Protokoll der Sitzung vom 19.06.2018

Aus meiner Sicht ist die Reformation eines Feiertages würdig. Ich würde mich freuen, wenn wir zu einem Beschluss kommen, und lade alle Menschen in Niedersachsen ein, diesen Tag zu nutzen, um über die Bedeutung und die Folgen der Reformation zu reflektieren. Es würde sich lohnen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Ich war sehr großzügig mit der Redezeit. Das gilt natürlich für alle anderen Rednerinnen und Redner auch.

Es hat nun das Wort für die FDP-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Birkner.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sinn und Zweck von Feiertagen ist es, besondere gesellschaftliche oder religiöse Ereignisse zu begehen. Das Feiertagsgesetz in Niedersachsen und auch alle anderen Feiertagsgesetze unterscheiden da ja durchaus: Es gibt einerseits die staatlich anerkannten Feiertage und andererseits die kirchlichen Feiertage. An den staatlich anerkannten Feiertagen ist der gesamte Arbeitstag frei, und die kirchlichen Feiertage haben einen etwas geringeren Schutz.

Für uns ist zunächst einmal Ausgangspunkt für die Diskussion, dass sich die Frage stellt, um welchen besonderen gesellschaftlichen und religiösen Anlass es eigentlich geht, der es notwendig macht, einen bestimmten Tag unter einen besonderen gesetzlichen Schutz zu stellen. Unzweifelhaft sind

sowohl der Reformations- als auch der Buß- und Bettag besondere religiöse Anlässe. Die Frage ist aber, ob es nötig ist, sie auch als einen staatlich anerkannten Feiertag zu schützen, und ob es nicht ausreichend ist - so, wie es das Gesetz ja bisher schon vorsieht -, sie als kirchliche Feiertage geschützt zu belassen.

Unserer Ansicht nach ist ein solcher besonderer Schutz als staatlich anerkannter Feiertag für beide Tage in einer zunehmend säkularisierten und auch vielfältigeren Gesellschaft nicht notwendig und nicht gerechtfertigt.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Das, meine Damen und Herren, gilt besonders für den Reformationstag.

Ich möchte auf einige wesentliche Argumente eingehen, die in der Debatte zur Begründung angeführt worden sind, auch gerade wieder von dem Kollegen Nacke, dass doch die Reformation die Grundlage für unser modernes Staats- und Gesellschaftsverständnis sei und am Ende auch der Aufklärung zugrunde liege und damit wesentlich sei. Ich möchte dazu nur ein kurzes Zitat aus der Anhörung bringen. Frau Dr. Jureit hat dabei ausgeführt:

„Luthers theologischer Freiheitsbegriff unterschied sich fundamental von einem aufklärerischen Verständnis, wie es später - wir reden von 250 Jahren später - für die beginnende Moderne grundlegend wurde. Weder Toleranz, noch Gewissens-, noch Glaubens-, noch Religionsfreiheit zeichneten die religiösen Erneuerungsbewegungen des 16. Jahrhunderts aus.“

Meine Damen und Herren, damit ist die Reformation eben nicht, wie es hier gerade getan wurde, als Begründung für unsere freiheitliche demokratische Gesellschaftsordnung, wie wir sie heute haben, heranzuziehen. Also geht dieses Argument fehl.

Das setzt sich fort bei der vom Ministerpräsidenten eingeführten Begründung, es solle ein Tag des interreligiösen Dialogs sein. - Interreligiöser Dialog ist zu begrüßen. Das ist keine Frage. Aber für sich genommen kommt dem Reformationstag keine Bedeutung im interreligiösen Dialog zu. Das muss dann durch die kirchlichen und religiösen Akteure entsprechend realisiert werden. Aber wir wissen doch spätestens seit der Anhörung - auch schon aus den Äußerungen davor -, dass von der katholischen Kirche, von den Vertretern der jüdischen Gemeinden der Reformationstag abgelehnt wird

und gerade dieser interreligiöse Dialog sich eben dort nicht realisieren lassen wird.

Das ist genau der Vorwurf, Herr Ministerpräsident, den ich Ihnen mache: Dass Sie im Wissen dieser eher spaltenden Positionierung und Reaktion, die damit einhergeht, mit eben dieser Diskussion und der Art und Weise, wie Sie sie betrieben haben, zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen haben und gerade nicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Mittelpunkt gestellt haben.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Ein weiteres Argument, das sich auch im Gesetzentwurf findet, ist, dass etwa 50 % der Niedersachsen evangelischen Glaubens seien. - Es möge einmal dahingestellt sein, ob diese Zahl tatsächlich stimmt. Es gibt ja auch begründete Darlegungen, dass das gar nicht stimmt und zu hoch gegriffen ist. Aber die Frage ist doch, ob es tatsächlich auf die Religionszugehörigkeit ankommt.

Stellt sich nicht vielmehr die Frage, wie hoch eigentlich der Anteil der aktiven Christen ist, also inwieweit der Glaube tatsächlich gelebt wird? Ist das nicht viel entscheidender als die formale Betrachtung der Religionszugehörigkeit und damit verbunden die Frage, wie viele Menschen diesen Tag eigentlich aus religiösen Motiven heraus als Reformationstag persönlich begehen wollen? - Da muss man ja ernüchternd feststellen, dass ein Blick in die Kirchen und auch auf die Entwicklung der Mitgliedszahlen auch und insbesondere der evangelischen Kirchen ein anderes Bild zeichnet und dies auch nicht dafür spricht, die Anzahl der Christen in Niedersachsen, die formal diese Zugehörigkeit haben, als Begründung heranzuziehen.

Ferner wird das berühmte Argument angeführt, dass man ja im norddeutschen Verbund gemeinsam vorangehen müsse. Dazu möchte ich auf das verweisen, worüber wir hier schon wiederholt diskutiert haben und was auch die Kollegin Piel angeführt hat: Dies ist ein konstruiertes Argument, weil es durch den Ministerpräsidenten selbst herbeigeführt wurde. Zu dem Zeitpunkt, als diese norddeutsche Vereinbarung getroffen wurde, haben wir hier noch gar nicht darüber diskutiert. Das heißt, es wurde erst eine Vereinbarung getroffen und dann dem Landtag gesagt: Und im Übrigen müssen wir jetzt dieser Vereinbarung folgen! - So kann der Weg nicht sein. Ich finde, da muss ein selbstbewusstes Parlament auch die Haltung haben, dass das zumindest nicht leitend ist für die Begründung

und nicht leitend sein darf für einen entsprechenden Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, alles in allem sind das Punkte, die aus unserer Sicht dazu führen, dass sich keine überzeugende Begründung für die Erhebung des Reformationstages von einem kirchlichen Feiertag zu einem staatlich anerkannten Feiertag ergibt. Sie ist nicht gegeben, weil die besondere religiöse und gesellschaftliche Bedeutung nicht dargelegt ist.

Jetzt gibt es unabhängig von der Frage, ob Reformations- oder Buß- und Bettag, die Debatte, dass man auf jeden Fall einen Feiertag haben müsse. Diese Diskussion finde ich schon etwas schräg, weil ein Feiertag eigentlich aus sich heraus so gesellschaftlich-religiös bedeutsam sein muss, dass er sich aufdrängt. Wenn man sich der Frage aber anders nähert und sagt: Die anderen werden besser behandelt, dann dreht man nach unserer Auffassung das Verhältnis um. Immer wieder wird gesagt - auch das kam hier heute vor -, dass Niedersachsen gegenüber anderen Ländern benachteiligt sei.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Natürlich!)

Was die Anzahl der Feiertage angeht, kann man das vielleicht so sehen. Aber reicht das aus, um einen neuen Feiertag zu begründen?

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ja!)

Wir meinen, dass das nicht ausreicht.

Denn ein Feiertag muss sich aus sich selbst heraus begründen und eben nicht aus einer gefühlten Ungleichbehandlung. Sinn und Zweck des Feiertagsgesetzes ist es nicht, hinsichtlich der Anzahl der Feiertage gleiche Verhältnisse in den Bundesländern zu bekommen.

Als Argument wird angeführt, die wirtschaftlichen Auswirkungen seien ja gar nicht so gravierend. Da wird immer auf Bayern geguckt. Bayern - so heißt es dann immer - habe ja viel mehr Feiertage und sei viel produktiver. Deshalb könne sich auch Niedersachsen mehr Feiertage leisten. Das Beispiel Bayern zeige, dass die Produktivität offensichtlich nicht leide.

Man könnte aber auch auf die Idee kommen, meine Damen und Herren, dass sich Bayern mehr Feiertage leisten kann, weil es eben produktiver ist. Deshalb ist das Argument, wie es hier vom Wirtschaftsminister und auch vom Ministerpräsidenten eingebracht wird, viel zu oberflächlich und

viel zu schlicht gedacht, als dass es die Bedenken gegen einen zusätzlichen Feiertag tatsächlich entkräften und ihn am Ende begründen könnte.

(Glocke der Präsidentin)

- Frau Präsidentin, ich habe die Zeit im Blick und komme auch gleich zum Schluss.

Am Ende, meine Damen und Herren, bleibt der aus Sicht der Betroffenen durchaus nachvollziehbare Wunsch nach einem weiteren bezahlten arbeitsfreien Tag ein schlichtes Wahlversprechen des Ministerpräsidenten. Dies über das Feiertagsgesetz umzusetzen, ist aber mangels belastbarer Gründe und Rechtfertigungen aus unserer Sicht nicht machbar. Deshalb lehnen wir diesen Weg ab. Am Ende ist das, was Sie versuchen zu erreichen, Herr Ministerpräsident, eigentlich Sache der Sozialpartner, Sache der Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Denn am Ende muss es auch von den Arbeitgebern finanziert werden. Stattdessen instrumentalisieren Sie diese religiöse Frage, um Ihr Wahlversprechen umzusetzen.

(Beifall bei der FDP)

Wir als Freie Demokraten lehnen deshalb den Reformationstag als zusätzlichen Feiertag ab. Wir sehen das aus ähnlich gelagerten Überlegungen auch für den Buß- und Bettag so. Auch dort reicht uns die Begründung nicht aus, hier zu einem neuen religiösen, staatlich geschützten Feiertag zu kommen. Das gilt gleichermaßen auch für den Internationalen Frauentag, den Europatag und den Tag des Grundgesetzes. Alle sind für sich gesehen gute Möglichkeiten, wichtige Dinge zu begehen und sie zu würdigen.

Und nun ein letzter Satz, Herr Kollege!

Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin.!

Aber jeder für sich gesehen, reicht tatsächlich nicht aus, um diesen hohen staatlichen Schutz zu rechtfertigen, der nur ganz besonderen Ereignissen vorbehalten sein muss. Dafür reicht es nicht, und deshalb lehnen wir einen zusätzlichen Feiertag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Es gibt auf Ihren Redebeitrag den Wunsch nach einer Kurzintervention vom Kollegen Nacke. Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Verehrter Kollege Dr. Birkner, ich würde Ihnen gern zwei Zitate entgegenhalten.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Gerne!)

Das erste Zitat lautet:

Der Reformationstag sollte nicht nur als Feier-, sondern als Gedenktag begangen werden. Die Reformation hat neben religiösen auch zu gewaltigen politischen, kulturellen und ideengeschichtlichen Veränderungen geführt.

Das Zitat stammt von Christopher Vogt, dem Fraktionsvorsitzenden der FDP im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

Das zweite Zitat lautet:

Für mich steht der 31. Oktober dafür, dass unsere Gesellschaft immer wieder Erneuerung braucht, dass Missstände benannt und Werte und Prinzipien neu überdacht werden, so wie damals vor 500 Jahren. Für mich markiert der 31. Oktober den Aufbruch in eine moderne, aufgeklärte, säkulare Welt, so wie wir sie heute kennen und in der der interreligiöse Dialog genauso zu Hause ist wie die Religionsfreiheit.

Das Zitat stammt von Stefanie von Berg, der Fachsprecherin für Schule, Berufsbildung, Inklusion und Religion der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft.