Protokoll der Sitzung vom 18.04.2018

- Ja, genau so ist es.

Noch einmal zum Schächten - Herr Grupe hat es ja ausgeführt -: Ich glaube, kein Mensch hier findet Schächten irgendwie toll oder begrüßt es. Aber Sie suggerieren mit Ihrem Antrag, dass man es einfach verbieten könnte. Diese Fehlinformation haben Sie in den sozialen Netzwerken verbreitet, Videos gedreht und alles verzerrend zusammengeschnitten. Sie haben eben nicht - so wie wir es in unserem Antrag klar dargestellt haben - gezeigt, dass es diese höchstrichterliche Vorgabe gibt, unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Die Politik kann bei der Erteilung dieser Ausnahmegenehmigungen enge Grenzen setzen.

In Niedersachsen werden ungefähr 200 Tiere im Jahr - mal weniger, mal mehr - betäubungslos geschächtet. Ja, wir wollen, dass diese Zahl reduziert wird, dass Gespräche mit den Religionsgemeinschaften geführt werden, damit sich diese moderne Sichtweise, die die Elektrokurzzeitnarkose als vereinbar mit der Religion ansieht, überall durchsetzt.

An der Stelle haben wir Handlungsspielräume, die wir gerne nutzen wollen - aber nicht so, wie Sie das eben dargestellt haben: mit Scheinlösungen, indem sozusagen die Gewaltenteilung nicht akzeptiert wird.

Ich kann nur sagen, was ich aus meinen Kontakten zu Tierschutzkreisen mitbekommen habe: Es ist Ihnen nicht gelungen, sich dort lieb Kind zu machen. Die haben Ihr Spiel durchschaut. Insofern können Sie so viel posten, wie Sie wollen, und selber liken.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Staudte. - Jetzt ist die SPDFraktion dran, die Abgeordnete Frau Karin Logemann. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ihr Redebeitrag, Frau Guth, hat mir einmal mehr gezeigt, dass das Intro, das ich gewählt habe - von dem ich dachte, dass es eigentlich gar nicht nötig ist, weil es alle begriffen haben - eben doch nötig ist.

Wie in meiner letzten Rede zu diesem Thema gesagt: Schächten ohne Betäubung ist für mich eine grausame Schlachtmethode!

(Dana Guth [AfD]: Das ist es!)

Das hat auch niemand heute oder in der letzten Plenarsitzung bestritten. Niemand! Und weil die so geschlachteten Tiere leiden müssen, ist es auch tierschutzrechtlich verboten, und zwar nach europäischem Recht und auch nach Bundesrecht.

Im Bundesrecht finden sich aber auch - parallel dazu - die Religionsfreiheiten. Frau Guth, in dieser und in Ihrer ersten Rede zu Ihrem Antrag haben Sie deutlich gemacht, dass es Ihnen nicht in erster Linie um den Tierschutz geht, sondern um eine Einschränkung unserer muslimischen und unserer religiös anders geprägten Mitbürger.

(Wiard Siebels [SPD]: So ist es! Sehr erkennbar!)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Zahl der Anträge auf die Ausnahmegenehmigung, die der Bund in das Tierschutzgesetz eingearbeitet hat, sind rückläufig. Religionsgemeinschaften in Deutschland haben längst mehrheitlich die Schlachtung nach Elektrokurzzeitbetäubung als Alternative zum betäubungslosen Schlachten anerkannt. Genau hier müssen und wollen wir ansetzen. Es muss im Dialog mit den Verbänden weiter dafür geworben werden, auf Sondergenehmigungen zur betäubungslosen Schlachtung zu verzichten.

Bei der Elektrokurzzeitbetäubung wird das Tier für rund 25 Sekunden betäubt. Diese Form der Betäubung erlaubt es, sowohl das Schlachtritual durchzuführen als auch dem Tier Leid zu ersparen. Das habe ich bereits im vergangenen Plenum gesagt.

Ich habe mir wiederholt die Frage gestellt: Warum haben Sie eigentlich diesen Antrag gestellt? Sie müssten bei Ihrer Recherche doch schon erkannt haben, dass sich auf dem Gebiet des betäubungslosen Schlachtens eine Menge getan hat, sich Toleranzgrenzen verändert haben und Kompromisse erzielt wurden. Es wird permanent daran gearbeitet, dass die Akzeptanz für die Elektrokurzzeitbetäubung - wir haben nur noch einen Ausnahmefall in Niedersachsen, bei dem anders geschächtet wird - weiterhin steigt.

Bei der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung wird über die alternative Möglichkeit ausführlich informiert. An die Erteilung dieser Ausnahmege

nehmigung sind mit Recht Auflagen geknüpft. Das alles wissen Sie.

(Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz übernimmt den Vorsitz)

Anstatt aufzufordern, diese Überzeugungsarbeit weiterzuführen oder zu intensivieren, möchten Sie anderen Menschen vorschreiben, vegetarisch oder vegan zu leben. Das ist interessant; das haben Sie am 1. März gesagt. Es ist spannend, wenn man anderen Menschen vorschreiben möchte, wie sie sich zu ernähren haben. Es kann nicht wirklich Ihr Ernst sein, einer bestimmten Religionsgemeinschaft eine Ernährungsform aufzuzwingen!

Wie schon im letzten Plenum mehrfach angesprochen, gibt es verschiedene dringend zu klärende und zu beseitigende Missstände in der Tierhaltung und Schlachtung. Keinem dieser Probleme hat sich die AfD-Fraktion mit ihrem Antrag angenommen.

(Dana Guth [AfD]: Wir fangen ja gera- de erst an!)

Einig sind wir alle uns aber sicher darin, dass die Probleme bei vorgenommenen Nottötungen, die durch die Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover aufgedeckt wurden, angegangen und gelöst werden müssen. Um die Probleme bearbeiten zu können, haben wir Frau Professor große Beilage, die fehlerhafte Nottötungen untersucht hat, in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eingeladen. Sie wird uns über ihre Ergebnisse unterrichten, und wir werden gemeinsam erarbeiten, welche Maßnahmen wir ergreifen können, um dem entgegenzuwirken.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, den Antrag der AfD-Fraktion lehnen wir ab. Den Änderungsantrag der FDP, der sich mit der Reduzierung des betäubungslosen Schlachtens befasst, begrüßen wir, und wir empfehlen die Annahme. Teile des Antrages der Grünen, die darüber hinausgehen, möchten wir gerne im Ausschuss weiter behandelt sehen.

Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Logemann. - Es liegt eine Wortmeldung von Herrn Christoph Eilers für die CDU-Fraktion vor.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zum Antrag der AfD: Frau Guth, ich habe keine Gewissensbisse. Ich habe eine ganz klare Meinung. Wie wahrscheinlich von allen erwartet, hat auch für mich die Beratung im Ausschuss gezeigt, dass es Ihnen hier wirklich nicht um den Tierschutz geht, sondern darum, die Mitglieder anderer Religionsgruppen in eine Ecke zu stellen. Unter dem Deckmantel des Tierschutzes wird versucht, Stimmung gegen Muslime und andere zu machen. Diese Ausgrenzung wollen wir nicht, sondern wir suchen - meine Vorredner haben es schon deutlich gemacht - den Dialog und das Miteinander.

Die Rechtslage ist eindeutig. Sie respektiert und akzeptiert die Menschen und Religionen in unserer Gesellschaft. Ein Verbot der Sondergenehmigung des betäubungslosen Schlachtens würde nur eine Illegalität schaffen. Der Antrag der AfD wurde im Ausschuss abgelehnt und sollte auch hier abgelehnt werden.

Der Antrag der Grünen weist auf Tierschutzverstöße beim tagtäglichen Schlachten hin. Ein qualfreies Lebensende bei landwirtschaftlich genutzten Tieren: Das wollen wir alle. Wie bei dem Antrag der Grünen zu mehr tierärztlichen Kontrollen an den Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenprodukte wird auch hier auf scheinbare Verstöße und Missstände hingewiesen. Auch wird in diesem Antrag wieder auf die Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover hingewiesen. Genau zu dieser Studie - Frau Logemann hat es gerade erwähnt - gibt es einen Termin im Ausschuss, sodass man diese Anhörung zunächst abwarten sollte.

Einigen Forderungen aus dem Antrag sind bereits auf dem Weg. Die Landesregierung mit der Landwirtschaftsministerin ist genau in diese Richtung unterwegs. Die von den Grünen angesprochene gemeinsame Strategie ist richtig und wichtig. Tierschutzverstöße von der Aufzucht bis zur Schlachtung müssen aufgedeckt und abgestellt werden. Zusammen mit den Landwirten, den Tierärzten, den Transportunternehmen, den Schlachthöfen, den Kontrollbehörden, dem Lebensmitteleinzelhandel und nicht zuletzt mit den Konsumenten muss der Dialog geführt werden.

Wir von der CDU-Fraktion werden dem Antrag der Grünen in Form des Änderungsantrags der FDPFraktion, der mit dem gleichen Wortlaut wie der Antrag der Grünen einen verstärkten Dialog mit

den Religionsgemeinschaften fordert, zustimmen. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss und sind sehr zuversichtlich, dass hier substanziell mehr für den Tierschutz erreicht wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Eilers. - Jetzt liegt eine Wortmeldung aus der AfD-Fraktion von Herrn Christopher Emden vor.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss erneut feststellen: Sie opfern hier schlicht die ethischmoralischen Überzeugungen, die zutiefst in unserer Gesellschaft verankert sind, auf dem Altar der Religionsfreiheit.

(Zurufe von der SPD: Oh! - Christian Meyer [GRÜNE]: Die Religionsfreiheit steht in der Verfassung!)

Sie lassen es einfach nicht bleiben, dieses hier beispielhaft für ein ideologisch völlig überdehntes Verständnis der Religionsfreiheit aufzuführende Schächten immer in diese eine Ecke zu stellen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das hat das Bundesverfassungsgericht ge- sagt!)

- Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu vor vielen Jahren geäußert. Ich wundere mich immer wieder, dass Sie als Jurist nicht die nötige Kenntnis haben, dass sich solche Überzeugungen auch ändern können. Da ist Bewegung drin!

Es ist nämlich folgendermaßen - ich weise noch einmal darauf hin -: Wir haben eine Staatszielbestimmung des Tierschutzes in Artikel 20 a im Grundgesetz. Wir haben ein - zumindest dem Wortlaut nach - schrankenfreies Grundrecht auf Religionsfreiheit in Artikel 4 Abs. 2. Es ist aber nicht schrankenfrei zu verstehen. Das ist ein Irrtum, dem Sie alle hier vielleicht erliegen, weil Sie in dem Bereich vielleicht nicht die nötige Kompetenz haben.

Ich weise Sie deutlich darauf hin: Auch die Religionsfreiheit erfährt Schranken. Diese Schranken werden insbesondere durch die verfassungsgemäße Ordnung vorgegeben. Diese wiederum wird

mitbestimmt durch das Staatsziel Tierschutz in Artikel 20 a.

Insofern ist es von Ihnen ein bisschen einfach, wenn Sie sich lediglich darauf zurückziehen, dass das Bundesverfassungsgericht vor vielen Jahren mal eine Meinung vertreten hat, die es jetzt eventuell gar nicht mehr vertritt,

(Wiard Siebels [SPD]: Was ist Ihre Motivation? Das wollen wir wissen!)

weil - noch einmal -

(Wiard Siebels [SPD]: Was ist Ihre Motivation?)

sich die moralisch-ethische Grundüberzeugung in der Bevölkerung ändert. Davor wird auch das Bundesverfassungsgericht nicht die Augen verschließen.

Haben Sie den Mut - - -

(Wiard Siebels [SPD]: Was ist Ihre Motivation? - Glocke der Präsidentin)