Protokoll der Sitzung vom 16.05.2018

Sie wollen mit Ihrem Reformationstag den interreligiösen Dialog stärken. Tatsächlich hat der interreligiöse Dialog aber erst einmal mit einer diplomatischen Ohrfeige in Richtung der jüdischen Gemeinden begonnen.

(Zustimmung bei der FDP - Zuruf von Wiard Siebels [SPD] - Johanne Mod- der [SPD]: Quatsch! - Glocke der Prä- sidentin)

Und da nützt es auch nichts, dass wir den heutigen Tag mit guten Worten über das 70-jährige Bestehen des Staates Israel begonnen haben.

Dass es am Start dieses interreligiösen Dialogs diese diplomatische Ohrfeige gegeben hat, ist für mich ein fatales Signal. Wir erleben in Deutschland augenblicklich, dass die antisemitischen Tendenzen wieder zunehmen und es sogar zu Übergriffen kommt. Dann einen interreligiösen Dialog zu beginnen, indem man die jüdischen Gemeinden ausklammert, ist kein Weg. Das ist kein Dialog, das ist ein Abbrechen des Dialogs.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Wi- ard Siebels [SPD]: Wer hat sie denn ausgeklammert?)

Ich will jetzt auch gar nicht mit Zahlen jonglieren. Das ist für mich überhaupt nicht wichtig: darum geht es an dieser Stelle nicht. Die Menschen, die sich keiner Religion zugehörig fühlen, sind aus diesem Dialog ausgeklammert worden, indem man nur einen Tag dokumentiert.

Man muss auch nicht so tun, als wenn man innerhalb der Fraktionen noch viele andere Tage diskutieren würde. Das tun Sie nämlich gar nicht. Das wissen wir intern. Darüber, wie in den letzten Tagen die Gespräche zu der Abstimmung verlaufen sind, wird auch außerhalb Ihrer Fraktionen gesprochen.

Der Internationale Frauentag am 8. März ist u. a. von Frau Landtagspräsidentin Gabriela Andretta vorgeschlagen worden. Wir sind dafür sehr dankbar; denn sie hat das mit gutem Grund getan.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir haben in Deutschland im 21. Jahrhundert in diesem Parlament einen so niedrigen Frauenanteil

wie seit 20 Jahren nicht mehr. Gucken Sie sich um! Wir haben in Deutschland 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts zwischen den Löhnen und Gehältern für Frauen und Männer immer noch eine Lücke von beständig 21 %. Wenn nicht dieser Anlass dazu hätte dienen können, dann doch der, dass man sich wünscht, dass Frauenrechte in diesem hundertsten Jahr mehr nach vorn gestellt würden.

Wir danken Frau Andretta für Ihren Vorschlag. Das wäre ein guter Tag gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Wiard Siebels [SPD] - Glocke der Präsidentin)

Auch für den Europatag am 9. Mai spricht eine ganze Menge. In Zeiten zunehmender Unruhen in der Welt müssen wir anerkennen, dass uns Europa mit seinen Errungenschaften in den letzten 70 Jahren sehr viel genutzt hat. Der Friede, der von Europa ausgeht, ist uns allen hier im Raum zwar selbstverständlich geworden - aber selbstverständlich ist er beileibe nicht. Viele Verbände, die sich an uns gewendet haben, haben überzeugende Argumente dafür gehabt, den Europatag zum Feiertag zu machen.

Und wenn wir schon bei Zahlen sind: 100 % der Menschen in Niedersachsen sind auch Europäerinnen und Europäer.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Jens Nacke [CDU])

Meine Damen und Herren, beim Thema Feiertag geht es natürlich auch um Gerechtigkeit zwischen den Bundesländern. Das ist auch von Ihnen allen angesprochen worden. Es trifft zu, dass es Bundesländer gibt - wie Baden-Württemberg und Bayern -, die bereits 13 Feiertage haben. Selbst dann, wenn wir in Niedersachsen nur einen weiteren Feiertag einführen würden, lägen wir immer noch im Mittelfeld.

Lassen Sie mich eine letzte Anmerkung machen. Feiertage sind wichtig für die Gesellschaft. Sie ermöglichen gemeinsame Unternehmungen, Sie ermöglichen aber auch die Besinnung auf gemeinsame Werte.

Wir halten den Reformationstag nicht nur deshalb für ungeeignet, weil er auf diese Weise durchgepeitscht wird. Wir halten ihn vor allem deshalb für ungeeignet, weil er für viele Menschen in diesem Land kein Feiertag, sondern lediglich ein freier Tag sein wird. Und für manche unter uns wird er sogar

eine Zumutung sein. Damit steht er schon jetzt für eine verpasste Chance.

Frau Piel, jetzt muss wirklich Schluss sein!

Geschätzter Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der CDU, das kann nicht unser Anspruch sein, und das darf auch nicht Ihr Anspruch sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Auf Ihren Beitrag hat sich zu einer Kurzintervention Kollege Jens Nacke gemeldet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Kollegin Piel, ich glaube, dass Sie genau an dieser Stelle einen Fehler machen, den Sie nicht machen sollten. Ich will das hier wirklich sagen: Wenn man Sie hier argumentieren hört, dann hört man daraus doch eine ganz erhebliche Skepsis, vielleicht sogar eine Abneigung gegenüber Religionsgemeinschaften und religiösen Glauben.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Nein, das stimmt nicht! - Weiterer Widerspruch bei den GRÜNEN)

Aber das werden wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Halten Sie sich diesbezüglich zurück! Tun Sie doch bitte nicht so - wenn ich Ihnen hier darstelle, wie die CDU-Fraktion mit dieser Fragestellung umgehen würde -, als ob Sie das alles besser wüssten! Zu sagen, das stimmt alles nicht, ist ein ziemlich schlechter Versuch, die eigene Argumentation zu untermauern.

Ich will wenigstens der Vollständigkeit halber noch sagen: Es ist interessant, dass gerade Sie als Fraktionsvorsitzende der Grünen hier erneut in besonderem Maße betonen, dass 100 % der Menschen in Niedersachsen aus Europa kommen. Aber das ist eben nicht der Fall, und das wissen Sie ganz genau. Überlegen Sie sich doch bitte

auch einmal, wen Sie mit solchen Äußerungen ausgrenzen.

Mir geht es um Folgendes: Auch die technischen Fragen - und die werden dem Ministerpräsidenten hier ja in besonderem Maße vorgehalten - dürfen bei der Entscheidung über die Frage, für welchen Feiertag man sich am Ende entscheidet, eine Rolle spielen - dass sechs der bisher freien Tage im ersten Halbjahr liegen und nur drei Tage im zweiten Halbjahr, dass der Mai mit besonders vielen Feiertagen gesegnet ist - was wir alle inzwischen wissen, weil wir jetzt einmal eine ganze Woche ohne Feiertage machen müssen -

(Heiterkeit)

und auch die Diskussion in anderen Ländern bzw. in den Nachbarländern Nordrhein-Westfalen und Hessen, die angeführt wurden. Auch eine norddeutsche Lösung mit Blick auf Partnerländer wie beispielsweise Bremen - das ist für uns in Oldenburg und umzu relativ wichtig - ist ein legitimes Entscheidungsmerkmal und sollte nicht ausgeklammert werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke, Herr Nacke. - Es hat sich nun zu Wort gemeldet für die AfD-Fraktion - - -

(Christian Meyer [GRÜNE]: Halt! Die Antwort!)

- Ach so! Frau Piel möchte antworten.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Nein, Herr Limburg!)

- Herr Limburg wird antworten.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Nacke, hören Sie doch auf - wie es gerade schon Ihr Fraktionskollege Dirk Toepffer getan und was Herr Birkner zu Recht zurückgewiesen hat -, so zu tun, als sei jeder, der Ihren Vorschlag, den Reformationstag als Feiertag zu nehmen,

(Dirk Toepffer [CDU]: Das ist gar nicht unser Vorschlag!)

aus welchen Gründen auch immer ablehnt, irgendwie religionsfeindlich oder gegen religiöse Gemeinschaften oder Ähnliches! Hören Sie doch auf, dies hier immer wieder zu unterstellen! Das ist

nicht wahr, und das können Sie allein daran sehen, dass es selbst innerhalb der Religionsgemeinschaften - nehmen Sie die katholische Kirche, die jüdischen Verbände - viele gut begründete Ablehnungen gibt, wenn es darum geht, diesen Tag zum Feiertag zu erklären.

Herr Nacke, so kommen Sie hier nicht durch. Sie wissen ganz genau, dass es bei uns Grünen verschiedenste Überzeugungen gibt.

Aber - das ist der zweite Punkt - wir alle sitzen hier ja nicht als Privatpersonen mit unserem Glauben und unseren Meinungen und Auffassungen, sondern wir sitzen hier als gewählte Repräsentantinnen und Repräsentanten aller Menschen in Niedersachsen,

(Wiard Siebels [SPD]: Genau! Des- wegen wollen wir eine Entscheidung treffen!)

und wir haben die Verantwortung, jenseits unserer persönlichen Überzeugung eine Entscheidung für alle zu treffen.

Die Zielrichtung der Debatte über den zusätzlichen Feiertag war zu Beginn, einen Feiertag zu schaffen, der den Menschen in Niedersachsen sozusagen gemeinsam gut tut. Aber spätestens jetzt, im Mai 2018, müssen wir erkennen, dass dieses Ziel mit dem Reformationstag nicht erreicht wird. Es gäbe - das wissen Sie - viele Tage, mit denen Sie mehr Einigung stiften könnten. Aus welchem Grund Sie das verweigern, wird wohl für immer Ihr Geheimnis bleiben, lieber Herr Nacke, liebe CDU.

(Glocke der Präsidentin)