Das Gleiche gilt für die Flüchtlingssozialarbeit, die wir massiv ausweiten, die Anerkennungsberatung des IQ-Netzwerkes oder das Sonderprogramm „Sprachförderung für Erwachsene“ in bestehenden Strukturen der Erwachsenenbildung dezentral in der Fläche, die eine sprachliche und soziale Teilhabe ermöglichen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund greift der hier in der ersten Beratung vorliegende Gesetzentwurf bereits von der Stoßrichtung her zu kurz, da er dem landesspezifischen Ansatz zuwider läuft und in seiner Grundstruktur die Gefahr von Doppelstrukturen in sich birgt, für die wir als Land entsprechend der Subsidiarität und Konnexität aufkommen müssten.
Kommunal mag ein Integrationszentrum, wie es der originär zuständige Landkreis Goslar zu implementieren versucht, ein migrationspolitischer Weg im örtlichen Wirkungskreis sein. Für die Landesebene sehen wir allerdings die bereits im Bundesaufenthaltsgesetz geregelte Integration von Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben mit Hilfe von Integrationskursen durch ein niedersächsisches Integrationsgesetz auch in Anbetracht der von mir bereits dargestellten bestehenden Strukturen als obsolet an.
Ganz abgesehen davon müssen Sie zugeben, dass die Entstehungsgeschichte dieses Ausführungsgesetzes nicht einer gewissen Komik, wenn
nicht sogar Tragik entbehrt. Denn individuelle Integrationsvereinbarungen haben Sie bei der Integrationsfrontfrau Nummer eins der CDU, Julia Klöckner, abgekupfert. Wie ich vorhin schon erwähnte, strebt der Landkreis Goslar bereits seit längerer Zeit in seinem eigenen Wirkungskreis ein dem Namen entsprechendes kommunales Integrationszentrum an und hat sich durch das Agieren Ihres dortigen ortsfremden Hauptautors mit einer Doppelplanung solcher Zentren konfrontiert gesehen.
Da auch nach jahrelanger Erfahrung - genau genommen: zehn Jahre - offensichtlich immer noch Klärungsbedarf besteht, erlaube ich mir in diesem Zusammenhang, nochmals die Zuständigkeiten zu erläutern.
Für die dezentrale Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen, aber auch für die Bewilligung eines solchen Zentrums sind die Landkreise und kreisfreien Städte originär zuständig und nicht - ich erlaube mir, unseren Kollegen Dr. Saipa aus Goslar zu zitieren - „selbsternannte Integrationskenner, die sich ein neues Image geben wollen“.
Das in dieser Form vorliegende Integrationsgesetz betrachten wir, auch in Anbetracht der von mir bereits erwähnten landesseitig existierenden Instrumente, als obsolet.
Ich persönlich werde auch den Eindruck nicht los, dass man, nachdem man im Umfeld dieser Gesetzesgenese so viel Porzellan im Landkreis Goslar zerschlagen hat, den Landtag durch die Einreichung dieses Entwurfs öffentlichkeitswirksam zu instrumentalisieren versucht.
Aber ich denke, dass wir in der anstehenden Ausschussberatung genug Zeit haben werden, Herr Thümler, diesen Fragen auf den Grund zu gehen.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Pantazis. - Das Wort hat jetzt im Rahmen der Aussprache für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Filiz Polat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen von der CDU, seit einigen Wochen diskutieren wir über den Vorschlag, der auch auf Ihrem Bundesparteitag in Anlehnung an den Vorschlag von Julia Klöckner diskutiert wurde, Integrationsvereinbarungen unterschreiben zu lassen, Integration par ordre du mufti, von oben, zu verordnen, das Prinzip „Fördern und fordern“ bei dem Thema Integration wieder in den Mittelpunkt zu stellen.
An dieser Stelle, Herr Thümler, möchte ich festhalten: Wir alle wissen, dass die zahlreichen Menschen, die hierher kommen, sich nicht der Integration verweigern, sondern, im Gegenteil, alle von Anfang an - das werfen Sie uns in jeglicher Rede vor - einen Sprachkurs machen und am liebsten gleich am ersten Tag ein Jobangebot bekommen würden, um hier gleich das zurückzugeben, was sie in den ersten Tagen erfahren haben, nämlich sehr viel Herzlichkeit. Sie wollen den Menschen hier nicht auf der Tasche liegen, sondern sie wollen hier arbeiten und alles zurückgeben, was sie in den ersten Tagen an Investitionen von uns bekommen haben.
Ich möchte Ihnen nur einmal ein Beispiel nennen. Wir haben das Thema Integrationskurse gehabt, Herr Thümler. Uns vorzuwerfen, dass wir die Fehler der 60er- und 70er-Jahre nicht geheilt hätten, ist wirklich unverschämt.
Rot-Grün war es, die erste rot-grüne Bundesregierung, die Deutschland per Aufenthaltsgesetz zu einem Einwanderungsland gemacht hat. Wer hat denn die Integrationskurse etabliert? - Das war Rot-Grün! Wer hat die Migrationserstberatungsstellen in der Fläche ausgebaut oder überhaupt erst installiert? - Das war Rot-Grün! Wer hat den Migrationsdienst und das Netzwerk geschaffen? - Das war Rot-Grün! Wer hat Ausländerbehörden zu Integrationsbehörden gemacht? - Das war RotGrün, meine Damen und Herren!
Uns das hier vorzuwerfen! Wir gehen jetzt einen Schritt weiter und sagen: Die Integrationskurse müssen geöffnet werden, weil aufgrund der hohen Zahlen viele Menschen nicht schnell ihren Asylbescheid bekommen und teilweise je nach Herkunft ein Jahr, zwei Jahre in der Aufenthaltsgestattung
sind und somit von den Migrationserstberatungsstellen keine Beratung bekommen, keinen Zugang zu den Integrationskursen haben und keine Arbeitserlaubnis bekommen.
Was hat Rot-Grün in Niedersachsen gemacht? - Rot-Grün hat schon 1990 das System der Flüchtlingssozialarbeit etabliert. Dieses System, welches Sie abgebaut haben, bauen wir gerade wieder aus. Die Flüchtlingssozialberatungen sind genau für diejenigen geplant, die noch keinen Zugang zu den Migrationserstberatungsstellen haben, um nämlich dort die erste Beratung zu erfahren.
Rot-Grün hat hier noch einmal 5 Millionen Euro draufgelegt, meine Damen und Herren. Das ist eine Integrationspolitik, die weitsichtig ist und die sich an die bestehenden Gegebenheiten anpasst, meine Damen und Herren.
Wenn es um die Integration in den Arbeitsmarkt geht, jetzt sozusagen den Migrantinnen und Migranten vorzuwerfen, sie wollten nicht arbeiten: Ich empfehle Ihnen wirklich - - - Unser Landkreis ist sehr gut aufgestellt. Herr Kollege Martin Bäumer weiß es.
Wir haben schon ein Migrationszentrum. Die Bundesagentur für Arbeit, die Agentur für Arbeit in Osnabrück, hat ein 28-seitiges Papier herausgebracht. Daran sieht man einfach, wie bürokratisch das System der CDU ist, Menschen vom Arbeitsmarkt abzuhalten. 28 Seiten - da blickt keiner mehr durch! Wir wissen das aus den Verhandlungen im Bundesrat: Sie teilen die Menschen immer noch in erste, zweite und dritte Klasse ein, anstatt zu sagen, sie dürfen ein Praktikum machen.
Schon das ist eine Hürde für die Zuwanderinnen und Zuwanderer; denn auch dazu brauchen sie eine Erlaubnis, meine Damen und Herren. Da fängt es an. Die Integrationsverweigerer im Land sind Sie und nicht die Bürgerinnen und Bürger, die hier zuwandern.
(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Frau Polat, Sie re- den gerade über Politik der SPD-Ar- beitsministerin! Schauen Sie in Ihre eigenen Reihen!)
- Einen Moment, Herr Dr. Birkner! - Wenn sich alles beruhigt hat, erteile ich jetzt für die FDPFraktion dem Kollegen Dr. Stefan Birkner das Wort. - Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Polat und Herr Ministerpräsident, als wir die Diskussion über „Niedersachsen packt an!“ geführt haben, haben wir auch darauf hingewiesen, dass man im Parlament selbstverständlich auch Differenzen aushalten und sie ausdiskutieren muss. Aber das, was Sie, Frau Polat, hier gemacht haben, widerspricht dem Geist von „Niedersachsen packt an!“ in jeder Art und Weise, indem Sie ohne sachlichen Grund polarisieren.
Nehmen Sie die Dinge doch einmal ganz nüchtern! Es gibt von der größten Fraktion im Niedersächsischen Landtag einen Gesetzentwurf zu dem ganz zentralen Punkt der Integration. Ich meine, dass wir alle - auch die Regierungsfraktionen - uns damit ganz sachlich und nüchtern auseinandersetzen sollten, ohne zu polemisieren. Dass Sie dies gleich wieder in Angriffen formulieren, wird dem gemeinsamen Ziel, das wir formuliert haben, nämlich die Integration voranzubringen, überhaupt nicht gerecht.
Vor diesem Hintergrund bitte ich, hier etwas abzurüsten, die Dinge etwas nüchterner zu betrachten und hier nicht gleich emotional aus dem Ruder zu laufen.
Meine Damen und Herren, für mich gehört das in den Kontext dessen, was wir als FDP-Fraktion im März 2015 mit unserem Entschließungsantrag „Deine Chance, unsere gemeinsame Zukunft“ be
schrieben haben. Wir haben darin sehr umfassend ausgeführt, was wir für notwendig erachten, um die Herausforderungen, die gerade im Hinblick auf die Integration vor uns liegen, zu bewältigen.
Ich will einige Punkte wiederholen, weil man aus unserer Sicht nicht einen Punkt isoliert herausgreifen kann, sondern die Dinge im Zusammenhang sehen muss. Dazu gehört, dass wir am Ende ein Einwanderungsgesetz brauchen, in dem auch die Punkte, die jetzt hier angesprochen werden, mitgeregelt werden könnten. Das bleibt für uns natürlich ein zentraler Punkt, der unabdingbar ist und der zwingend umgesetzt werden muss.
Wir brauchen die verbesserte Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Wir wollen den Spracherwerb verbessern und unterstützen und die Asylverfahren und alle Verfahren, die damit einhergehen, beschleunigen und eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt erreichen. In diesem Kontext kann natürlich auch ein solcher Gesetzesvorschlag ein Beitrag sein, aus unserer Sicht sinnvolle Punkte aufzugreifen.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich hier der Ansatz des Förderns und des Forderns wiederfindet, weil es selbstverständlich ist, dass Integration beidseitig geschieht. Wir müssen als Gesellschaft von denjenigen, die zu uns kommen, die hier bleiben wollen und integriert werden sollen, fordern, und wir müssen sie aber auch fördern und in die Lage versetzen, den Ansprüchen, die man hier an sie stellt, überhaupt gerecht werden zu können. Deshalb begrüßen wir, dass dieser Grundsatz hier ausdrücklich festgeschrieben wird.
Meine Damen und Herren, auch das Ziel einer Integrationsvereinbarung, die als Idee nicht so neu ist, kann hierbei behilflich sein und ist daher dem Grunde nach zu begrüßen.
Wir begrüßen auch ausdrücklich, dass ein Anspruch der Ausländer auf integrationsbegleitende Kurse festgeschrieben wird. Das hat eine bestimmte, feste Rechtsqualität. Wir müssen uns allerdings erst einmal darüber Gedanken machen, ob die Ressourcen dafür vorhanden sind und ob wir überhaupt in der Lage sind, alles das, was wir schon haben und eigentlich anbieten wollen, zu realisieren. Wenn man einen Anspruch formuliert,