Sie haben gerade aufgeführt, was Sie alles gemacht haben wollen, um zu einer Verbesserung der Situation zu kommen. Ich frage Sie, wie Sie sich erklären, dass es eben nicht zu einer Verbesserung der Situation kommt, sondern dass die Zahl der Brennpunktschulen zunimmt.
Vielen Dank. - Frau Kollegin Hamburg, die Frage war an den Herrn Kollegen Politze gerichtet, der jetzt auch antwortet. Bitte!
Herr Kollege Emden, ich teile Ihre Einschätzung nicht. Die Bedeutung des Themas Brennpunktschulen nimmt nicht zu. Das Thema beschäftigt uns bundesweit, weil es etwas mit entstehenden Sozialräumen zu tun hat, weil es etwas mit Wohnungsbau in Niedersachsen zu tun hat, weil es etwas mit der Zusammensetzung von Gesellschaft zu tun hat und weil es etwas mit Infrastruktur zu tun hat.
Das ist die Antwort. Die Zahl der Brennpunktschulen nimmt nicht zu, wie Sie es suggerieren, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Zur Lösung bedarf es all dieser Programme, die auf den Weg gebracht sind. Es bedarf zielgerichteter Kooperationsvereinbarungen zwischen Kommunen, Schulen und der Landesschulbehörde. All das findet statt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es bedarf besonderer Beratungsangebote, z. B. im Zusammenhang mit Schulabsentismus. Das ist ein Punkt, der auch die Peter-Ustinov
Schule beschäftigt. Auch hier ist es wichtig, dass man mit den kommunalen Sozialdiensten zusammenarbeitet. Das macht die Schule - und auch die Landesschulbehörde - vorbildlich. Das könnte man vor Ort auch feststellen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es gibt auch ein Programm des Sozialministeriums im Land Niedersachsen, das sich „Soziale Integration im Quartier“ nennt. Das wurde im letzten Jahr auf den Weg gebracht. Auch das trägt dazu bei, dass wir eine deutliche Verbesserung in diesen Bereichen haben.
Brennpunkte entstehen in den Köpfen. Sie entstehen bei solchen Debatten, wie sie von Ihnen geschürt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Deswegen: Raus aus Stigmatisierungsdebatten, die diese Probleme nicht lösen werden! Wir brauchen Zeit, um die Maßnahmen wirken zu lassen. Wir brauchen Zeit, um feststellen zu können, wie man sie weiter ausbauen kann. Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition gibt dafür deutliche Hinweise: beim Thema Schulsozialarbeit, beim Thema Multiprofessionalität und beim Thema Ganztag.
Nur ein Gesamtkonzept kann dem Rechnung tragen. Und vor allen Dingen muss man die Schulen individuell und regional betrachten. Eine Glocke über das ganze Land zu legen, bringt uns an dieser Stelle nicht weiter. Jede Schule muss individuell betrachtet werden. Deswegen bin ich dem Kultusminister sehr dankbar, dass er in der PeterUstinov-Schule war, um vor Ort zu prüfen, wie man regionale und individuelle Lösungen schaffen kann.
Es gibt aber noch ein weiteres Instrument, das uns Herr Professor Werning im Kultusausschuss mit auf den Weg gegeben hat. Die Heterogenität der Schülerschaft vor Ort ist entscheidend. Wie man z. B. die Schülerschaft einer Grundschule mischt, hat ein Schulträger in der Hand. Wir begleiten die Schulträger sehr gerne dabei, diese Heterogenität herzustellen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Kollege Politze. - Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Hamburg. Bitte!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ist sie wieder: die Angstdebatte, die Suche nach potenziellen Sündenböcken - kurz: die Panikpolitik der AfD.
Herr Rykena, wenn Sie sich hier über Schimpfwörter beklagen, dann reflektieren Sie doch einmal Ihre Auftritte im Bundestag oder auch hier im Landtag! Wenn Sie sagen, Honecker wäre stolz auf uns, dann fällt mir nicht ein, wie Sie noch ein Vorbild für irgendwelche Schülerinnen und Schüler sein wollen.
Ich sage Ihnen ganz deutlich, Herr Rykena: Angst ist immer ein sehr schlechter Berater. Es ist natürlich unglaublich wichtig, Probleme zu benennen. Aber als Politiker nicht nach Lösungen für diese Probleme zu suchen, ist einfach ungenügend. Das muss ich Ihnen an dieser Stelle deutlich sagen.
Das Thema Brennpunktschulen ist virulent. Wir beschäftigen uns in diesem Landtag seit vielen, vielen Jahren damit. Natürlich kann man sagen: Angemessene und gute Lösungen haben wir noch nicht gefunden. - Sicherlich haben wir immer wieder an Schrauben gedreht und die Situation damit besser gemacht. Herr Politze hat das soeben ausgeführt. Zum Beispiel hat Rot-Grün extra für diese sogenannten Brennpunktschulen eine bessere Personalausstattung und zusätzliche Schulsozialarbeit auf den Weg gebracht. Trotzdem kann man sehen, dass viele dieser Schulen immer noch übermäßig belastet werden und Unterstützung brauchen.
Ein weiteres Problem wird bei der derzeitigen schlechten Unterrichtsversorgung hier im Land deutlich. Wenn Lehrkräfte eher Mangelware sind, als dass sie im Überfluss vorhanden sind, suchen sie sich ihre Schulen aus. Dann gehen sie nicht an die stigmatisierte sogenannte Brennpunktschule, sondern vielleicht an eine andere Schule, die in irgendeinem städtischen Raum liegt. Auch im ländlichen Raum ist dadurch ein großes Problem zu verzeichnen. Dem muss man begegnen.
Migranten im Land sind, haben wir plötzlich Brennpunktschulen. - Damit führen Sie eine absolut verkürzte und unsachliche Angstdebatte. Wir müssen Maßnahmen diskutieren, wie etwa Hamburg sie gewählt hat.
Hamburg hat einen Sozialindex eingeführt und richtet die Lehrerversorgung nach der sozialen Zusammensetzung an den Schulen aus. Dadurch berücksichtigt Hamburg insbesondere sogenannte Brennpunktschulen oder besonders belastete Schulen, belastet von Kindern, die vielleicht eher einen bildungsfernen Hintergrund haben. Das sind im Übrigen nicht nur Kinder von Migranten, Herr Rykena, wenn ich Sie belehren darf.
- Das haben Sie gerade sehr wohl behauptet. Man ermittelt also die Zusammensetzung an den Schulen und richtet danach die Lehrerversorgung aus.
Eine andere Möglichkeit wäre, Schuleinzugsgebiete zu diskutieren, und zu schauen, dass sich aufgrund der wohnungsbaupolitischen Versäumnisse der Vergangenheit nicht alle entsprechenden Schülerinnen und Schüler an einigen Schulen ballen, die dann zu sogenannten Brennpunktschulen werden.
Ansonsten kann man natürlich diskutieren - das hat Herr Politze soeben ausgeführt -, ob Lehrkräfte, die an solchen Schulen unterrichten, mehr Anrechnungsstunden bekommen, weil sie mehr Unterrichtsvorbereitung und Unterrichtsnachbereitung leisten müssen. Man kann diskutieren, dass man den Schulen allgemein mehr Freiräume in ihrer Steuerung und Gestaltung gibt, etwa durch Doppelbesetzung in den Klassen oder aber beispielsweise durch diese Anrechnungsstunden.
Nicht zuletzt ist es auch wichtig, darüber zu reden, wie man diese Schulen stärker mit dem Stadtteil, mit der Jugendhilfe und mit den kommunalen Trägern vernetzen und wie man an diesen Schulen Schulsozialarbeit stärker etablieren kann. Dabei ist doch eines besonders wichtig, Herr Rykena. Diese Schulen brauchen Perspektiven, und sie brauchen ein Profil. Das macht die Rütli-Schule beispielsweise vor, und sie braucht garantiert keine Stigmatisierung. Aus solchen Schulen können richtig gute Schulen werden, wenn man aufhört, sie zu brandmarken.
Anders, als Sie immer wieder behaupten, stellen gerade nicht die IGSen oder die inklusiven Schulen das Problem in der Debatte dar. Nein, diese sind auch ein Weg zur Abmilderung des Problems. Eine heterogene, gute Zusammensetzung von Schülergruppen fördert nicht nur den Lernerfolg, sondern sie sorgt auch dafür, dass sich diese Probleme nicht an bestimmten Schulen ballen, sondern dass sie sich verteilen und dass ihnen so besser begegnet werden kann.
Frau Kollegin Hamburg, ich darf Sie unterbrechen. Herr Kollege Wichmann bittet darum, eine Zwischenfrage stellen zu dürfen.
Ich bin ja ganz bei Ihnen. Wenn man die RütliSchule in den Blick nimmt, sieht man ein Erfolgsmodell. Wissen Sie aber auch, was das gekostet hat und wie lange es gedauert hat? Die RütliSchule hat sehr viel Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit bekommen. In einem Sonderprogramm sind, glaube ich, 32 Millionen Euro eingesetzt worden. Ich habe das nachgelesen. Ein Interview - - -
Entschuldigung! Meine Frage ist: Wollen wir wirklich bei allen Schulen ein derartiges Sonderprogramm machen? Ist das realistisch?
Herr Wichmann, ich habe nicht gesagt, dass wir überall wie bei der Rütli-Schule verfahren sollten. Falls Sie sich daran erinnern - ich erinnere mich noch sehr gut daran -: Das war mein erster Kontakt mit diesem Thema. Ich war noch relativ jung. Da war die Rütli-Schule als hoffnungslos verschrien und abgeschrieben.
Ich will nur aufzeigen, dass eine Stigmatisierung eben nicht dazu führt, dass man den Schulen hilft. Man muss Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu verbessern. Wir müssen diskutieren, wie man Schüler unterschiedlich verteilt oder wie man die Lehrerausstattung vernünftig verteilt und wie man Jugendhilfe und Schulsozialarbeit vernetzt. Ich sage Ihnen: Es gibt viele Schulen, bei denen Sie nicht 32 Millionen Euro pro Schule brauchen, um das auf den Weg zu bringen. Und selbst wenn ich einen solchen Betrag einmal investieren müsste, um das Problem zu lösen, wäre das wahrscheinlich nachhaltig und wertvoll.