Protokoll der Sitzung vom 19.04.2018

Wie weiter mit der Beitragsfreiheit des Kindergartens?

Die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU enthält die folgende Formulierung zur Beitragsfreiheit des Kindergartens:

„Die vollständige Beitragsfreiheit ist ein wichtiger Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. SPD und CDU werden mit den Kommunen eine entsprechende Finanzvereinbarung treffen, die einen fairen Ausgleich

der Interessen von Land und Kommunen vornimmt.“

Bereits im Rahmen der Beratungen zum Nachtragshaushaltsgesetz 2018 wurde die Auskömmlichkeit der Zahlungen des Landes an die Kommunen in diesem Zusammenhang diskutiert.

Der jüngsten Berichterstattung, beispielsweise im Rundblick vom 10. April 2018, ist zu entnehmen, dass die Gespräche zwischen Landesregierung und Kommunalverbänden derzeit ruhen. Demnach habe der Städte- und Gemeindebund seine Zustimmung zu einem im März zwischen Kommunalverbänden und Landesregierung erarbeiteten Kompromiss verweigert.

Strittig sind offenbar sowohl die Höhe des Landeszuschusses als auch die Frage nach einer möglichen Höchststundenzahl, für welche das Land Zuschüsse leistet. Die Beitragsfreiheit solle für acht Stunden gewährt werden. Eine darüber hinausgehende Betreuung sei dann doch von den Eltern zu tragen.

Außerdem wird die Finanzierung der Vertretungskräfte diskutiert. Diese werden bisher und nach heutigem Planungsstand auch zukünftig ausschließlich von den Kommunen finanziert, also nicht vom Land bezuschusst.

Im Zuge der Diskussion um die vollständige Beitragsfreiheit des Kindergartens ist ebenfalls die Ausbildung der Erzieher problematisiert worden (HAZ vom 29. März 2018). Bisher erhalten die angehenden Erzieherinnen und Erzieher keine Ausbildungsvergütung und müssen in der Regel darüber hinaus das Schulgeld selber bezahlen. Der Bedarf an Erziehern wachse ständig. Nach der Ausbildung entschieden sich viele Erzieher dazu, ein Studium zu absolvieren.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Für den Fall, dass eine Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden nicht erreicht wird und somit nicht, wie gefordert, 62 % der Personalkosten abgedeckt werden: Wie geht die Landesregierung mit der Finanzierungslücke in den Kommunen um?

2. Wird der angekündigte Härtefallfonds in Höhe von jährlich 15 Millionen Euro - befristet auf drei Jahre - diese Finanzierungslücke vollständig abdecken, und, wenn nicht, was gedenkt die Landesregierung zusätzlich zu tun?

3. Welche Planungen sind nach Ablauf der oben genannten drei Jahre des Härtefallfonds vorgesehen?

Ich danke Ihnen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wa- rum durfte Herr Rykena diese Anfrage nicht vorlesen?)

Herzlichen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Tonne. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der gestern eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Kindertagesstättengesetzes ist zum einen ein großer Meilenstein der niedersächsischen Bildungspolitik; denn er beinhaltet die Gebührenfreiheit für jedes einzelne Kind im Kindergarten in Niedersachsen. Deswegen ist das ein guter Gesetzentwurf.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Zum anderen beinhaltet der Entwurf für die Kommunen nicht nur die zugesagte Kompensation der Einnahmeausfälle aus der Einführung der vollständigen Beitragsfreiheit, sondern bringt diesen auch weitere finanzielle Entlastungen im Bereich der Kindertagesbetreuung. Dafür hat die Landesregierung die finanziellen Spielräume genutzt.

Der durch die Fraktionen von SPD und CDU eingebrachte Gesetzentwurf sieht eine Erhöhung des Finanzhilfesatzes auf 55 % für das nächste Kindergartenjahr vor, der bis zum Kindergartenjahr 2021/2022 auf 58 % weiter ansteigen wird. Damit geht der Entwurf über den von der Landesregierung verpflichtend zu leistenden Ausgleich der Mindereinnahmen im Zuge der Einführung des beitragsfreien Kindergartens deutlich hinaus.

Wir sind uns im Rahmen der Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden einig, dass zu den weiteren kommunalen Anliegen, wie einer Vergütung der Ausbildung von Fachkräften für Kindertageseinrichtungen und der Finanzierung von Vertretungskräften, in Kürze und parallel zum Gesetzgebungsverfahren weitere Gespräche geführt werden. Intern ist das immer als „Korb 2“ bezeichnet worden.

Zudem haben die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen signalisiert, im Rahmen dieser Gespräche auch über eine Härtefallregelung zu reden, insbesondere um Schlechterstellungen bei der Umstellung am 1. August 2018 zu verhindern.

(Wiard Siebels [SPD]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, es entspricht dem Wunsch der kommunalen Ebene, für den vollständig beitragsfreien Kindergarten pauschale Ausgleichszahlungen in Form einer Erhöhung des Finanzhilfesatzes vorzunehmen. Eine sogenannte Spitzabrechnung, also die Abrechnung der tatsächlichen Einnahmeausfälle jeder einzelnen Kommune, wurde hingegen im Rahmen der Verhandlungen insbesondere auch von der kommunalen Seite nicht gewünscht.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wo ist Herr Hilbers?)

- Wer soll wo sein?

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Herr Hilbers! Er hat den Härtefallfonds vor- geschlagen!)

- Ich antworte für die Landesregierung.

Mit einem Systemwechsel von den bisher für die Beitragsfreiheit gezahlten Pauschalen pro Kind und Monat hin zu einer pauschalen prozentualen Erhöhung des Finanzhilfesatzes für Kindergartengruppen ist die Landesregierung den Wünschen der Kommunen entgegengekommen. Hier sind sich Land und kommunale Spitzenverbände einig.

Nach den Berechnungen der Landesregierung entsprechen die künftig wegfallenden Elternbeiträge einem Anteil von ca. 52 % der Personalkosten. Gleichwohl enthält der Gesetzentwurf - wie bereits ausgeführt - mit 55 % einen bereits deutlich höheren Erstattungssatz, der zudem bis auf 58 % ansteigen wird.

Meine Damen und Herren, für die aktuelle Frage, wie wir den Kommunen die künftig ausbleibenden Elternbeiträge erstatten, liegt nunmehr ein Vorschlag vor, der die Interessen aller Beteiligten angemessen abbildet. Für die Umsetzung der Beitragsfreiheit wurden im Nachtragshaushalt 2018 ungefähr 109 Millionen Euro eingestellt. Ab dem Jahr 2019 werden die Ausgaben voraussichtlich wie folgt aufwachsen: 2019 312 Millionen Euro, 2020 348 Millionen Euro, 2021 397 Millionen Euro und 2022 441 Millionen Euro.

Wohlgemerkt: Dies sind allein die Mehrausgaben durch Einführung der Beitragsfreiheit der ersten beiden Kindergartenjahre. Bereits bisher wurden für die Beitragsfreiheit für das Jahr vor der Einschulung rund 108 Millionen Euro veranschlagt, in der Mipla anwachsend auf mehr als 119 Millionen Euro. Somit werden im letzten Jahr dieser Legislaturperiode für die Beitragsfreiheit landesweit mehr als 560 Millionen Euro verausgabt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Ausgleichszahlungen für die Beitragsfreiheit des Kindergartenbesuchs sind auf einer soliden Grundlage kalkuliert. Sie sind ihrem Gesamtvolumen nach fair und angemessen und fließen auf Wunsch der kommunalen Spitzenverbände in eine Erhöhung des Finanzhilfesatzes für Kindergartengruppen. Auf der Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfs wird dieser zunächst auf 55 % angehoben und in den kommenden Jahren weiter gesteigert.

Eine etwaige Finanzierungslücke konnte von den kommunalen Spitzenverbänden bislang nicht konkret beziffert und nachvollziehbar belegt werden. Trotzdem und auch, weil uns eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kommunen wichtig ist, werden wir auch über einen Härtefallfonds verhandeln.

Zu 2: Hinsichtlich der Auflage eines möglichen Härtefallfonds ist der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Landesregierung noch nicht abgeschlossen. Der Härtefallfonds wird auch Gegenstand der jetzt anstehenden Verhandlungen sein. Ziel ist und bleibt es, die Belastungen, die durch den Wegfall der Elternbeiträge entstehen, fair aufzufangen. Dazu könnte eine Härtefallregelung auch aus Bundesmitteln beitragen, die den Übergangszeitraum bis zum Erreichen von 58 % allgemeiner Finanzhilfe abfedert.

Die Beantwortung der Frage hängt aber auch unmittelbar damit zusammen, welche Regelung der Landtag zum Ausgleich der Einnahmeverluste der Träger von Tageseinrichtungen für die Gewährung der vollständigen Beitragsfreiheit für Kindergartenkinder im Einzelnen verabschiedet. Insoweit wird auf die Antwort zu 1 verwiesen.

Zu 3: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage für die Fraktion der AfD stellt der Kollege Bothe. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister Tonne, vor dem Hintergrund, dass der NSGB die bisherigen Angebote der Landesregierung - auch diejenigen, die in dem Gesetzentwurf von gestern enthalten sind - massiv kritisiert: Sehen Sie noch Handlungsspielraum, den Kommunen entgegenzukommen, also noch höher in Richtung der 62 % zu kommen, oder halten Sie es für ausgeschlossen, den kommunalen Spitzenverbänden dies zu ermöglichen?

Vielen Dank.

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf zwei Aspekte hinweisen.

Erstens habe ich gerade ausgeführt, dass wir jetzt eine Regelung getroffen haben, die ein Anwachsen auf 55 % vorsieht, aufwachsend auf 58 %. Im Rahmen des jetzigen Beratungsverfahrens haben wir aber gesagt: Wir reden auch mit den kommunalen Spitzenverbänden über einen Härtefallfonds. Es wäre natürlich ein weiteres Entgegenkommen, wenn es auch hierzu Regelungen gäbe. Insbesondere der NSGB hat ja sehr intensiv auf den Härtefallfonds verwiesen.

Darüber hinaus sage ich aber noch einmal: Wir reden im Rahmen der weiteren Gespräche abseits des Härtefallfonds über weitere Wünsche der kommunalen Spitzenverbände bezüglich der Finanzierung der frühkindlichen Bildung. Das ist nicht im Kontext mit der versprochenen Elternbeitragsfreiheit zu sehen. Vielmehr werden darüber hinausgehende Wünsche formuliert. Dazu gibt es Gespräche. Diese sind aber nicht in den Kontext der Elternbeitragsfreiheit zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister. - Eine weitere Zusatzfrage für die AfD-Fraktion stellt der Kollege Ahrends. Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich frage die Landesregierung: Bei welcher Forderung ist die Landesregierung am ehesten bereit, den Kommunen entgegenzukommen?

Vielen Dank.