Protokoll der Sitzung vom 30.05.2013

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meiner Frage im Rahmen des letzten Tagesordnungspunkts habe ich sinngemäß eine Aussage des damaligen Abgeordneten Stefan Wenzel wiedergegeben, die im Laufe der weiteren Debatte dann auch mehrfach wörtlich zitiert worden ist. In seiner Antwort hat Umweltminister Stefan Wenzel mir unterstellt, aus dieser Aussage sei eine Aufforderung zum Rechtsbruch ersichtlich.

Ich möchte hier darauf hinweisen, dass ich seine damalige Aussage lediglich sinngemäß wiedergegeben, sie mir aber nicht zueigen gemacht habe. Wie er selbst seine Aussage einschätzt, mag ihm überlassen sein. Aber ich persönlich weise den Vorwurf des Aufrufs zum Rechtsbruch entschieden zurück.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der Inhalt dieser persönlichen Bemerkung entsprach exakt dem, was die Geschäftsordnung für diesen Fall hergibt. Wir nehmen das zur Kenntnis und zu Protokoll.

Ich weise darauf hin, dass es im Rahmen der turbulenten Nachfragesituation bei diesem Tagesordnungspunkt auch Äußerungen von Kolleginnen und Kollegen gegeben hat, die mit dem Ablauf vielleicht nicht so ganz zufrieden waren. Dafür haben wir Verständnis. Unter anderem kam der Hinweis, dass in der Rede der Kollegin Korter ein eigentlich ordnungsrufnotwendiger Redebestandteil enthalten war. Das hat das Präsidium so nicht empfunden. Ich sichere Ihnen aber zu, Herr Nacke, dass ich das vorläufige Protokoll über Tagesordnungspunkt 15 b sehr genau lesen werde. Sollte dieser Hinweis zutreffen, besteht immer noch die Möglichkeit eines nachträglichen Ordnungsrufs. Ansonsten werden solche Dinge durch Nachfrage im Ältestenrat geklärt. Ich sehe dazu im Moment aber keinen Anlass.

Ich appelliere noch einmal an alle, selber dazu beizutragen, dass es bei den berechtigten fünf Nachfragen der Fraktionen nicht zu einer Situation kommt, in der der Sitzungsvorstand eingreifen muss. Halten Sie sich bitte an das, was die Geschäftsordnung sagt: Die Nachfragen müssen zur Sache gehören, sie müssen präzise sein, und sie müssen ohne Vorbemerkung gestellt werden.

Nun kommen wir zu Tagesordnungspunkt 15 c:

c) Libeskind-Bau der Leuphana Universität Lüneburg - Ein Prestigeprojekt mit unsauberen Finanzierungstricks und unkalkulierbaren Risiken? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 17/199

Diese Frage wird eingebracht von der Kollegin Dr. Andretta. Ich erteile ihr das Wort.

(Björn Thümler [CDU]: Wie war das gerade mit der Ausschussunterrich- tung?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf dem Lüneburger Universitätscampus soll ein rund 58 Millionen Euro teures Audimax gebaut werden, geplant vom Stararchitekten und Leuphana-Professor Daniel Libeskind. Das ambitionierte Bauvorhaben, das nahezu zu 100 % aus öffentlichen Mitteln finanziert werden soll, hatte in der Vergangenheit immer wieder Anlass zu kritischen Nachfragen gegeben, sowohl die Finanzierung des Projektes als auch die Transparenz der Planungen und die Zeitplanung betreffend.

Die derzeitige Verzögerung beim Baufortschritt wird etwa auf ein halbes Jahr geschätzt. Zudem führte der Niedersächsische Landesrechnungshof bereits 2011 eine Prüfung des geplanten Zentralgebäudes der Leuphana Universität durch und beanstandete die fehlende Auskunftsbereitschaft der Universität sowie nicht ausgeräumte Finanzierungsrisiken des Bauvorhabens (vgl. Prüfungsmit- teilung vom 19. Juli 2011).

Nun legten die Prüfer eine weitere Prüfmitteilung vor, über deren Ergebnis in der Presse bereits berichtet wurde (siehe u. a. Landeszeitung vom 13. April 2013, ndr.de vom 15. April 2013, HAZ vom 24. April 2013 und taz vom 3. Mai 2013). Danach sollen Gegenstand der Prüfung des Landesrechnungshofs die Vergabepraxis und Vertragsgestaltung der im Rahmen des ÖPP-Verfahrens

eingeholten umfangreichen Beratungsleistungen durch Dritte gewesen sein. Laut Presseberichten sollen sich bis heute allein 21 Berater- und Gutachterverträge auf 1,23 Millionen Euro summieren, wovon insbesondere das New Yorker Studio des Architekten Libeskind und das Planungsbüro eines Münchener Architekten und ehemaligen Geschäftspartners des Uni-Vizepräsidenten profitiert haben sollen (vgl. taz vom 3. Mai 2013).

Der Landesrechnungshof moniere insbesondere Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Beraterverträgen, indem bei mehreren Verträgen und Gutachten auf das Einholen von Vergleichsangeboten verzichtet wurde und durch Stückelung von Verträgen der Verdacht entstanden sei, dass vergaberechtliche Anforderungen, insbesondere in Verbindung mit EU-rechtlichen Vorschriften, umgangen werden sollten. Statt Verträge nach erprobten Musterverträgen, welche die üblichen Grundsätze für Gutachter- und Beratungsverträge abbilden, abzuschließen, seien von der Universität individuelle Verträge ausgehandelt worden, die viele Fragen offen ließen und die dem Landtag nicht gemeldet wurden. So sei nicht nachvollziehbar, welche Aufgaben Daniel Libeskind als Professor zu erbringen hatte und welche Leistungen zusätzlich durch 500 000 Euro für „baukünstlerische Beratung“ abgegolten werden sollten. Als Reaktion auf die kritische Berichterstattung über das Finanzgebaren der Universität hat die zuständige Ministerin bereits mehr Transparenz über Bau und Finanzierung des Audimax und Aufklärung über das Geschäftsgebaren der Universität zugesagt.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wer kommt für die Finanzierungsrisiken des neuen Zentralgebäudes durch fehlerhaft durchgeführte Vergabeverfahren, Deckungslücken infolge nicht erzielter Veräußerungserlöse für universitätseigene Liegenschaften und Verzögerungen beim Bau des Zentralgebäudes auf?

2. Welche konkreten Maßnahmen hat die Landesregierung bereits ergriffen bzw. wird sie ergreifen, um an der Universität Lüneburg die EURechtskonformität bei Ausschreibungen sicherzustellen, ein wirksames Finanzcontrolling der Hochschule im Allgemeinen und insbesondere für den Bereich des Innovationsinkubators im Rahmen der Fachaufsicht zu etablieren und eine wirksame Korruptionsprävention zu gewährleisten?

3. Durch welche konkreten Maßnahmen wird die Landesregierung sicherstellen, dass die Universität Lüneburg zukünftig ihrer Auskunfts- und Melde

pflicht gegenüber dem Landesrechnungshof und dem Landtag nachkommt und endlich Transparenz über Bau und Finanzierung des Audimax hergestellt wird?

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Andretta. - Für die Landesregierung antwortet die Wissenschaftsministerin Frau Dr. Heinen-Kljajić. Sie haben das Wort.

(Jens Nacke [CDU]: Warum haben Sie die Ministerin nicht erst einmal in die Fraktion eingeladen, wie Herr Wenzel das fordert? - Gegenruf von der SPD: Vielleicht sollten wir Frau Wanka einladen! - Weitere Zurufe)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zurufe - Unruhe)

Frau Ministerin, ich darf noch einmal unterbrechen. - Es ist zu Recht nach der Geschäftsordnung eine Frage gestellt und vorgetragen worden. Die Ministerin steht am Redepult, um die Frage zu beantworten.

Herr Kollege Nacke, wenn Sie meinen, man hätte anders damit umgehen können, dann müssen Sie das nicht laut im Plenum sagen. Dann können Sie das auch mit Ihrem Kollegen, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, besprechen. Wir verfahren hier nach der Geschäftsordnung des Landtages. Danach hat jetzt nicht das Plenum das Wort, sondern die Frau Ministerin. - Bitte!

(Beifall bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Das ist Herrn Wenzels Forde- rung gewesen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Universität Lüneburg hat nach der Fusion mit der Fachhochschule Nordostniedersachsen eine umfassende Neuausrichtung erfahren. Zur Neuausrichtung der Universität gehört als ein wesentlicher

Aspekt die Schaffung eines zentralen Standortes am Campus Scharnhorststraße. Im Mittelpunkt der Campusplanung steht die Errichtung eines neuen Zentralgebäudes mit Auditorium Maximum.

Ziel des Präsidiums ist es, die Hochschuleinrichtung an einem Standort zu konzentrieren und dafür einen architektonischen Mittelpunkt zu errichten. Der Landesrechnungshof hatte im Jahr 2011 in einem ersten Teil das Finanzierungskonzept für den Zentralbau im Zuge der bisherigen Projektrealisierung geprüft. Er kam im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass das Konzept aus seiner Sicht als nicht gesichert angesehen werden kann. Hauptkritikpunkte waren dabei insbesondere, dass Verwertungserlöse aus Liegenschaftsverkäufen der Stiftung Leuphana als unrealistisch eingeschätzt wurden. In einer zweiten Prüfmitteilung vom 13. März 2013 bemängelt der Landesrechnungshof zudem, dass die Hochschule bezüglich der Beratungsverträge ihrer Meldepflicht gegenüber dem Land nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, vergaberechtliche Anforderungen und Musterverträge des Landes nicht hinreichend beachtet sowie einzelne Auftragnehmer durch besondere Zahlungsmodalitäten und nicht nachvollziehbare Vergütungen begünstigt habe.

Das MWK wird zu den Punkten der Prüfmitteilung, die im eigenen Entscheidungsbereich des MWK oder in den Bereichen, in denen die Leuphana als Stiftung eigenständig tätig geworden ist, aber dem MWK die Überwachung obliegt, Stellung nehmen.

Am 5. Oktober 2010 leitete das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF eine Untersuchung im Zusammenhang mit dem Bau des Zentralgebäudes der Leuphana Universität Lüneburg ein. Es sollten mögliche Verletzungen von Ausschreibungspflichten bei der Auftragsvergabe für Architektenleistungen, mögliche Unregelmäßigkeiten in Ausschreibungsverfahren, die zweckmäßige Verwendung der Fördermittel in Bezug auf geförderte Flächen und mögliche Interessenkonflikte der handelnden Personen überprüft werden. Mögliche Beanstandungen werden von der Generaldirektion Regionalpolitik der Europäischen Kommission bewertet und können zu einer Finanzkorrektur bzw. zu Sanktionen führen.

Der Landesregierung liegt nun seit Dienstagnachmittag ein vertraulicher Vorabbericht vom OLAF dazu vor. Nach einer ersten Einschätzung sind finanzielle Konsequenzen zu erwarten. Die offizielle Fassung wird in Kürze eintreffen. Sobald dieser autorisierte Abschlussbericht eingegangen ist, wird

die Landesregierung diesen bewerten. Sobald die Generaldirektion der Europäischen Kommission auf dieser Grundlage entschieden hat, wird die Landesregierung dazu Stellung beziehen. Das MWK wird zudem prüfen, inwieweit es Versäumnisse bei der Hochschulleitung, dem Stiftungsrat oder auch im Rahmen der Aufsicht gegeben hat. Der Landesregierung ist in diesem Zusammenhang an größtmöglicher Transparenz gelegen - selbstverständlich unter Würdigung aller schutzwürdigen Interessen.

Es gibt eine weitere neue Entwicklung. Nach derzeitigem Stand hat es beim Bau des Zentralgebäudes Verzögerungen gegeben. Am 15. April 2013 hat die Leuphana beim MWK einen Änderungsantrag eingereicht, der mit Schreiben vom 6. Mai 2013 aus formalen Gründen zurückgewiesen wurde. Das Wissenschaftsministerium fordert in dem Schreiben zudem nachvollziehbare Begründungen für die Verzögerung und die Beteiligung des Stiftungsrates.

Das Präsidium hat kürzlich mitgeteilt, dass es einen Nachfinanzierungsbedarf aufgrund von Mehrkosten durch Verzögerungen und Preisindexsteigerungen geben werde.

Vor diesem Hintergrund habe ich entschieden, die Begleitung und Kontrolle des Bauvorhabens gemeinsam mit dem Stiftungsrat zu intensivieren. Ziel dieser Maßnahme ist es, eine positive Entwicklung der Hochschulen zum Wohle der Studierenden, der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie der Bediensteten der Leuphana Universität zu gewährleisten.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Es liegt in der Verantwortung der Universität Lüneburg als Stiftungsuniversität, eine ausreichende Risikovorsorge für ihre eigenen Bauplanungen zu treffen.

Zu 2: Das Finanzcontrolling der Universität liegt in ihrer eigenen Verantwortung. Die Universität unterliegt dabei selbstverständlich den gesetzlichen Vorschriften und den damit verbundenen Pflichten und Verfahren. Dazu gehört zum Beispiel die ordnungsgemäße Wirtschaftsführung, die von externen Wirtschaftsprüfern im Rahmen der Jahresabschlussprüfung alljährlich testiert und dem Stiftungsrat vorgelegt wird. Der Stiftungsrat als Organ der Stiftung steht seinerseits unter der Rechtsaufsicht des MWK. Das MWK kann in dieser Funktion jederzeit Auskunft verlangen und sich Unterlagen

vorlegen lassen. Außerdem kann das Wissenschaftsministerium rechtswidrige Maßnahmen der Stiftung beanstanden und ihre Aufhebung oder Änderung verlangen. Zudem ist die Stiftung bei der Ausübung der Rechtsaufsicht über die Hochschule an die Weisungen des MWK gebunden.

Erst im Jahr 2012 wurden Schritte zu einer stärkeren Kontrolle eingeleitet. So wurde eine Kanzlei beauftragt, das Land zu beraten. Konkreter Inhalt der Beratungsleistung war die Überprüfung der Rohbauausschreibung von der Veröffentlichung bis zur Zuschlagserteilung auf Einhaltung aller infrage kommenden Rechtsvorschriften. Die Hochschule wurde im Oktober 2012 darauf hingewiesen, dass Sachverständigen- und Beraterleistungen unabhängig vom Auftragswert einzeln angezeigt werden müssen, einschließlich der Zusatzaufträge.

Zur Steuerung des Großprojekts „Innovationsinkubator Lüneburg“ haben die Landesregierung und die NBank im August 2012 ein Finanzcontrolling auf Grundlage der Vorschriften zur EU-Förderung vereinbart. Dazu gehört auch die Prüfung einer ordnungsgemäßen Vergabe von Leistungen im Vorfeld der Mittelauszahlung. Die NBank erstellt für das Wissenschaftsministerium, das Wirtschaftsministerium und die Staatskanzlei monatlich eine Übersicht über den Status der Teilmaßnahmen dieses Großprojektes.

Die Landesregierung hält jedoch aufgrund der aktuellen Entwicklung eine engere Begleitung des Innovationsinkubators und des damit verbundenen Bauprojektes der Leuphana Universität Lüneburg für dringend erforderlich. Sie erwartet vom Stiftungsrat ein umfassendes Controlling. Dies wurde in Gesprächen mit dem Stiftungsratsvorsitzenden und mit dem Präsidenten und dem hauptamtlichen Vizepräsidenten der Universität bereits geklärt. Ziel ist die Einrichtung eines Stiftungsausschusses Controlling unter Einbindung externen Sachverstandes. Die Vertretung des Landes im Stiftungsrat wird entsprechende Initiativen unterstützen bzw. einfordern.

Darüber hinaus wird die Landesregierung die Bauausführung des neuen Zentralgebäudes künftig durch das Wissenschaftsministerium und die Oberfinanzdirektion baufachlich deutlich enger begleiten, ohne dabei in den Verantwortungsbereich der Stiftungsuniversität einzugreifen.

Sollten sich dann, wenn der OLAF-Bericht sowie die Entscheidung der Generaldirektion Regio vorliegen, weitere Schritte als notwendig erweisen,

wird die Landesregierung diese umgehend einleiten.

Zu 3: Die Landesregierung ist der Auffassung, dass mit den unter 2) beschriebenen Maßnahmen deutlich mehr Transparenz erreicht wird. Die Landesregierung wird darauf hinwirken, dass alle Auskunfts- und Meldepflichten auch gegenüber dem Landtag und dem Landesrechnungshof durch die Hochschule zukünftig vollumfänglich erfüllt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)