Protokoll der Sitzung vom 17.05.2018

Herr Kollege Ahrends, es tut mir leid, aber auch das ist nicht durch die Geschäftsordnung gedeckt. Es geht um eigene Ausführungen, für die Sie hier die Chance bekommen, diese berichtigen zu dürfen. Es geht nicht um die Ausführungen von Kollegen und Kolleginnen.

Ich sagte, dass wir gestiegene Mordzahlen haben. Das wurde angezweifelt. Ich wollte die Zahlen nennen.

(Unruhe - Christian Meyer [GRÜNE]: Wir sind hier nicht in der Fragestunde!)

Sie dürfen Angriffe zurückweisen und eigene Ausführungen berichtigen.

Ich verzichte auf das Wort.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der CDU und der SPD)

Ja, Herr Kollege, das ist auch angebracht, weil Ihre Bemerkungen nicht von der Geschäftsordnung gedeckt waren.

Dann fahren wir jetzt fort. Ich eröffne die Besprechung zu

b) Brennpunktschulen in Niedersachsen - Droht der Flächenbrand? - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/879

Zur Einbringung erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Rykena.

(Unruhe)

- Ich darf um Ruhe im Plenarsaal bitten.

Bitte, Herr Kollege!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor knapp einer Woche berichteten die Zeitungen über einen Besuch von Herrn Kultusminister Tonne an der Peter-UstinovSchule in Hannover-Ricklingen. Diese Oberschule gilt schon lange als sogenannte Brennpunktschule. Brennpunktschule? - Was bedeutet das eigentlich?

Ich nehme zur Veranschaulichung einmal ein paar Einzelheiten aus dem Bericht der Neuen Presse: In den Klassen sitzen überwiegend Migrantenkinder mit großen Problemen der deutschen Sprache. Schulschwänzen ist zur Norm geworden. Es fliegen Gegenstände durch das Klassenzimmer. Lehrkräfte wie Mitschüler werden mit obszönen und fäkalen Ausdrücken massiv beleidigt. 90 % der Schüler haben Förderbedarf und können dem Unterricht nicht folgen. Und, so erklärt die Schulleiterin fast als Erfolgsmeldung, es gibt nur wenige Polizeieinsätze bei uns.

Können Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, an irgendeinen Polizeieinsatz in Ihrer Jugend an Ihrer eigenen Schule erinnern? - Ich nicht.

(Wiard Siebels [SPD]: Ja!)

Und da gilt es heute an einer Brennpunktschule schon als Erfolg, dass es aktuell nur wenige sind.

Bei allen befragten Politikern wie Praktikern scheint es für diese Schule nur eine realistische Möglichkeit zur Reaktion zu geben: Man muss die allgemein geltenden Lehrpläne aussetzen. Man muss die schulischen Anforderungen an dieser Schule nach unten ziehen, um Raum für das Erlenen grundlegender sprachlicher wie sozialer Kompetenzen zu schaffen. - Das halten wir sogar für nachvollziehbar. Doch an dieser Stelle wäre auch Mut zur Wahrheit angesagt: Damit sind vergleichbare Schulabschlüsse nach bisherigem Verständnis dort nicht mehr erreichbar. Und das wiederum ist bedenklich.

In der Folge stellt sich nämlich die Frage: Wie viele solche Brennpunktschulen gibt es in Niedersachsen denn bereits? Sind es schon so viele, dass man eher von regionalen Brandherden sprechen müsste als von einzelnen Brennpunkten?

So ganz genau wissen wir das nicht, aber am 22. September 2017 schrieb man auf den Seiten des MK: Im Rahmen der Initiative schulische Sozialarbeit in sozialen Brennpunkten identifizierte man z. B. Schulen in Braunschweig, Salzgitter, Gifhorn, Göttingen, Peine, Hannover, Hildesheim, Garbsen, Emmerthal, Lüneburg, Stade, Delmenhorst, Wilhelmshaven, Emden, Quakenbrück, Leer, Großenkneten/Wildeshausen.

Die genauen Probleme werden im jeweiligen Fall sicherlich unterschiedlich sein. Eine Gemeinsamkeit zeigt sich jedoch bei allen Brennpunktschulen. Sie alle haben einen sehr hohen Migrantenanteil.

(Ulf Thiele [CDU]: Leer? Wovon reden Sie da? Waren Sie da?)

Und der hat Folgen. Überdurchschnittlich viele Kinder haben einen fremden kulturellen Hintergrund, haben Probleme mit der deutschen Sprache, haben wenig Unterstützung von zu Hause, zeigen eine unterdurchschnittliche Lernbereitschaft, stammen aus einem Haushalt mit geringer Wertschätzung für Bildung und erzielen infolgedessen schlechte Lernergebnisse trotz intensiver Bemühungen durch Lehrer und weiterer außerschulischer Förderungsangebote.

Auch in nicht eindeutig als Brennpunktschule identifizierten Einrichtungen steigt die Zahl von Kindern aus bildungsfernen wie migrantischen Schichten.

In der am 13. Oktober 2017 veröffentlichten innerdeutschen Vergleichsstudie - besser bekannt als IQB-Studie - war zu lesen: Der Anteil an Viertklässlern mit Zuwanderungshintergrund liegt im Jahr 2016 bei etwa 34 % und ist damit gegenüber 2011 um mehr als ein Drittel gestiegen - innerhalb von fünf Jahren. - Doch das sind nur die durchschnittlichen Zahlen. Dahinter stecken weitere bedenkliche Entwicklungen. Die 34 % verteilen sich nämlich nicht gleich, sondern sie kumulieren, eben in den Brennpunktschulen. In den von der Studie untersuchten Bereichen gehörte Niedersachsen übrigens jeweils zum schwächsten Drittel der deutschen Bundesländer, und zwar in den Bereich Zuhören und Mathematik, das - ich zitiere - deutliche Rückgänge in der Leistungsfähigkeit der Grundschüler zu verzeichnen hat.

Es brennt in der niedersächsischen Schullandschaft an allen Ecken, und ein weiterer Windstoß könnte aus diesen einzelnen Brandherden einen katastrophalen Flächenbrand machen, der schließlich gar nicht mehr kontrollierbar wäre. - Und dann

diskutieren wir nachher in diesem Plenum über den Familiennachzug.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Politze.

(Ulf Thiele [CDU] und Harm Rykena [AfD] sprechen miteinander)

- Nun, Herr Kollege Thiele, hat Herr Politze das Wort, und ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.

Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Titel des Antrages zur Aktuellen Stunde war ja eigentlich schon relativ entlarvend, aber der Redebeitrag des Kollegen Rykena an dieser Stelle noch mehr. Dass nun eine Partei, die eher durch verbale „Brandstiftung“ ständig glänzt, über Brennpunkte oder Flächenbrand spricht, ist schon wirklich abenteuerlich, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Verständnis für Bildungspolitik kann niemand mehr nachvollziehen. Es empfiehlt sich aus unserer Sicht auf jeden Fall, mit und nicht über die Schulen zu reden und vielleicht einmal in die Peter-Ustinov-Schule zu fahren,

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

wie es der Kultusminister sowie Frau Wulf und ich auch gemacht haben, sehr geehrter Herr Rykena.

Vor allen Dingen möchte ich eines an dieser Stelle ziemlich deutlich sagen. Der Zusammenhang, den Sie mit der Zuwanderung hergestellt haben, trifft auf Schule heute nur bedingt zu. Wenn Sie einmal auf die Rütli-Schule in Berlin gucken! Die Probleme dort gab es schon deutlich vor dem Jahr 2015. Diese Schule hat sich gewünscht, dass das nicht stattfindet, was Sie gerade gemacht haben, und zwar Stigmatisierung, einen Teufelskreis aufmachen, um Schulen herunterzureden, meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und von Ulf Thiele [CDU])

Wir reden an dieser Stelle über ein bundesweites Thema und nicht über ein niedersächsisches Thema, und das ist ein ernstes Thema. Es gibt zahlreiche gute Beispiele, die zeigen, dass die Vernetzung und Zusammenarbeit der verschiedenen Akteuren wie Kita, Schule, Schulträger, aber auch Zivilgesellschaft dazu führen, dass es gute Lösungen gibt und nicht Probleme herbeigeredet werden.

Schulen in besonderen Lagen und mit besonderen Herausforderungen brauchen auch besondere personelle Ausstattungen. Deswegen gönne ich Ihnen einen Blick zurück. Den können Sie als AfD nicht haben, weil Sie zum Glück dem Landtag bisher nicht angehört haben.

Wir haben das Thema Ganztag auf den Weg gebracht, deutlich ausgebaut mit über 400 Millionen Euro. Wir haben das Thema Schulsozialarbeit als Landesaufgabe etabliert: von 560 Schulsozialarbeitern auf über 1 000 Stellen mit einem Volumen von 55 Millionen Euro. Wir haben sogenannte multiprofessionelle Teams mit 650 Stellen an Schulen als Start eingerichtet und mit einem Volumen bis 2021 von über 200 Millionen Euro geplant. Wir haben die Sprachangebote ausgebaut. Die Zahl der Sprachlernklassen ist von unter 60 auf über 600 angewachsen. DaZ und Ähnliches gehören dazu. Wir haben das 60-Millionen-Programm des Bundes auf Landesebene verstetigt, um Kitas bei besonderen Herausforderungen zu fördern, meine sehr geehrten Damen und Herren. All das hat etwas mit besonderen Lagen für Bildungseinrichtungen zu tun.

Wir haben auch die Bildungsregionen und Bildungsbüros weiter ausgebaut und auf den Weg gebracht. Das sorgt dafür, dass eine Vernetzung mit der Jugendhilfe stattfindet. Ich glaube, das ist ein zentraler Schlüssel zur Lösung der Probleme, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

All das geschieht im Übrigen präventiv, um Vorsorge zu treffen, dass Schulen nicht mehr in besondere Lagen kommen.

Herr Kollege Politze, ich darf Sie kurz unterbrechen! Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Emden zu?

Ja, gerne.

Bitte, Herr Kollege!

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Jetzt kommt es wieder!)