Frau Guth, Sie weisen darauf hin, dass es doch eigentlich nur um die Anwendung von Recht gehe. Diese Geschichte versuchen Sie auch an anderen Stellen zu erzählen. Sie stimmt aber nicht. Die Dublin-Regeln sehen nun einmal Prüfungsverfahren an der deutschen Grenze vor. Der Europäische Gerichtshof hat dazu Entscheidungen getroffen. Auch die Kommentarlage sagt das. Stellen Sie sich also bitte nicht hierhin und nehmen für sich in Anspruch, dass es schlicht um die Anwendung von Recht und Gesetz gehe! Nein, es ist eine politische Frage, ob man das tun will oder nicht. Recht und Gesetz werden derzeit angewendet. Daran besteht aus meiner Sicht kein Zweifel.
Und: Für uns als Freie Demokraten ist wichtig und entscheidend, dass die Grundrechte und auch die Rechtsstaatsgarantie überall dort gelten, wo deutsche Staatsbehörden, deutsche Beamte tätig werden. Das ist auch an den Grenzen der Fall. Das kann man nicht abschalten. Wir verstehen die Verfassung so, dass sie auch in diesen Situationen gilt und anzuwenden ist. Das ist die Umsetzung von Recht und Gesetz.
Meine Damen und Herren, die Ankerzentren, über die auf Bundesebene und auch hier im Lande diskutiert wird, sind die Antwort auf die Frage: Wie kann es gelingen, rechtssichere Verfahren schneller durchzuführen? Was wir der Landesregierung, der Bundesregierung, aber auch der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion in ihrem Zusammenwirken vorwerfen, ist, dass sie ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, gemeinsam konstruktive Lösungen zu erarbeiten, um diese zentrale innenpolitische Frage einer Lösung zuzuführen.
Fraktion bzw. die CDU weiterhin versucht, das für die Landespolitik zentrale Thema der Innenpolitik für sich sozusagen zu bewahren und damit die Deutungshoheit zu bekommen, um bei der kommenden Landtagswahl punkten zu können.
Auf der anderen Seite erleben wir den Innenminister Pistorius, der - ich verstehe manchmal gar nicht so richtig, warum - alle Initiativen ablehnt, der jeden Impuls, der auch aus Berlin kommt, quasi ein Stück weit als Majestätsbeleidigung empfindet, der sich zurückzieht und sagt: Die müssen jetzt erstmal liefern.
Dieses Theater, meine Damen und Herren, wird den Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht gerecht. Was wir und auch die Bürgerinnen und Bürger, so denke ich, von einer Landesregierung erwarten müssen, ist, dass sie sich intern darüber verständigt, was sie will, dass sie sich konstruktiv an den Diskussionen in Berlin beteiligt und sich hier nicht auf offener Bühne zerstreitet, nur um sich persönlich und gegenseitig zu profilieren. Das ist verantwortungslos und wird den Herausforderungen in dieser wirklich zentralen Frage der deutschen Innenpolitik nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, wir beteiligen uns gern an einer konstruktiven Diskussion und fordern die Landesregierung auf - Herr Ministerpräsident, vielleicht müssen Sie sich auch einmal in dieses Thema einmischen und sich positionieren -, einen konstruktiven Weg zu beschreiten und zu sagen, was sie will. Es geht nicht, auf der einen Seite nur zu sagen: Wir warten auf das, was vom Bund kommt. - Auf der anderen Seite geht es nicht, vorzupreschen und in Niedersachsen uneinheitliche Positionen einzunehmen. Das wird den Herausforderungen nicht gerecht.
Beteiligen Sie sich konstruktiv daran! Wir werden uns gern einbringen, wenn wir denn mal wissen, wofür die Landesregierung in dieser Fragestellung steht.
Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Schließlich folgt die Fraktion der SPD. Herr Kollege Watermann, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gelegentlich hilft es ja, sich die Lage anzugucken. Wir hatten eine Welle von Schutzsu
chenden, die zu uns gekommen sind und hier Schutz gefunden haben. Bürgerinnen und Bürger haben sich sehr stark engagiert, um diese Situation zu bewältigen. Dafür muss man erst einmal dankbar sein. In Niedersachsen hat es gut funktioniert und ist von allen Kräften getragen worden, die in der letzten Wahlperiode im Niedersächsischen Landtag vertreten waren. Ich finde, dass dies ein Erfolg ist, den man auch in den Mittelpunkt der Debatte stellen sollte.
Dann muss geguckt werden, wo es Probleme gibt und wie an diese Probleme herangegangen werden muss. An dieser Stelle wird es ein bisschen komplizierter, weil wir unterschiedliche Entscheidungsstrukturen und unterschiedliche Verantwortlichkeiten haben. Das hängt auch mit der Frage zusammen, wer welchen Weg finanziert.
Darüber hinaus haben wir in Europa unterschiedliche Verhältnisse, die etwas unübersichtlich sind. Ich darf nur daran erinnern, dass wir es in der letzten Wahlperiode im Landtag trotz großer unterschiedlicher Auffassungen geschafft haben, eine gemeinsame Linie zu beschließen, was die DublinVerfahren angeht. Ich finde, dass wir darauf wunderbar aufbauen können; denn wir haben deutlich gemacht, dass wir in Europa eine andere Lösung brauchen.
Ich denke, dass es gar nicht weiter schlimm ist, dass wir hier unterschiedliche Auffassungen vertreten und unterschiedlich an die Probleme herangehen. Wir müssen vielmehr gucken, wo gemeinsame Konzepte erarbeitet werden können. Das ist das, was wir einfordern. Wir sagen: Der Bundesinnenminister hat ein Konzept vorzuschlagen. - Dann gucken wir uns das an und prüfen, was wir selbst im Land vorfinden. Dann ist zu schauen, wie all das praktisch und vernünftig umgesetzt werden kann.
Das Ziel muss darin bestehen, denjenigen Menschen, die hier keine Perspektive haben, die Möglichkeit zu geben, möglichst mit Unterstützung wieder zurück in ihre Heimatländer zu gehen, ihnen zu diesem Zweck einen rechtsstaatlichen Weg aufzuzeigen und schnell eine Entscheidung herbeizuführen, die rechtsstaatlich abgesichert sein muss; denn die Situation, nicht zu wissen, was mit einem ist, führt zu Unfrieden. Das ist et
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier kriselt gar nichts, sondern es gibt unterschiedliche Betrachtungsweisen darüber, wie das hier bereits funktioniert und was noch verändert werden müsste. Diese Frage werden wir ganz in Ruhe beantworten. Dabei werden wir auch gucken, welche Lösungsvorschläge in Europa und auch in der Bundesrepublik unterbreitet werden, meine Damen und Herren.
Deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich: Gelegentlich hat man hier in diesem Haus das Gefühl, dass die Problemlagen so heiß sind wie nichts anderes. Wenn man dann wieder nach Hause fährt, merkt man aber, dass die Hitze nur hier in diesem Plenarsaal so groß war.
Frau Guth, Sie sollten noch einmal scharf über das nachdenken, was Sie hier gerade gesagt haben. Sie haben von „Linksextremen“ gesprochen. Ihr Hintermann ist beim Begriff „rechtsextrem“ gleich durch die Decke gegangen.
Das, was Sie hier veranstalten, und die Art und Weise, in der Sie hier debattieren, haben die Kollegen schon vorhin in der Aktuellen Stunde deutlich gemacht.
Ich sage Ihnen einmal ganz deutlich: Sie wollen nur auf der Angstwelle mitreiten. Sie sind an einer guten Lösung null interessiert. Sie profitieren nur davon, dass Sie Angst schüren und Lösungen nicht anbieten. Ich sage Ihnen: Wir werden Lösungen haben. Wir werden auch dafür sorgen, dass sich die Menschen, die zu uns gekommen sind, bei uns wohlfühlen, auch trotz der AfD. Ich finde, schon das ist ein Erfolg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden pragmatische Antworten finden. Wir werden ab und an aber auch in der Sache streiten. Zur Politik gehört ja, Herr Dr. Birkner, dass man sich profiliert und sein Profil ab und zu schärft. Das tun Sie als Fraktionsvorsitzender, das tun auch andere. Das gehört zum Geschäft. Ich finde aber, dass dies nicht zu sehr in den Mittelpunkt geraten darf. Dafür werden wir mit einer sachlichen Politik sorgen.
Danke schön, Herr Watermann. - Es hat sich jetzt der Innenminister Herr Boris Pistorius zu Wort gemeldet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, die Diskussion, die sich gerade auf Bundesebene abspielt, trägt - jedenfalls aktuell - nichts zur Lösung der globalen Herausforderungen der Migration bei.
Gerne wiederhole ich an dieser Stelle, dass es an Herrn Seehofer ist, seinen bereits mehrfach angekündigten Masterplan Migration vorzustellen. Bislang blieb es aber nur bei der Ankündigung. Ich musste zur Kenntnis nehmen, dass auch der Generalsekretär der CSU gestern Abend in einer Talkshow erklären musste, dass auch er diesen Masterplan noch nicht kennt. Wir warten wirklich auf ihn. Wenn er gute Vorschläge enthält, werden wir uns mit jedem Einzelnen auseinandersetzen.
Auch der Versuch des Bundesinnenministers, die Verantwortung für die Ausgestaltung der Ankerzentren in die Hände der Länder zu geben, ist nicht sachgerecht, meine Damen und Herren. Die Bundesebene muss Farbe bekennen und klar und deutlich sagen, wo sie Verantwortung übernimmt. Wir in Niedersachsen haben deutlich gemacht: Wir halten uns an den Koalitionsvertrag, auch an dieser Stelle.
Was die Ankerzentren betrifft, ist immer noch unklar, welchen Mehrwert diese Zentren haben sollen. In unseren Ankunftszentren in Niedersachsen ist es schon jetzt so, dass von der Aufnahme und der Registrierung über die Erstuntersuchungen sowie die Asylantragstellung bis hin zur Asylentscheidung alles unter einem Dach gebündelt ist. Wir setzen dabei auf eine humanitäre Unterbrin
gung. Diese beinhaltet eine unabhängige Asylverfahrensberatung, eine soziale Betreuung, Beschulungsangebote, Wegweiserkurse, aber auch die Beratung zur freiwilligen Rückkehr.
Bisher arbeiten hier in Niedersachsen alle Behörden gemeinsam sachlich und fachlich an der nach wie vor präsenten und gesellschaftlich wichtigen Aufgabe, die Menschen, die hier bei uns vor Krieg, Tod und Folter Schutz suchen, aufzunehmen und zu integrieren. Mit den vom Bundesinnenminister bisher veröffentlichten Inhalten zu den Ankerzentren - ich betone: mit den bisher veröffentlichten - wird sich in Niedersachsen also nicht so furchtbar viel ändern.
Deswegen möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich betonen, meine Damen und Herren: Die Stimmungsmache gegen die Europäische Union und das gemeinsame Asylsystem wird sich als strategischer Fehler erweisen.
Nationalismus hat insbesondere in Europa in den beiden vergangenen Jahrhunderten zu Unfrieden und verheerenden Kriegen geführt. Das nationale Einigeln, die reine Fokussierung auf eigene nationale Interessen, löst in einer vernetzten globalisierten Welt keine Probleme, sondern schafft welche.
Statt sich von dieser Europäischen Union abzuwenden, die uns Deutschen wirtschaftliche und politische Vorteile bringt und Garant des Friedens in Europa seit über 60 Jahren ist, sollten wir gemeinsam am Erhalt und an der Stärkung der Europäischen Union arbeiten.
Bis heute bilden die vor knapp 20 Jahren zwischen den EU-Staaten getroffenen Vereinbarungen in Europa die Basis für den Schutz von Flüchtlingen. Sie sind Grundlage für die Solidarität zwischen den EU-Staaten sowie für die Zusammenarbeit zwischen der EU und Drittstaaten.