Protokoll der Sitzung vom 19.02.2016

Der entscheidende Schritt ist die bessere technische Erstausstattung der Fahrzeuge. Das muss gesetzlich verankert sein!

(Beifall bei der CDU - Karl-Heinz Bley [CDU]: Super!)

Entsprechende Technologien wie Secure Hardware Extension oder Hardware Secure Modules sind bereits heute teilweise in den Steuergeräten der Fahrzeuge vorhanden, aber nicht aktiviert. Die bessere technische Erstausrüstung kostet pro Fahrzeug wenige Euro und macht eine Manipulation nahezu unmöglich.

Im Antrag wird eine Prüfung gefordert, um gegebenenfalls den Handel mit Geräten zu untersagen, mit denen die Tachostände manipuliert werden können. Das wird schwierig. Denn bei den Geräten handelt es sich um handelsübliche Laptops. Entscheidend ist die Software! Dafür gibt es, wie oben ausgeführt, bereits strafrechtliche Regelungen.

Meine Damen und Herren, wir beschäftigen uns hier mit einem Thema, das sehr komplex ist. Opfer der Tachomanipulation sind private Käuferinnen und Käufer von Gebrauchtwagen und auch Autohäuser, die geschädigt werden, wenn sie z. B. ein Gebrauchtfahrzeug von einem Privatanbieter gekauft haben und sich später herausstellt, dass das Fahrzeug manipuliert wurde.

Wissenschaftler an der Universität Magdeburg arbeiten bereits an Methoden, mit denen sich der Zustand moderner Autos demnächst zuverlässiger bestimmen lässt - und hoffentlich auch weniger manipulierbar. Das sind Zeichen, die in die Zukunft führen.

Nichtsdestotrotz müssen wir jetzt handeln. Wir müssen sowohl Privatkäufer als auch Autohäuser schützen. Sie alle gilt es vor finanziellen Verlusten und vor Nachteilen bei der Verkehrssicherheit zu schützen.

Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hövel. - Ich erteile jetzt das Wort dem Abgeordneten Dr. Alexander Saipa, SPD-Fraktion.

(Dirk Toepffer [CDU]: Neuer Namens- vorschlag oder „Car-Pass“?)

Den Namen, den die Kollegin statt „Car-Pass“ vorgeschlagen hat, habe ich nicht mehr drauf. Dabei könnte ich nicht mitreden.

Ist das jetzt schon Teil Ihrer Rede, Herr Dr. Saipa?

Nein, das war eine Privatunterhaltung.

Dann fangen Sie mal an!

Herr Präsident, vielen Dank für die Aufforderung anzufangen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 6 Milliarden Euro - so hoch schätzt der ADAC den jährlichen Schaden, der durch Manipulation des Tachostandes von Kraftfahrzeugen zur Erzielung eines höheren Kaufpreises, niedrigerer Leasingkosten oder zum Zweck der Erschleichung von Garantieleistungen entsteht.

Mit der Einführung digitaler Tachometer, die seit vielen Jahren überwiegend eingesetzt werden, wurde diese Manipulation sogar noch deutlich erleichtert - zumindest für diejenigen, die mit einer

Bohrmaschine nicht umgehen konnten. Das Zurückdrehen eines Tachos geht heute mit den entsprechenden Geräten kinderleicht, wie wir schon gehört haben. Es dauert meist nur wenige Sekunden und wird, obwohl gesetzlich verboten, von vielen sogenannten Dienstleistern zu Preisen ab 50 Euro pro Auto angeboten. Das Ziel dabei ist, den Wert eines Gebrauchtwagens beim Verkauf auf betrügerische Weise zu steigern oder Leasingstrafzahlungen zu vermeiden.

In § 22 b des Straßenverkehrsgesetzes ist festgelegt - das ist heute schon einmal gesagt worden -, dass bereits die Vorbereitung des Missbrauchs von Wegstreckenzählern strafbar ist und mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft werden kann.

Diese sogenannten Dienstleister verwenden leicht bedienbare Geräte, die für etwa 7 000 Euro legal erhältlich sind. Diese Geräte enthalten eine Software, mit der der Kilometerstand bei den meisten Autos binnen weniger Minuten beliebig manipuliert werden kann. Das ist auch deswegen so einfach, weil sofort Softwareupdates verfügbar sind, wenn neue Fahrzeugmodelle erscheinen, sodass man neue Autos jederzeit damit bedienen kann.

Die Polizei geht davon aus, dass in Deutschland bei jedem dritten verkauften Gebrauchtwagen Veränderungen am Tachometer vorgenommen wurden. Schützen kann man sich eigentlich nur, indem man selber versucht, Detektivarbeit bei den Vorbesitzern zu leisten.

In Belgien - das wurde hier heute schon angesprochen - wird es Betrügern eben nicht so einfach gemacht. Dort wird der Verbraucher durch den sogenannten Car-Pass geschützt. Kommt also in Belgien ein Fahrzeug in die Werkstatt - egal ob zum Reifenwechsel, zur Inspektion oder zur Reparatur -, wird dort der aktuelle Kilometerstand abgelesen. Diese Information wird dann an die gemeinnützige Organisation Car-Pass weitergegeben, die die Kilometerstände speichert.

So entsteht für jedes Fahrzeug eine Historie der Kilometerstände, die es Betrügern erschwert, zu manipulieren. Denn jeder Gebrauchtwagenverkäufer ist zur Vorlage dieses Dokuments verpflichtet. Wenn dies nicht geschieht, hat der Verkäufer das Nachsehen: Der Vertrag ist nichtig, und der Käufer kann sein Geld zurückfordern.

In Deutschland gibt es auch schon Systeme auf freiwilliger Basis. Die Kollegin von der CDU hat es gerade angesprochen: Es gibt ein Bochumer Un

ternehmen - www.kilometerabfrage.de -, dem man auf freiwilliger Basis seine Tachostände melden kann.

Zum Vergleich: In Belgien sind seit der Einführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Kilometerhistorie in 2005 die Manipulationen um 90 % zurückgegangen.

Daher wollen wir, dass die Landesregierung das Thema aufgreift und sich auf Bundesebene für die verbindliche Einführung eines Car-Passes - oder wie auch immer man dieses System hier in Deutschland nennen möchte - einsetzt. Wir wollen, dass mit dieser Hilfe die angegebene Kilometerleistung auf ihre Plausibilität hin überprüft werden kann.

Weiter möchten wir, dass sich die Landesregierung in geeigneter Weise dafür einsetzt, die Hersteller von Kraftfahrzeugen dazu zu verpflichten, ihre Fahrzeuge besser vor dieser Manipulation zu schützen.

Darüber hinaus ist dringend zu prüfen, ob der freie Handel mit den zur Tachomanipulation geeigneten Geräten überhaupt unterbunden werden kann.

Wir alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, können von Tachomanipulation betroffen sein - egal, ob bei einem kleinen Gebrauchtwagen, bei einem geleasten Auto oder bei einer großen Kiste, günstig gekauft. Schließen wir diese Lücke und geben wir Betrügern keine Chance für Manipulationen des Tachostandes!

Ich bin am Ende meiner Ausführungen und wünsche vorgreifend ein schönes Wochenende und eine gute Fahrt in den Wahlkreis - hoffentlich mit ordentlichen Tachoständen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Saipa. - Seitens der Fraktionen fehlt jetzt noch der Beitrag der FDP-Fraktion, die sich durch den Kollegen Grupe selbstverständlich auch zu Wort gemeldet hat. Sie haben das Wort, Herr Kollege.

Vielen Dank, Herr Präsident. Auch wenn Sie dort oben schon nicht mehr damit gerechnet haben, aber damit halte ich heute wohl tatsächlich die letzte Rede im Plenum in dieser Woche.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zahlen wurden in den Wortbeiträgen schon mehrfach genannt. Es handelt sich hier in der Tat nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um handfesten Betrug. Ein Schaden in Höhe von 6 Milliarden Euro allein in Deutschland steht im Raum.

Es geht aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur ums Geld, sondern auch um Sicherheit. Wenn vorgetäuscht wird, dass ein Auto z. B. nur knapp 100 000 km gelaufen ist, in Wahrheit aber über 400 000 km auf der Uhr hat, dann ist das auch sicherheitsrelevant, weil der neue Käufer dann von völlig falschen Voraussetzungen ausgeht.

Ich habe deutlich das Gefühl, dass es sich auch hier wieder um einen Fall handelt, in dem uns die Betrüger, die Verbrecher nicht nur einen Schritt voraus sind. Vielleicht ist das Thema auch lange Zeit nicht genügend beachtet worden. Was wir leisten müssen, ist deshalb, fürchte ich, ein Wettlauf. Denn der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, und diejenigen - das belegen die hohen Zahlen -, die ein nachhaltiges Interesse haben, illegale Geschäfte zu machen, werden nicht ruhen, bis sie Neues erfunden haben.

Es wurde eben schon gesagt: Die Zeiten, in denen man die Tachos noch mit der rückwärts laufenden Bohrmaschine zurückdrehen konnte - auch das ist passiert -, sind lange vorbei. Es wird auch keinen Stillstand geben, sondern es wird vorangehen. Deswegen müssen wir die Frage klären, wie wir uns am wirkungsvollsten wehren.

Ich habe wahrgenommen, dass mit Blick auf den Car-Pass, den Sie vorschlagen, überall bestenfalls von einer Übergangslösung geredet wird. Wir kommen ja auch sehr handwerklich daher, um Hightech auszuhebeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf Dauer erfolgreich sein wird. Damit kann man vielleicht eine gewisse Eindämmung in einem sehr begrenzten Zeitraum erreichen, aber wir müssen mehr leisten; das ist meine feste Überzeugung.

Beim Car-Pass kommt hinzu, dass erst einmal datenschutzrechtliche Bedingungen geändert werden müssten. Ob es das wert ist, wage ich mehr als zu bezweifeln.

Und wir haben natürlich Lücken - Frau Staudte, Sie gucken etwas skeptisch -: Die ersten Hauptuntersuchungen sind erst nach drei Jahren fällig. Und ich will nicht schon deshalb verdächtig erscheinen, weil ich als Bauer meinen Ölwechsel und Reifenwechsel selber mache und die Daten dann nicht

beim Händler erfassen lasse. Bei der ersten Hauptuntersuchung ist das meiste schon gegessen; denn dann ist das Auto in vielen Fällen nämlich kaum noch die Hälfte wert. Hier besteht eine Riesenlücke, innerhalb derer man die Stände sowieso nicht erfassen kann.

Ich denke, wir werden die technischen Lösungen prüfen müssen. Es wird wahrscheinlich sogar eine Kombination aus mehreren Ansätzen sein müssen. Denn wir wissen: Auch bei den von der Industrie angebotenen Chips, bei den verschiedenen technischen Lösungen gibt es schon wieder Umgehungsversuche, die nicht erfolglos sind.

Insofern dürfen wir auch - das will ich deutlich sagen - die Autohersteller nicht aus der Verantwortung entlassen. Wir müssen gegen die Betrüger mit den gleichen Waffen kämpfen und brauchen die besten Spezialisten, um ihnen das Wasser abgraben zu können.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss und hoffe, dass wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen, wie wir das Thema am wirkungsvollsten angehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. Sie sind nicht ganz der letzte Redner; denn die Landesregierung kommt noch zu Wort. Und eine Kurzintervention auf sich selbst ist auch nicht möglich. Insofern spricht jetzt erst einmal Herr Minister Meyer für die Landesregierung.