Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Die Betonung liegt auf „gemeinsam“!)

Die Nutztierhaltung hat ja auch deshalb ihre große Bedeutung in Niedersachsen, weil sie sich ständig einem veränderten Markt und auch den gesellschaftlichen Veränderungen gestellt hat. Wichtig ist es uns, darauf zu achten, dass die auch weiter nötigen Veränderungen auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Nutztierhaltung den schon seit Jahren vorhandenen deutlichen Strukturwandel nicht weiter beschleunigen. Wir wollen aber auch eine Abwanderung der Nutztierhaltung in Regionen mit niedrigeren Tierschutzstandards vermeiden.

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

- Wir sind uns einig.

Wir sind dem ehemaligen Landwirtschaftsminister Lindemann sehr dankbar, der diese Veränderungsnotwendigkeiten rechtzeitig erkannt und gegen den erheblichen Widerstand aus den eigenen Reihen den Tierschutzplan auf den Weg gebracht und uns damit eine gute Arbeitsgrundlage hinterlassen hat. Wir werden diesen Tierschutzplan konsequent und unter Mitwirkung der Branche weiter umsetzen. Die bereits getroffenen Vereinbarungen u. a. mit der Geflügelwirtschaft, mit den Verbänden der Schweinehalter oder mit dem Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland sind ein Beleg dafür, dass wir gemeinsam mit den Betroffenen ernsthaft daran arbeiten, die notwendigen Verbesserungen im Bereich der Tierhaltung auf den Weg zu bringen. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt hin zu einer besseren gesellschaftlichen Akzeptanz der Nutztierhaltung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir reden also nicht nur, wir handeln, und dies, meine Damen und Herren, ist sicherlich sehr viel wichtiger als die von Ihnen immer wieder versuchte, aber Gott sei Dank erfolglose Diskussion um Begrifflichkeiten und um eine angebliche Kampfrhetorik.

Die Förderung von baulichen und technischen Investitionen zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Betriebe und die Förderung einer artgerechten Tierhaltung sind Bestandteil der Förderung der landwirtschaftlichen Entwicklung durch das ELERProgramm. Es ist daher konsequent und logisch, dass die Investitionsfördermittel aus dem AFP bei der Investition in Stallanlagen aktuell schwerpunktmäßig auf die Förderung des Tierwohls ausgerichtet sind. Das hat übrigens auch der damalige

Landwirtschaftsminister Lindemann am 19. Januar 2012 schon gefordert.

Es ist auch in der Vergangenheit immer ein Wesensmerkmal der Ausgestaltung der AFPs gewesen, dass sie auf die jeweiligen Herausforderungen reagiert haben und einem stetigen Anpassungsprozess ausgesetzt waren. Von 2000 bis 2006 - einige mögen sich noch erinnern - bestand diese Förderung u. a. überwiegend in der Zinsverbilligung. Wir sind uns sicherlich einig, dass ein solcher Förderschwerpunkt angesichts des heutigen Zinsniveaus nicht besonders zielführend wäre.

In der letzten Förderperiode lag der Förderschwerpunkt der Investitionen im Bereich der Rindviehhaltung. Allein in den Jahren 2007 bis 2009 waren dies 75 % des gesamten geförderten Investitionsvolumens. Es wurde schon in der Halbzeitbilanz zu diesem Förderschwerpunkt im Dezember 2010 festgestellt, dass dieser Förderschwerpunkt, der die ungünstigen Strukturen in der Milchviehhaltung verbessern sollte - so die damalige Zielsetzung -, mit dazu beigetragen hat, dass die Milchproduktion in Niedersachsen einen deutlichen Strukturwandel durchlaufen hat. Mit dieser Förderung - so das Fazit der Halbzeitbilanz - konnten die geförderten Unternehmen, die ihre Produktionsmengen in der Regel ausgeweitet haben, ihre Marktanteile ausweiten. Das ist aber - auch das ist eine Erkenntnis aus 2010 - zulasten der mittelgroßen Betriebe gegangen.

Angesichts der aktuellen Entwicklung auf dem Milchmarkt nach dem Auslaufen der Quotenregelung wird niemand ernsthaft fordern wollen, dass wir diesen Förderschwerpunkt in der Gewichtung der letzten Förderperiode fortsetzen. Auch in der letzten Förderperiode sind bestimmte Maßnahmen aus gutem Grund nicht gefördert worden, wie u. a. Kapazitätserweiterungen im Bereich der Schweinemast und im Bereich der Geflügelmast. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Ich wollte daran nur deutlich machen, dass es damals eben nicht schon um pauschale Förderung, sondern um konkrete Schwerpunktsetzung gegangen ist.

Eine weitere Erkenntnis konnten wir aus den Förderschwerpunkten der letzten Förderperiode gewinnen: Obwohl Investitionen in die Ferkelerzeugung in dieser Zeit ausdrücklich gefördert wurden, ist in diesen Jahren der Marktanteil bei der Ferkelerzeugung deutlich zurückgegangen. Fakt ist daher, dass die Betriebserfolge der Vorjahre, die aktuelle Liquiditätslage aufgrund der guten Erzeugerpreise sowie die Erwartungen für die zukünfti

gen Perioden mehr als mögliche Förderprogramme eine wesentliche Rolle für die Investitionstätigkeit in der Landwirtschaft spielen. Das hat sich gerade auch in den Jahren 2009 und 2010 gezeigt.

Die Gutachter sind in ihrer Halbzeitbilanz sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass es in anderen Bundesländern mit einer geringeren Agrarinvestitionsförderung als in Niedersachsen in der gleichen Zeit nicht zu weniger Investitionen im Bereich der Landwirtschaft gekommen ist.

Zukünftig muss es also gerade besonders darauf ankommen, genau zu prüfen, ob die jeweilige Förderung eine notwendige Absicherung einer geplanten Finanzierung darstellt oder lediglich einen Mitnahmeeffekt bildet. Pauschale Förderungen nach dem Gießkannenprinzip, die die Gefahr beinhalten, dass sie durch eine Beeinflussung des Wettbewerbs den Strukturwandel sogar noch beschleunigen, darf es nach unserer Ansicht nicht geben.

(Beifall bei der SPD)

Die aktuellen AFP-Richtlinien fördern bei Stallbauinvestitionen die Innovationen in den Bereichen Umwelt, Klima und Verbraucherschutz und reagieren somit auf die aktuellen konkreten Herausforderungen.

Die Unternehmen, die bei ihren Vorhaben besondere Vorgaben des Tierwohls berücksichtigen, sollen ihre Mehrkosten auch deshalb gefördert bekommen, weil sie eine wichtige Pilotfunktion wahrnehmen. Wir können uns auch vorstellen, dass es an der einen oder an der anderen Stelle wie in der Vergangenheit noch zu einer Nachsteuerung bei den Förderrichtlinien kommt - aber sicherlich nicht im Sinne einer pauschalen Förderung von Kapazitätsausweitungen.

Schon im Jahre 2010 haben Wissenschaftler, u. a. Professor Windhorst und Professor Blaha aus Niedersachsen, darauf hingewiesen, dass die zunehmende Ausrichtung der Nutztierhaltung in Niedersachsen auf den Weltmarkt Erfolge bringen kann, aber auch erhebliche Risiken mit sich bringt - so wie wir es aktuell erleben. Auch auf die nicht monetären Risiken, die der Weltmarkt mit sich bringt, ist damals verwiesen worden. Gefordert wurde - jetzt zitiere ich zum letzten Mal, weil ich beim letzten Satz bin, den ehemaligen Minister Lindemann - „eine Entwicklung von der Kostenführerschaft zur Qualitätsführerschaft“.

Die derzeitigen AFP-Förderungen sind das geeignete Mittel, diesen Weg zu unterstützen und die Nutztierhaltung als bedeutenden Sektor der Ag

rarwirtschaft nachhaltig, umwelt- und tiergerecht in Niedersachsen auszubauen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollegin Geuter. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Hans-Joachim Janßen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen gewissen Erkenntnisgewinn kann man ja selbst bei Ihnen feststellen, meine Damen und Herren von der FDP. Aus der Überschrift „Diskurs über den Weg zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ spricht ja durchaus die Einsicht, dass die Nutztierhaltung derzeit eben nicht gesellschaftlich akzeptiert ist. Sonst müsste man sich ja nicht auf den Weg machen. Diese Erkenntnis, Herr Grupe, ist tatsächlich ein Fortschritt; denn sonst tun Sie ja so, als hätten Sie den Stein des Weisen schon gefunden.

Was allerdings nicht geht, ist, dass Sie bestimmen wollen, wie dieser Diskurs geführt wird. Die FDP quasi als Oberschiedsrichter einer gesellschaftlichen Debatte, der die rote Karte zeigt, wenn gesellschaftliche Gruppen die Situation mit Begriffen beschreiben, die Ihnen nicht gefallen!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

So geht das nicht, vor allem nicht für eine liberale Partei, die die Freiheit großspurig in ihrem Namen trägt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Helge Limburg [GRÜNE]: Rich- tig!)

Der Begriff „Massentierhaltung“ ist so ein Begriff, bei dem Sie die rote Karte zeigen wollen. Ich habe einmal im Duden nachgeschaut, was da unter „Massentierhaltung“ steht: „Massentierhaltung ist die technisierte Tierhaltung in Großbetrieben zur Gewinnung möglichst vieler tierischer Produkte.“

Ich weiß überhaupt nicht, was Sie dagegen haben. Das ist doch genau das, was Sie wollen, meine Damen und Herren von der FDP: technisiert“ und in Großbetrieben. Sie nennen das „moderne Tierhaltung“, ich nenne das „Massentierhaltung“. Darin unterscheiden wir uns nun einmal.

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Dass es den Tieren in großen Beständen automatisch schlechter geht als in kleinen, hat im Übrigen niemand behauptet. Auch kleine Tierbestände können natürlich schlecht gehalten werden; das ist keine Frage, und das haben wir auch nie bestritten.

Denn Probleme mit der Tierhaltung ergeben sich allein schon aus der Züchtung von Nutztieren. Sie ist auf Hochleistung und Intensivtierhaltung ausgelegt. Das bereitet auch in Bezug auf den Tierschutz erhebliche Probleme.

1960 betrug die Gewichtszunahme eines Hähnchens 20 g am Tag, heute liegt sie bei 70 g. Gerade die Brustmuskulatur ist besonders stark ausgeprägt. Das führt zu einer Verlagerung des Körperschwerpunkts und belastet das Skelett. Bis zu 90 % der Masthühner leiden unter Gelenkerkrankungen.

Oder schauen wir uns die Milchkühe an. Die Milchleistung einer Kuh hat sich in den letzten 50 Jahren verdoppelt, die Lebensdauer hat sich gleichzeitig halbiert. Auch das ist das Ergebnis einer auf Massentierhaltung ausgerichteten Züchtung, die oft zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führt, unabhängig davon, wo die Tiere gehalten werden.

Große Tierbestände auf engem Raum haben aber auch noch andere Probleme: mehr Emissionen von Ammoniak und Stäuben, oftmals auch ein für die Nährstoffverteilung ungünstiges Verhältnis von Tierbestand und Flächenausstattung eines Betriebes, einfach weil die vom einzelnen Betrieb bewirtschaftete Nutzfläche nicht immer in gleichem Maße angestiegen ist wie die Tierzahl. Nicht zu vergessen ist auch das Thema Antibiotikaeinsatz. Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Bestandsgröße und Antibiotikaeinsatz, gerade bei Mastschweinen. Das ist auch logisch: Der Keimdruck ist in größeren Beständen einfach höher.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Normalerweise!)

Meine Damen und Herren, zu Ihrer Forderung nach einer Aufstockung der Stallbauförderung. Darüber haben wir hier schon öfter diskutiert. Da gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen uns und Ihnen, und dazu stehe ich auch. Wir wollen die Mittel der zweiten Säule in erster Linie zur direkten Honorierung von Umwelt- und Tierschutzleistungen der Bäuerinnen und Bauern einsetzen. Das

gilt auch in der Stallbauförderung; Frau Geuter hat das gerade differenziert ausgeführt.

Sie hingegen wollen Ställe bauen und damit den Preisverfall und den Strukturwandel in der Landwirtschaft weiter beschleunigen. Das Ergebnis einer solchen Politik können wir gerade im Milchbereich beobachten. Um 5,6 % ist die Milchviehhaltung in Niedersachsen zwischen Sommer 2014 und Sommer 2015 angestiegen. Das können Sie im neuen Nährstoffbericht nachlesen, der letzte Woche veröffentlicht wurde. Das ist natürlich auch ein Ergebnis der von Ihnen so hoch gelobten Stallbauförderung der letzten Förderperiode. Folge: Die Bestände gehen hoch, die Milchmenge geht hoch, und die Preise gehen runter! Das ist übrigens Marktwirtschaft, meine Damen und Herren von der FDP.

Diese fatale Entwicklung wollen wir nicht. Dazu stehen wir auch. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag heute auch ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Janßen. - Jetzt hat sich Herr Grupe zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Es tut mir leid, aber es lässt sich nicht vermeiden.

Lieber Kollege Janßen, zu Ihrer Einleitung: Einen Diskurs über Fragen der Landwirtschaft haben wir schon immer eingefordert. Dabei haben wir nie behauptet, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Unsere Forderung war immer - ich habe das hier vielfach gesagt -, mit den Menschen etwas zu entwickeln, mit den Betrieben etwas zu entwickeln.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das wollen wir auch!)

Wir haben in unserem Land bestens ausgebildeten jungen Landwirte.

(Jörg Bode [FDP]: Genau!)