP ist das Wort „zügig“. Ich bin Ihnen, lieber Herr Kollege Birkner, sehr dankbar, dass die FDP diesen Antrag vorgelegt hat. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie die sofortige Abstimmung beantragt haben. Ich kann Ihnen sagen: Wir als CDUFraktion hätten damit kein Problem. Denn dieser Antrag ist gut. Dieser Antrag sendet ein klares Signal nach Berlin. Dieser Antrag sagt, was wir wollen und was wir nicht wollen.

Wenn die Damen und Herren dort Mut hätten, dann würden sie springen. Ich bin gespannt, ob sie das gleich tun werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Rahmen der Beratung hat die Kollegin Miriam Staudte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Redebeiträge hier höre, kann ich nur feststellen und resümieren: Alles Misstrauen, was derzeit vorherrscht, haben Sie durch das, was Sie hier heute vorgetragen haben, bestätigt.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir alle wissen: Es gibt kein Thema in der niedersächsischen und in der bundesdeutschen Politik, bei dem wir so viel Verantwortung - für 35 000 Generationen - übernehmen müssen. Ich glaube, das macht noch einmal deutlich, dass das ein Thema ist, bei dem man sich mit den Sachargumenten befassen muss und bei dem man hier keine parteipolitische Effekthascherei betreiben sollte, Herr Birkner.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Diese Zeiträume verlangen vor allem eines: Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit.

Sorgfalt bedeutet in unserem Fall, dass wir uns über das Kleingedruckte in diesem Gesetzentwurf unterhalten müssen. Sie machen da einen Denkfehler, Herr Birkner. Es wurden Eckpunkte vereinbart. Das Problem ist nur, dass das BMU immer ganz andere Dinge in die Gesetzentwürfe hineinschreibt. Deswegen muss verhandelt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Es ist schon angesprochen worden: Es sollte uns natürlich stutzig machen, wenn sich die großen Umweltverbände - BUND, IPPNW, Greenpeace -, 17 regionale Initiativen und 70 örtliche Initiativen nicht an dem Symposium, an dem Forum am Wochenende beteiligen wollen, weil sie sagen: Dieser Gesetzentwurf kann noch keine Grundlage sein.

Mit Ihrem Antrag wollen Sie einen Blankoscheck ausstellen. Das wäre an dieser Stelle definitiv nicht das Richtige.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Am meisten wird tatsächlich über die Castorfrage diskutiert. Dazu steht nichts im Gesetzentwurf. Herrn Thümler interessiert es scheinbar nicht; er möchte - - - Herr Bäumer hat es bestätigt: Die Castoren sollen weiter nach Gorleben. - Vereinbart wurde etwas anderes. Das sollten eigentlich auch Sie wissen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zurufe von der SPD)

Rechtsverbindlich ist die Frage der Castoren erst dann geklärt, wenn erstens andere Bundesländer sich bereit erklären, auch Castoren zurückzunehmen - das haben bisher, wie gesagt, nur rot-grüne Bundesländer gemacht -, wenn zweitens aber auch die Betreiber der Zwischenlager Änderungen der Genehmigungen beantragen - die Bundesländer können nur die Genehmigungen erteilen, aber nicht selber die Anträge darauf stellen - und wenn drittens wirklich abgesichert ist, dass keine Castoren mehr nach Gorleben gefahren werden. Das ist letztendlich nur abgesichert, wenn die Atomwirtschaft die Einlagerungsgenehmigungen für Gorleben zurückgibt. Sonst könnte es sein, dass es zwar andere genehmigte Standorte gibt, dass man aber den Müll weiter nach Gorleben fährt, weil man auf seinen Rechtstitel nicht verzichten möchte.

Das sind enorme Probleme. Bundesumweltminister Altmaier ist bisher schuldig geblieben, hier irgendeine Art von Lösung aufzuzeigen.

(Björn Thümler [CDU]: Klar! Das ist am einfachsten!)

Ich möchte einmal ein bisschen ins Inhaltliche gehen. Zum Beispiel steht nirgends im Gesetzentwurf eine Mindestanzahl der zu erkundenden Standorte. Alle sprechen immer von einer vergleichenden Suche. Aber die fünf obertägigen und zwei untertägigen Standorte finden sich lediglich in der unverbindlichen Kostenkalkulation, aber nicht im Gesetzestext. Das ist schon ein ziemliches Problem.

Es wird immer wieder gesagt: Gorleben ist gesetzt, und der Standort wird gleichbehandelt. - Das Planfeststellungsverfahren läuft noch, und im Entwurf steht auch, dass die Daten, die bei der Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben, VSG, erhoben wor

den sind, gesichert und weiterverwendet werden sollen. Das Problem ist aber, dass diese Vorläufige Sicherheitsanalyse von den Gorlebenbefürwortern um Herrn Bruno Thomauske erstellt worden ist. Das ist keine Sicherheitsanalyse - das Wort hört sich erst einmal gut an -, sondern eine beschönigte Realisierungsstudie.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir müssen feststellen, dass die Entscheidungswege total umstrukturiert werden sollen. Es soll zu einer Zentralisierung bei dem neu zu gründenden Bundesamt für kerntechnische Entsorgung kommen. Die Länderkompetenzen sollen an den Bund übergehen. Statt die vereinbarte ausgewogene Balance zwischen Regulator und Operator, von der immer die Rede war, also zwischen dem BfS als Vorhabensträger und dem BKE - ich weiß nicht, ob diese Abkürzung schon gängig ist -, zu schaffen, findet eine absolute Konzentration bei dem neuen Bundesamt statt. Das ist - wir wissen, wie wichtig Gewaltenteilung ist - sehr problematisch, insbesondere in Kombination mit der Abgabe von Länderkompetenzen.

In Loccum wurde sehr intensiv über viele Punkte diskutiert. Da waren viele Antiatomaktivisten. Da waren aber auch Wissenschaft und Forschung. 120 Leute haben drei Tage intensiv an diesem Thema gearbeitet. Da wurde u. a. gesagt: Die Zusammensetzung der Kommission - Herr Bosse hat sie eben angesprochen - ist alles andere als optimal. Sie ist sehr politiklastig. Die Hälfte der Mitglieder sollen Politiker sein, aber nur zwei oder vier Wissenschaftler. Diese Kommission soll jedoch wissenschaftliche Kriterien erarbeiten. Ich finde, wir brauchen viel mehr Zivilgesellschaft und viel mehr Wissenschaft in dieser Kommission.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Der Antrag der FDP wird in seiner Schlichtheit den komplexen Fragen - nur einen Bruchteil habe ich hier angerissen - überhaupt nicht gerecht. Wir brauchen einen wirklichen Neuanfang. Den haben CDU und FDP in den letzten 36 Jahren konsequent verhindert, und sie verhindern ihn immer noch. Man muss auch einmal die ganze Begleitmusik zu dem Gesetzentwurf wahrnehmen. Im Abschlussbericht zum Gorleben-PUA schreiben CDU und FDP:

„Auch die Entscheidung für den Salzstock Gorleben als Erkundungsstandort für ein

mögliches Endlager im Jahr 1977 ist nachvollziehbar, schrittweise und nach wissenschaftlich abgesicherten Kriterien erfolgt. Sie entsprach nicht nur dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik, sondern war auch aus heutiger Sicht geradezu beispielhaft und fortschrittlich.“

Ich muss sagen: Dazu fällt mir nichts mehr ein.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zu diesem Redebeitrag der Fraktion der Grünen liegt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention von der FDP-Fraktion vor. Ich erteile Herrn Dr. Birkner für 90 Sekunden das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Staudte, das, was Sie hier vorgetragen haben, war in der Tat sehr informativ.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist immer so, wenn sie spricht!)

Denn es zeigt, dass Sie den Konsens, den der Ministerpräsident hier noch vor einem Monat gefeiert hat - ich erinnere an das Zitat: Die Einigung von Berlin ist der größte Erfolg, den das Wendland und damit Niedersachsen in 35 Jahren erzielt haben - und der im letzten Plenum von der rot-grünen Seite hochgelobt wurde, in ganz wesentlichen Punkten eben doch infrage stellen.

Es fängt bei der Mindestanzahl der zu erkundenden Standorte an. Das war schon am 9. April bei der großen Einigung, für die sich die Herren in Berlin und hier haben feiern lassen, bekannt. Das Gleiche gilt für die Frage, was mit der Vorläufigen Sicherheitsanalyse ist. Und es gilt am Ende auch für die Frage der Kommissionszusammensetzung.

Jetzt kommt Rot-Grün und stellt das alles infrage. Herr Weil, ich kann Ihnen zumindest für die FDP zusichern - bei der CDU bin ich ganz optimistisch -: Wir werden Ihnen gerne die Mehrheit hierfür verschaffen. Mit Rot-Grün werden Sie Ihre Positionierungen in dieser Frage hier in Niedersachsen nicht durchsetzen können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte erwidern. Frau Staudte, Sie haben das Wort.

Sie bestätigen im Prinzip das, was ich gerade gesagt habe. Es geht Ihnen hier um parteipolitische Effekthascherei und nicht darum, sich wirklich an den Inhalten abzuarbeiten. Positionieren Sie sich dazu einmal!

Was heißt hier: „Sie halten sich nicht an Verabredungen.“? - Zwischen Bund und Ländern ist vereinbart worden, dass die Castoren woandershin sollen. Heute hören wir hier: Nein, sie sollen doch wieder nach Gorleben. - Hier wird die Verabredung nicht eingehalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ich lese Ihnen einmal vor, was der Bürgermeister von Philippsburg gesagt hat:

„Wir werden von hieraus generalstabsmäßig die Demonstrationen vorbereiten. Das Wendland wird nichts dagegen sein. Irgendwann ist Schluss.“

Sie sollten einmal mit Ihren Kollegen reden, und die CDU-Kollegen sollten z. B. mit dem Bürgermeister von Philippsburg reden. Das wäre einmal hilfreich.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Umweltminister Wenzel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bäumer, Herr Birkner, wir führen hier heute in der Tat eine sehr aufschlussreiche Diskussion.

Ich will einmal an die Landtagsentschließung vom 8. November 2012 - also Ende letzten Jahres - erinnern. Damals hat der Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP beschlossen, dass weitere Transporte von Castorbehältern mit radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung in das Transportbehälter Gorleben zu vermeiden sind.

Heute erklärt Herr Bäumer hier, das sei eine ideologische Position. Meine Damen und Herren, das ist Beschlusslage des Landtages!