Protokoll der Sitzung vom 18.06.2013

Die Frage ist, ob man die Aufgabenaufteilung zwischen Ausschüssen und Parlament in der Form, in der wir sie bislang hatten, beibehält. Den Ausschüssen die eher technischen Diskussionen, das Sondieren von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, Unterrichtungen - das ist hier angesprochen worden -, aber auch die Klärung organisatorischer Fragen zu überlassen - das wurde bislang letzten Endes ohne die Herstellung einer Öffentlichkeit gemacht - und die Darstellung, den Austausch der unterschiedlichen Positionen für die Öffentlichkeit der Beratung hier im Parlament zu überlassen, ist an sich eine recht sinnvolle Aufteilung gewesen, die immer zu einer guten Arbeitsatmosphäre geführt hat.

Wenn man dann den Eindruck hat, dass hier im Parlament an der einen oder anderen Stelle die Ergebnisse vielleicht etwas lustlos präsentiert werden, dass die lebhafte Debatte, die eigentlich an dieser Stelle stattfinden sollte, wohl eher im Ausschuss stattgefunden hat, dann liegt das vielleicht nicht unbedingt an den Regeln und am Fehlen der Öffentlichkeit. Vielleicht liegt das eher daran, dass man seine Parlamentskultur etwas überwachen muss.

Ich will ein Beispiel dazu nennen, was mir immer mehr auffällt: Immer häufiger werden die Redebeiträge, die hier im Haus gehalten werden, unmittelbar, wenige Minuten später, per E-Mail, per Pressemitteilung der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

(Detlef Tanke [SPD]: Manche schi- cken schon vorher eine SMS! - Ge- genruf von Reinhold Hilbers [CDU]: Das geht nur bei Ihnen, Herr Tanke! - Anja Piel [GRÜNE]: Och, Kinder! - Glocke der Präsidentin)

Offenkundig werden vorher aufgeschriebene Reden abgelesen. Das ist einer Debattenkultur nicht unbedingt zuträglich!

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD)

- Das gilt nicht für jeden, Herr Kollege Watermann. Das räume ich gerne ein. Sie kommen, glaube ich, sogar immer ohne Zettel. Ganz hervorragend! Nur,

wenn man das ohne Zettel oder nur anhand von Stichworten macht, hat man überhaupt die Gelegenheit, auf den Vorredner einzugehen. Erst dann kann eine Debatte entstehen. Sie stehen für diese Kultur, Herr Kollege Watermann. Das will ich ausdrücklich einräumen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich finde aber, Herr Kollege Tonne, man sollte der Vorstellung nicht Vorschub leisten, in den Ausschüssen würden Absprachen stattfinden, dort würden Vereinbarungen, Deals oder Tricksereien, die vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden müssten, erfolgen. Das alles ist doch gar nicht der Fall. Das ist ins Reich der Fantasie zu schieben!

Ich bin froh, dass Sie bezüglich der Öffentlichkeit ein paar Anregungen der CDU-Fraktion aufgegriffen haben - herzlichen Dank dafür -, z. B. die Einschränkung von Filmaufnahmen; das finde ich gut, das ist soweit in Ordnung.

Wenn aber jetzt die Öffentlichkeit in den Ausschüssen dazu führt, dass Ausschussarbeit zukünftig von der Unart, nur noch für die Öffentlichkeit und weniger themenbezogen zu arbeiten, gesteuert wird, weil man sagt: „Ich muss im Ausschuss unbedingt noch etwas sagen, weil ich die Pressemitteilung schon vorbereitet habe, mit der ich bekannt geben will, dass ich das gesagt habe.“, dann werden wir in den Ausschüssen Probleme bekommen. Ich hoffe, dass die Öffentlichkeit nicht dazu führt.

(Beifall bei der CDU - Detlef Tanke [SPD]: Das habt ihr doch fünf Jahre lang so gemacht! - Weitere Zurufe von der SPD)

Im Ergebnis sind wir deswegen zu dem Schluss gekommen, dass wir die grundsätzliche Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen ablehnen wollen.

Aber ich will auch dazu sagen: Allein dieser Punkt hätte wohl nicht dazu geführt, dass wir die Geschäftsordnungsänderung insgesamt ablehnen.

Sie haben den zweiten Punkt angesprochen, Herr Kollege Tonne, nämlich die Bedeutung der Zählgemeinschaft. Ich sage es noch einmal deutlich: § 11 Abs. 2 Satz 3 lautet zukünftig:

„Die Ausschussmitglieder können sich auch durch sonstige Mitglieder ihrer Fraktion oder Zählgemeinschaft vertreten lassen.“

Damit wird in diesem Haus - das muss man klar so sagen - das Prinzip der Spiegelbildlichkeit in den Ausschüssen aufgegeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Verteilung der Mandate hier im Hause - zwei große Fraktionen, zwei kleine Fraktionen -, die wir in den Ausschüssen immer spiegelbildlich aufrechterhalten haben, wird jetzt aufgegeben.

Das verknüpft mit öffentlich tagenden Ausschüsse, in denen der Eindruck erweckt werden kann, es gebe bestimmte Regierungsfraktionen in diesem Hause nicht, weil sie einfach von Mitgliedern einer anderen vertreten werden, entspricht nicht dem Wahlergebnis. Das entspricht auch nicht dem Gebot der Transparenz. Ich halte das für nicht machbar. An dieser Stelle sollten Sie sich eines Besseren belehren lassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dass die Bildung einer Koalition nicht automatisch zu gleichen Positionen führt, kann ich aus zehnjähriger Erfahrung berichten.

(Heiterkeit)

Und, mit Verlaub, ich glaube, auch Sie können nach den wenigen Tagen Erfahrung, die Sie schon haben, davon berichten. Da wurde doch ganz deutlich, dass Rot und Grün eben nicht immer einer Meinung sind.

(Gerald Heere [GRÜNE]: Zwischen uns geht kein Blatt! - Gegenruf der FDP: So weit steht ihr auseinander?)

Eines ist klar: Wir hatten in der letzten Wahlperiode für CDU und FDP eine etwas komfortablere Mehrheit als Sie jetzt mit einer Stimme. Aber auch wir haben fünf Jahre lang mit einer Einstimmenmehrheit im Ausschuss arbeiten müssen.

Wir haben immer die Fairness der Oppositionsfraktionen erfahren, dass, wenn es von den Köpfen her tatsächlich mal nicht stimmte, dann das Abstimmungsergebnis nicht torpediert wurde; denn dann hätte es im Plenum gedreht werden müssen. Diese Fairness habe ich Ihnen ausdrücklich angeboten. Für diesen technischen Grund gibt es jedenfalls keine Rechtfertigung.

Was Sie jetzt machen, ist Folgendes: Sie genießen die Vorteile, als SPD und als Grüne eine eigene Fraktion zu sein, aber dort, wo Sie einen Nachteil ausmachen, heben Sie das einfach auf und sagen: Ab jetzt sind wir eine Zählgemeinschaft. - Das ist nicht zulässig.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie machen an dieser Stelle einen Fehler.

Ich komme zu dem Antrag, der heute zur ersten Beratung vorliegt, für die Kommission für Migration und Teilhabe.

Wir glauben, dass der Vorschlag der CDUFraktion, dass zukünftig der Vorsitz in der Kommission nicht mehr von einem oder einer Abgeordneten übernommen werden soll, eine folgerichtige Entscheidung aus der Veränderung des Mehrheitsprinzips ist. Ich glaube, dass es richtig ist, wenn einzelne Abgeordnete in dieser Kommission sitzen, damit die Argumente aus der Diskussion in der Kommission in die Fraktionen hineingetragen werden können.

Ich glaube aber nicht, dass die Migranten eines Vorsitzenden bedürfen. Die Kommissionsmitglieder dürften selbstbewusst genug sein, sich ihren Vorsitzenden oder ihre Vorsitzende aus den Reihen der externen Mitglieder selbst zu wählen. Das wäre eine vernünftige Regelung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Weser-Kurier habe ich gelesen, dass dies von den Verbänden nie gefordert worden sei. Das ist völlig richtig. Denn solange es das Einstimmigkeitsprinzip in diesem Gremium gab, wäre es nicht vernünftig gewesen, den Vorsitz - wenn Regierungsfraktionen mit ein oder zwei Personen praktisch Entscheidungen verhindern oder kippen können - gleichwohl einem Migranten zu überlassen, der die Entscheidung präsentieren soll. Das kann man in der Tat keinem externen Mitglied zumuten.

Aber nachdem Sie diese Entscheidung getroffen haben, die wir nicht mitgetragen und kritisiert haben - sie war auch ein Fehler, weil dies die Kommission abwertet -, wäre es sinnvoll, dass die Kommission selbst über den Vorsitz entscheidet und dass den Vorsitz ein externes Mitglied übernimmt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Spannend finde ich den Vorwurf, der uns gegenüber erhoben wurde, es ginge jetzt nur noch darum, die Kollegin Polat als Vorsitzende zu verhindern. Sie haben ja extra die Geschäftsordnung geändert, damit Frau Kollegin Polat überhaupt Vorsitzende werden kann. Erst die Geschäftsordnung zu ändern, damit die Koalitionsvereinbarung funktioniert - das ist ja ein Tauschgeschäft mit der Integrationsbeauftragten gewesen -, und dann zu

sagen, wir wollten ihr jetzt etwas wegnehmen, ist, mit Verlaub, doch ein bisschen sehr weit hergeholt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle komme ich aber nicht umhin, das letzte Plenum anzusprechen.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN - Unruhe - Glocke des Prä- sidenten)

Frau Kollegin Polat, wir bedauern es sehr, dass Sie bis heute nicht die Gelegenheit genutzt haben, sich für Ihre Äußerungen im letzten Plenum zu entschuldigen.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vor dem vorletzten Tagesordnungspunkt hat die Präsidentin einen Ordnungsruf für die letzte Sitzung erteilt, der in unmittelbarem Zusammenhang damit stand. Das wäre vielleicht der letzte Zeitpunkt gewesen, sich noch rechtzeitig zu entschuldigen.

Bei allem Engagement einzelner Abgeordneter: Jedes Mitglied dieses Hauses - - -

(Unruhe - Glocke des Präsidenten - Ronald Schminke [SPD]: Das sagt der Richtige! - Gegenruf: Du bist jeden- falls nicht der Richtige dort hinten!)

Einen Moment, bitte! - Herr Kollege Nacke hat das Wort - nur Herr Kollege Nacke!

Bei allem Engagement einzelner Abgeordneter: Jedes Mitglied dieses Hauses muss ein Mindestmaß an Toleranz gegenüber anderen Meinungen haben.

(Zuruf von der SPD: Auch Sie!)