Protokoll der Sitzung vom 16.05.2018

Sie nehmen im Weiteren auch das säkulare Verständnis unserer Gesellschaft in Bezug. Das ist ganz spannend, weil Sie plötzlich aus der religiösen Bedeutung rüberspringen, indem Sie sagen,

dass das alles auch eine weltliche Bedeutung habe. Wenn Sie am Ende dieses Verständnis herbeiführen wollen, stellt sich die Frage, warum Sie nicht einen weltlichen Feiertag einführen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Ich will gar nicht abstreiten, dass die Reformation mit Sicherheit eine hohe Bedeutung hat. Viel entscheidender für das Verständnis unserer heutigen Gesellschaft sind die Werte und Normen des Grundgesetzes, aber nicht der Reformationstag bzw. die Reformation. Wir haben eine Verfassung, die die für uns zentralen Werte genau beschreibt. Wenn man schon darüber nachdenkt, diese Werte und Normen in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken, dann spricht in der Tat mehr dafür, den Tag des Grundgesetzes in den Fokus zu nehmen als den Reformationstag und keine gekünstelte und hergeleitete Argumentation für die säkulare Bedeutung in der Gegenwart zu bringen. Dafür gibt es viel bessere, demokratisch legitimierte Entscheidungen, nämlich die Verabschiedung des Grundgesetzes, das von uns allen gemeinsam getragen wird.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Schließlich heißt es in dem Gesetzentwurf, dass sich der Reformationstag - der die religiöse Freiheit in den Mittelpunkt stellt, wie es in der Begründung heißt - dafür eigne, als Tag der christlichen Ökumene und der interreligiösen Verständigung zu dienen. Auch das, mit Verlaub, ist anmaßend. Die Katholische Kirche lehnt den Reformationstag als Feiertag ab. Die Vertreter des jüdischen Glaubens lehnen den Reformationstag als Feiertag ab. Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass dieser Tag als Tag der religiösen Verständigung geeignet ist, obwohl diese Vertreter genau das Gegenteil bekundet haben. Auch in der Hinsicht wollen Sie doch etwas überstülpen und vorgeben. Auch das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Im Ergebnis, Herr Ministerpräsident, haben Sie diese Debatte im Wahlkampf angezettelt.

(Glocke der Präsidentin)

- Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Sie instrumentalisieren damit - und haben im Wahlkampf instrumentalisiert - religiöse Angele

genheiten zu Wahlkampfzwecken. Es ist erstaunlich, was wir von Ihnen in Bezug auf das lesen müssen, was Markus Söder mit den Kreuzen gemacht hat. Sie sagen dazu:

„Ich halte von solchen Aktionen gar nichts. Der Staat ist religiös neutral, wir haben keine Staatsreligion.“

Genauso ist es. Aber genau das Gegenteil haben Sie getan und verfolgen Sie hier weiterhin. Sie haben schon längst „gesödert“, bevor Ministerpräsident Söder überhaupt Ministerpräsident geworden ist.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Sie haben die Religion instrumentalisiert. Deshalb werden wir dies auch nicht mittragen und lehnen einen neuen, weiteren gesetzlichen Feiertag ab.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Wiard Siebels [SPD]: Un- glaublich!)

Danke, Herr Dr. Birkner. - Zu einer Kurzintervention hat sich nun der Kollege Dirk Toepffer für die CDU gemeldet.

Lieber Kollege Birkner, ich finde es traurig, dass der Appell des Kollegen Nacke, dass wir hier für bestimmte Tage und nicht gegen bestimmte Tage kämpfen sollten, so ungehört verhallt - jedenfalls bei Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wir positio- nieren uns schon selbst, Herr Kollege!)

Sie haben über Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit gesprochen. Ich lese Ihnen einmal folgendes Zitat vor:

„Martin Luther, wir rufen dir zu, dass wir dich noch immer kennen! Und wenn abermals 100 Jahre vorbei sein werden, wird immer noch zu dir der Klang der Dankbarkeit dringen: die Deinen bleiben dir treu!“

Friedrich Naumann, 1917, nachzulesen auf der Website Ihrer Parteistiftung.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herr Dr. Birkner möchte antworten.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Toepffer, ich denke, Sie sollten die Dinge nicht vermischen.

(Lachen bei der SPD)

- Moment! Das ist, glaube ich, das Problem an der Debatte: dass Sie gleich in vorgefertigten Mustern denken.

(Dirk Toepffer [CDU]: Nein!)

Selbstverständlich ist der Wert der Reformation völlig unbestritten, gerade für Friedrich Naumann, einen sehr christlich geprägten Menschen. Wir reden hier aber auch über die Frage der individuellen Einstellung zu Religion. Und da wären wir, da wäre ich der Letzte, der das irgendjemandem abspricht.

Selbstverständlich ist das für Naumann ein wichtiges Zitat. Aber wir diskutieren hier über die Frage, ob der Staat einen Tag zum gesetzlichen Feiertag erhebt. Und das geht eben weit über die Frage der individuellen Einstellung zu Religion und des Lebens von Religion hinaus.

Was Sie tun, ist verräterisch. Nach Ihrer Auffassung ist der, der einen solchen Tag ablehnt, nicht religiös und weiß Religiosität nicht zu schätzen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall!

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! - Zuruf von der SPD)

Wir sind für die Trennung von Staat und Religion - so gut es geht -, für einen säkularen Staat. Wir mischen uns nicht in die privaten Angelegenheiten ein und erheben sie nicht zum Maßstab für das staatliche Handeln.

(Dirk Toepffer [CDU]: Weil es nur 45 % sind!)

Dafür gibt es das Grundgesetz, die Verfassung, die die Werte und Normen bedient - und nicht diese religiösen Angelegenheiten, die Sie in den Mittelpunkt stellen wollen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Schönen Dank. - Jetzt hat sich Kollegin Anja Piel von Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, gefühlt reden wir in Niedersachsen schon seit einer Ewigkeit über einen neuen Feiertag. Aber die Art und Weise, wie Sie, Herr Ministerpräsident, dieses Thema angegangen sind, ist wenig feierlich. Dialog? - Fehlanzeige! Breite Beteiligung? - Fehlanzeige! Berücksichtigung berechtigter Einwände und Interessen? - Fehlanzeige!

(Wiard Siebels [SPD]: Bei uns im Landtag, ja!)

- Es nutzt auch nichts, dass Herr Nacke an dieser Stelle wortreich erklärt hat, dass er die Abstimmung freigibt. Das ist noch keine Beteiligung - vielleicht eine Beteiligung der Fraktion, aber bestimmt nicht draußen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Wiard Siebels [SPD])

Der Gesetzentwurf, den Sie heute vorlegen, ist wahrlich keine Überraschung mehr, nachdem Sie bereits bei den Nordländerkolleginnen und -kollegen auf den Reformationstag Wert gelegt haben.

Im Februar haben Sie noch beteuert, der parlamentarischen Debatte nicht vorgreifen zu wollen. Heute reden Sie davon, dass Sie keine Insellösung wollen. Und da nützt es doch überhaupt nichts, Herr Nacke, dass Sie jetzt so tun, als hätten Sie noch fünf andere Feiertage im Strauß. Die Festlegung ist getroffen, und die hat Ihr Ministerpräsident im Februar getroffen, als er mit den Kollegen geredet hat.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! - Wiard Siebels [SPD]: Und wir auch!)

Ich nehme die Reformation und den Wert der Reformation sehr ernst. Das will ich Ihnen hier mit großer Gewissheit sagen. Ich finde, da ist Großartiges geleistet worden, und das ist auch für die Nordländer ein wichtiger Punkt. Aber Ihr Vorgehen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, hat mit der Idee der Reformation nur sehr wenig zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP - Helge Lim- burg [GRÜNE]: Richtig!)

Luther wollte die Menschen gegenüber den Mächtigen stärken. Das ist aber nicht mit der Freigabe

der Abstimmung in den Fraktionen getan, Herr Nacke. Dafür braucht es ein bisschen mehr in der öffentlichen Debatte.

(Wiard Siebels [SPD]: Was denn noch?)

Sie wollen mit Ihrem Reformationstag den interreligiösen Dialog stärken. Tatsächlich hat der interreligiöse Dialog aber erst einmal mit einer diplomatischen Ohrfeige in Richtung der jüdischen Gemeinden begonnen.