Protokoll der Sitzung vom 14.04.2016

Wir kommen damit zur Dringlichen Anfrage

b) Vorstoß von Umweltminister Wenzel für eine höhere Dieselsteuer - Verliert die Landesregierung gleichzeitig die Interessen der Berufspendler und des Landes als VW-Anteilseigner aus dem Blick? - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 17/5522

Die Anfrage wird vom Kollegen Toepffer eingebracht. Bitte sehr, Herr Toepffer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorstoß von Umweltminister Wenzel für eine höhere Dieselsteuer - Verliert die Landesregierung gleichzeitig die Interessen der Berufspendler und des Landes als VW-Anteilseigner aus dem Blick?

Im Vorfeld der Umweltministerkonferenz ging Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel mit der Überlegung an die Öffentlichkeit, die Steuern auf Dieselfahrzeuge erhöhen zu wollen. Er unterstrich seine Pläne im Rahmen einer Pressemitteilung vom 7. April 2016, in der er unter der Überschrift „Statement Umweltminister Wenzel zur Sonder-UMK: ‚Automobile Abgasemission minimieren, Luftreinhaltepolitik konsequent weiterentwickeln, Verantwortung für den Gesundheitsschutz ernst nehmen‘“ und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den VW-Abgasskandal Folgendes ausführte: „Ich halte es für notwendig, sowohl finanzpolitische als auch ordnungs- und steuerrechtliche Möglichkeiten einzusetzen, um Technologieführerschaft bei abgasarmen und abgasfreien Technologien zu ermöglichen.“

Presseberichten zufolge gab es Gegenwind für diese Pläne nicht nur aus Bayern und aus dem vom grünen Ministerpräsidenten Kretschmann regierten Baden-Württemberg, sondern auch vom Koalitionspartner in Hannover. So berichtete die Braunschweiger Zeitung am 8. April 2016 unter der Überschrift „Diesel-Streit entzweit das Kabinett“ darüber, dass sich die Niedersächsische Staatskanzlei nicht äußere, sondern an Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies verweise, der seinerseits die entsprechenden Pläne des Umweltministers prompt zurückgewiesen habe.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Haltung vertritt die Landesregierung in Bezug auf die Pläne von Umweltminister Stefan Wenzel, die Besteuerung von Dieselkraftstoff anzuheben?

2. Von welchen jährlichen Mehrbelastungen für Fahrer von Dieselfahrzeugen wäre auszugehen, wenn entsprechende Pläne von Umweltminister Wenzel realisiert würden?

3. Welche Bedeutung hat die Produktion von Dieselfahrzeugen jeweils für die einzelnen niedersächsischen VW-Werke?

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Für die Landesregierung antwortet Herr Umweltminister Wenzel. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Anfrage beantworte ich im Namen der Landesregierung wie folgt: Bereits in der Beantwortung der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Volker Bajus „Gesundheitsschutz vor Stickoxiden und Feinstaub: Wie weiter mit der Luftreinhaltung in Niedersachsens Städten?“ im MärzPlenum ist ausführlich auf den Handlungsbedarf zur Einhaltung der zum Schutz der Gesundheit erlassenen Grenzwerte für Stickstoffdioxid eingegangen worden.

In Niedersachsen wurde - wie in anderen Ländern auch - der grundsätzlich seit dem Jahr 2010 einzuhaltende Jahresimmissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ in sieben Städten auch noch im Jahr 2015 überschritten. Hauptverursacher der örtlichen Stickstoffdioxidbelastung sind die Emissionen von Kraftfahrzeugen. Nach Angabe des Umweltbundesamtes trägt der Verkehr zu mehr als 60 % zur lokalen Belastung bei. Rund zwei Drittel der verkehrsbedingten NO2-Emissionen innerorts wurden im Jahr 2014 durch DieselPkw verursacht.

Nachdem im letzten Jahr absehbar wurde, dass mit den derzeitigen in den Luftreinhalteplänen aufgenommenen Minderungsmaßnahmen die Einhal

tung des NO2-Grenzwertes nicht erreicht werden kann, bat die Umweltministerkonferenz die BundLänder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz - LAI -, wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der NO2-Belastung zu prüfen, die zur Abwendung eines Vertragsverletzungsverfahrens geeignet wären.

Der Bericht lag der Sonderumweltministerkonferenz am 7. April 2016 im Entwurf vor. Im Bericht werden sechs neue Maßnahmen als wirkungsvoll identifiziert und bewertet:

1. Fortschreibung der Umweltzonen durch eine neue Umweltplakette,

2. emissionsunabhängige Verkehrsbeschränkungen (für gerade und ungerade Kennzeichen),

3. eine intelligente City-Maut,

4. eine Angleichung der Energiebesteuerung von Otto- und Dieselkraftstoffen,

5. die Förderung emissionsarmer Antriebe und

6. die Fortschreibung der Lkw-Maut.

Alle Maßnahmen wären grundsätzlich geeignet, eine relevante Senkung der NO2-Belastung zu bewirken. Allerdings tritt die Wirkung oft erst nach Jahren ein.

Zudem muss der Vertrauensschutz für Käufer neuer Fahrzeuge beachtet werden. Für ihre Einführung bedarf es zudem der Schaffung eines entsprechenden bundesgesetzlichen Rahmens bzw. auch der Auflegung von Förderprogrammen.

Bei einer Fortschreibung der Umweltzonenregelung wäre maßgeblich, dass zukünftig nur noch abgasarmen Dieselfahrzeugen mit geringen NOxRealemissionen, abgasarmen Benzinfahrzeugen und abgasfreien Elektrofahrzeugen die Einfahrt gestattet wird.

Bei einer Angleichung der Energiebesteuerung könnten Mehreinnahmen beispielsweise mit einer Förderung von abgasfreier Elektromobilität oder anderen Maßnahmen zur Änderung des Modal Split verbunden werden. Dabei wäre auch eine Anpassung der Kraftfahrzeugsteuer zu prüfen. Eine Verkehrsbeschränkung für Pkw mit geraden bzw. ungeraden Kennzeichen wäre wohl eher als Notmaßnahme geeignet.

Die Zunahme des Radverkehrs würde zu einer Abnahme des Verkehrsaufkommens und damit zu einer Senkung der NO2-Belastung beitragen.

Die Europäische Kommission hat gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Verstoßes gegen ihre Verpflichtung aus der Luftqualitätsrichtlinie ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, von dem Niedersachsen zunächst nicht betroffen war, weil Niedersachsen eine Verlängerungsoption in Anspruch genommen hatte. Der Bundesrepublik wird u. a. vorgeworfen, dass Deutschland in jedem Fall als ersten Schritt steuerliche Möglichkeiten hätte nutzen können, um die Ziele der Luftreinhaltung zu erreichen und bestehende Fehlanreize zu vermeiden.

Anlässlich der Sonderumweltministerkonferenz „Automobile Abgasemission minimieren, Luftreinhaltepolitik konsequent weiterentwickeln, Verantwortung für den Gesundheitsschutz ernst nehmen“ hat Niedersachsen mit den Ländern Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen deshalb folgende Protokollerklärungen abgegeben: Die Umweltministerinnen und Umweltminister und -senatoren der o. g. Länder fordern die Bundesregierung auf, finanzielle, ordnungspolitische und steuerrechtliche Rahmenbedingungen so umzubauen, dass Ausbau und Förderung emissionsarmer bzw. emissionsfreier Fahrzeuge forciert wird, und bitten die Bundesregierung, hierfür einen Zeitplan vorzulegen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Konkretisierende Pläne hierzu liegen nicht vor. Die Landesregierung sieht die Notwendigkeit, abgasarme und abgasfreie Fahrzeugantriebe besonders zu unterstützen und sicherzustellen, dass Emissionssenkungen auch im realen Fahrbetrieb wirksam sind. Der Bundesrat hat auf Initiative Niedersachsens und anderer Länder vorgeschlagen, den Kauf von Elektrofahrzeugen und den Ausbau der Ladeinfrastruktur im betrieblichen Bereich durch Sonderabschreibungen steuerlich zu fördern. Für die Finanzierung gibt es unterschiedliche Vorschläge. Entscheidend ist, dass Bund und Länder gemeinsam handeln.

Zu 2: Eine eventuelle Mehrbelastung hinge von dem individuellen Verbrauch, der individuellen Fahrleistung des Fahrzeugs und dem Preis ab. Seit 2012 ist der Preis um knapp 50 Cent pro Liter gefallen.

Zu 3: Die Produktion von Dieselfahrzeugen in den niedersächsischen VW-Werken hat eine hohe Bedeutung. Im niedersächsischen Motorenwerk der Volkswagen AG in Salzgitter wurden im Jahr

2015 1,5 Millionen Motoren produziert. 80 % hiervon sind Dieselaggregate.

Der Anteil von Dieselfahrzeugen an der Gesamtproduktion der vier niedersächsischen Fahrzeugwerke in Wolfsburg, Emden, Osnabrück und Hannover liegt bei rund 60 % - aufgeschlüsselt: in Wolfsburg 50 %, in Emden 80 %, in Osnabrück 20 % und in Hannover 98 %.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Zu einer ersten Zusatzfrage hat sich Abgeordneter Herr Bode von der FDP-Fraktion gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Wenzel, wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen einer gleichen Besteuerung von Otto- und von Dieselkraftstoffen im Zusammenhang mit der Festlegung eines Mindestbenzinpreises, wie sie derzeit diskutiert wird, nach CO2- und NOx-Ausstoß?

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Bode, die Umweltministerkonferenz sah sich durch das Vertragsverletzungsverfahren gehalten, alle Optionen zu prüfen. Deshalb ist der LAI gebeten worden, alle Optionen einer Prüfung zu unterziehen. Dabei sind die von mir genannten sechs Maßnahmen vom LAI genauer untersucht worden.

Um festzustellen, welche dieser Maßnahmen am Ende tatsächlich geeignet ist, bedarf es einer gesonderten Beratung. Derzeit plant die Landesregierung hierzu keine Initiative.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage kommt von Herrn Toepffer, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Landesregierung auf die unter Nr. 1 ge

nannte Frage unserer Fraktion geantwortet hat, dass konkretisierende Pläne zu diesem Punkt nicht vorliegen, frage ich: Habe ich es richtig verstanden, dass der Umweltminister eine schrittweise Reduzierung bzw. eine Anhebung der Steuer auf diese Kraftstoffe gar nicht geplant hat und wir das alles falsch verstanden haben?

(Zustimmung bei der CDU - Christian Dürr [FDP]: Sehr gute Frage! - Unruhe)

Danke schön. - Herr Minister, bitte sehr! - Aber nur, wenn Ruhe ist, Herr Dürr. - Bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Toepffer, Sie haben vielleicht meine Protokollnotiz gelesen und auch gehört, was ich eben hier vorgetragen habe. Sie haben sicherlich auch zur Kenntnis genommen, was der LAI vorgeschlagen hat.

Wir haben uns ausdrücklich auf diese Maßnahmen und auf die dort von mir abgegebene Protokollnotiz bezogen.