Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

(Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann übernimmt den Vorsitz)

Auch in Kunst und Kultur wird das Thema „Migration und Flüchtlinge“ in den nächsten Jahren eine große Rolle spielen. Die Öffnung unserer kulturellen Angebote ist zentrales kulturpolitisches Ziel dieser Landesregierung. Dabei verstehen wir die Gewinnung neuer Publikumsschichten nicht als Gebrauchsanweisung für den etablierten Kulturbetrieb. Vielmehr geht es darum, Kultur als einen Ermöglichungsort zu gestalten, an dem sich Menschen mit unterschiedlichen Biografien begegnen und austauschen können.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, brauchen Kunst und Kultur öffentliche Mittel. Diese öffentliche Förderung - dieser kleine Exkurs sei mir doch erlaubt - bekommen sie auch, um jenseits des Mainstreams durchaus auch verstörende oder unbequeme Formate anzubieten. Die künstlerische Freiheit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sollten wir als demokratische Parteien gemeinsam verteidigen, wir müssen aber nicht gleich die Zensurkeule schwingen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Frau Ministerin, Herr Dr. Siemer würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Die lassen Sie zu?

Bitte, Herr Dr. Siemer!

(Zuruf von den GRÜNEN: Aber bitte eine aktuelle Frage!)

Vielen herzlichen Dank für die Möglichkeit, eine kurze Zwischenfrage zu stellen. - Obwohl die Oper „Der Freischütz“ noch nicht lange läuft, möchte ich Ihnen die Frage stellen, wie Sie die Reaktion der Kulturschaffenden auf die Kritik empfinden, die ihnen entgegengebracht wurde.

Frau Ministerin, bitte!

Ich finde vor allen Dingen - dafür sind wir als Politiker verantwortlich -, dass wir in solchen Situationen darauf achten sollten, wie wir kommunizieren und welche Wörter wir wählen. Es ist absolut legitim, zu sagen: Ich finde eine bestimmte Aufführung oder eine bestimmte Inszenierung schlecht, unmöglich, nicht erträglich - wie auch immer.

(Volker Bajus [GRÜNE]: Ja, natürlich! - Helge Limburg [GRÜNE]: Ja, klar!)

Ich finde übrigens unbedingt, dass wir darüber auch hier im Parlament oder an anderen öffentlichen Orten reden und gerne auch streiten können.

Das Einzige - wirklich das Einzige -, wogegen ich mich verwehre - - -

An dieser Stelle interessiert mich das als Mitglied dieses Landtags, weniger als zuständige Ministerin: Wie verhalten wir als Parlamentarier und Parlamentarierinnen uns in dieser Frage,

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

unabhängig davon, ob auf der einen oder anderen Seite vielleicht auch Formulierungen oder Vorwürfe gewählt werden, die ich mir selbst niemals zu eigen machen würde?

Ich finde, wir haben die Pflicht und die Verantwortung, zur künstlerischen Freiheit zu stehen. Das scheint mir an diesem Punkt nicht in jedem Falle wirklich gewährleistet zu sein. Da würde ich dringend zur verbalen Abrüstung raten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich war bei den Einrichtungen der freien Kultur stehen geblieben. Ich freue mich, dass wir für unsere großen und kleinen Kultureinrichtungen insgesamt einen Aufwuchs um 7,6 Millionen Euro erreichen konnten.

Für unsere drei Staatstheater in Braunschweig, Hannover und Oldenburg haben wir Verpflichtungsermächtigungen für die Jahre 2016 bis 2019 erreichen können. Damit werden mehrjährige Zielvereinbarungen möglich, die den Theatern langfristige finanzielle Planungssicherheit geben. Das sei einmal gesagt: Damit sind sie in einer finanziellen Situation, wie sie nur wenige Häuser in Deutschland haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Es ist uns gelungen, all die Maßnahmen zu verstetigen, für die 2015 zunächst nur einmalig Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Dazu gehören u. a. die Mittel für die kommunalen Theater, die Mittel für die Produktions- und Spielförderung der freien Theater und die Mittel für die Landesarbeitsgemeinschaft Jugend und Film.

Auch in diesem Jahr haben die Regierungsfraktionen bei Kunst und Kultur ein deutliches Zeichen gesetzt: Die Gelder für die kommunalen Theater werden weiter angehoben, die freien Theater erhalten Mittel für die Spielstättenförderung, und die Deutsche Rockmusik Stiftung erhält Mittel für Übungsräume, Equipment und Technik.

An dieser Stelle - auch diese Bemerkung sei mir erlaubt - kann ich Ihre Empörung gar nicht verstehen. Dass man in einem Flächenland auch für Infrastruktur für Rock- und Popmusik sorgt, ist, finde ich, eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber Sie sehen es anders.

Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch die Landeszentrale für politische Bildung ansprechen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Gute Sa- che!)

Demokratie ist verletzlich. Sie muss immer wieder erlernt und verteidigt werden.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ja!)

Mit dem Haushalt 2016 korrigieren wir einen Kardinalfehler der alten Landesregierung. Wir bauen eine neue Landeszentrale für politische Bildung auf, die den aktuellen politischen, aber auch den demokratischen Herausforderungen gerecht wird, die vernetzt, koordiniert und eigene Akzente setzt. Es handelt sich also sicherlich um eine Landeszentrale neuen Formats.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die wehrhafte Demokratie braucht bekanntermaßen den Schulterschluss aller demokratischen Parteien. Deshalb würde ich mir wünschen - auch wenn ich weiß, dass die Oppositionsfraktionen die Ansätze für die Landeszentrale konsequent gestrichen haben -, dass diese neue Landeszentrale von breiter Unterstützung aus diesem Haus getragen wird.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass Demokratie, Kultur und Wissenschaft in Niedersachsen auch in Zukunft stark aufgestellt sind! Mit diesem Haushalt für Wissenschaft und Kultur schaffen wir beste Voraussetzungen dafür.

In diesem Sinne möchte ich mich bei Ihnen allen für die gute Zusammenarbeit im letzten Jahr bedanken. Auch wenn wir in Einzelfragen naturgemäß immer wieder unterschiedliche Positionen vertreten, ist die Zusammenarbeit im Ausschuss, zumindest wie ich sie erlebt habe, immer sehr angenehm gelaufen.

Genießen Sie die Weihnachtsferien und kommen Sie gut ins neue Jahr!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die CDU-Fraktion hat nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung zusätzliche Redezeit beantragt. Weil die Landesregierung ihre Redezeit überzogen hat, bekommt der Abgeordnete Dirk Toepffer von mir für vier Minuten die Gelegenheit zu sprechen. Bitte schön, Herr Kollege!

Frau Ministerin, das Stichwort „verbale Abrüstung“ treibt mich nun doch noch einmal an diese Stelle. Da kann ich nicht still sitzen bleiben; das muss ich Ihnen sagen.

Auch ich bin der Meinung, dass Kultur durchaus provozieren soll. Natürlich ist es richtig, dass wir nicht das Recht haben, zu sagen, wie Kultur zu arbeiten hat. Zensur ist ein ganz schlimmer Vorwurf.

Aber wenn man durch Provokation in der Kultur etwas erreichen will, dann muss man sich als Künstler auch einmal die Frage stellen: Was ist das eigentlich für ein Publikum, vor dem ich da sitze? Was sind das für Menschen, die da vor mir sitzen? Was erwartet dieses Publikum? Ich muss mir die Frage stellen: Was ist das für eine Stadt, in der ich auftrete und inszeniere? Das ist eine ganz wichtige Grundvoraussetzung, wenn man erfolgreich transportieren will.

Da zitiere ich jetzt einmal aus dem Schriftwechsel zwischen Voxi Bärenklau, der das Ganze in Hannover inszeniert hat, und dem kulturpolitischen

Sprecher der CDU-Ratsfraktion in Hannover. Da schreibt Herr Bärenklau Folgendes:

„In diesem Sinne freue ich mich … an der Staatsoper Hannover offensichtlich einen nicht belanglosen … Diskurs ausgelöst zu haben, der mit dieser Form Ihrer Empörung … nur in einer tief dumpfen und braunen Provinz stattfinden konnte.“

(Lachen bei der CDU)

Frau Ministerin, wer so über meine Heimatstadt denkt, der kennt weder Hannover noch die Menschen, die hier leben, und der kann hier eben nicht erfolgreich inszenieren. Das ist das Problem.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)