- Ich weiß gar nicht, ob man bei diesem Thema immer so taktisch denken sollte nach dem Motto: Wir reden erst nach der Landesregierung!
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wieso tak- tisch? Das hat etwas mit Parlamenta- rismus zu tun, Herr Minister!)
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wenn das Parlament es wagt, nach der Landesre- gierung zu sprechen, ist das Taktik? Was ist das denn für ein Parlaments- verständnis?)
- Nein, aber üblicherweise redet die Landesregierung bei Aktuellen Stunden immer erst am Ende, wenn die Fraktionen das Vorrecht genossen haben, zum Thema zu sprechen.
- Einen Moment, bitte, Herr Minister Dr. Althusmann! Nach der Geschäftsordnung können die Fraktionen sich jederzeit zu Wort melden.
Vielen Dank. - Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Lage in der deutschen Windenergiebranche ist mehr als besorgniserregend. Das ist sie aber nicht erst seit heute. Gerade Niedersachsen ist schon längst betroffen, wenn auch fast unbeachtet.
Im Zusammenhang mit der jetzigen Situation bei ENERCON muss man auch erwähnen, dass es bereits im Dezember letzten Jahres einen Arbeitsplatzabbau von über 400 Stellen gab, nämlich bei Carbon Rotec, ebenfalls einem Windenergieanlagenhersteller. Schon damals war erkennbar, dass die Windenergiebranche schwierigen Zeiten entgegengeht. Die Lage bei ENERCON ist so ernst, dass ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren Vertreter von ENERCON - da mache ich keinen Unterschied zwischen Zulieferern oder exklusiven Zulieferern und ENERCON; ENERCON ist ENERCON, und sie gehören dazu -,
die uneingeschränkte Unterstützung der Niedersächsischen Landesregierung in Gänze zusichern darf in dem Bemühen, den geplanten Arbeitsplatzabbau von rund 835 Stellen abzumildern. Gänzlich aufhalten werden wir ihn wohl nicht können. Es geht nicht nur um Stellen, sondern es geht vor allem um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren Familien, die hinter diesen Stellen stehen. Ich habe sie persönlich kennengelernt.
Meine Damen und Herren, ich habe den eindringlichen Appell an die Geschäftsleitung von ENERCON, dass das hohe Gut der Sozialpartnerschaft ernst genommen wird. Ich erwarte, dass die Geschäftsleitung eines Konzerns, der in der Vergangenheit auch vom Land Niedersachsen Förderungen in Höhe von rund 5 Millionen Euro für verschiedene Projekte über die Jahre 2000 bis 2006 und 2007 bis 2012 erhalten hat, sich gemeinsam mit uns und allen Betroffenen an einen Tisch setzt und eine Lösung sucht. Das ist erwartbar.
Die Landesregierung hat unmittelbar nach einem Anruf durch die Geschäftsleitung einen Termin mit Herrn Kettwig und Herrn Wobben vereinbart. In diesem Gespräch wurde sehr deutlich die derzeiti
ge Lage von ENERCON mit Blick auf den deutschen Windenergiemarkt dargestellt. Die Umsatzeinbrüche sind drastisch, und die Nachfrage nach Windenergie ist - das zeigen die Vorauszahlen auf das erste Halbjahr 2019 - in den Keller gegangen. Das ist nachvollziehbar.
Ebenso bleibt nachvollziehbar, dass man jetzt für die erwähnte Talsohle von zwei Jahren eine Übergangslösung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ENERCON suchen muss. Dazu gehören solche Aspekte wie Zeitarbeit und Kurzarbeit sowie alle anderen Fragen, die im Rahmen eines ordentlichen Verfahrens für einen Sozialplan längst hätten erörtert werden können.
Ich finde es bedauerlich, und es ist nicht akzeptabel, wie bislang gehandelt wurde. In der nächsten Woche werden wir erneut versuchen - ich habe persönlich bereits um einen Termin gebeten -, mit der Geschäftsleitung von ENERCON eine Vereinbarung dahin gehend zu treffen, alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen. Dazu gehören auch die IG Metall mit Herrn Geiken und unsere Betriebsräte - u. a. Herr Özdemir und Herr Rainer Hüring, die ich vorhin draußen begrüßen konnte. Ich freue mich, dass wir uns hier wiedersehen. Ich bin sehr sicher, dass wir versuchen werden, eine gemeinsame Lösung zu finden.
Die Ursachen, die mit der Novelle des EEG von 2014 zur jetzigen Situation geführt haben, werden wir jedoch nicht kurzfristig ändern können. Wir werden die Übergangsregelungen der Jahre 2016 bis 2018 mit der Festbetragsvergütung nicht kurzfristig auflösen können. Wir werden auch die eingebrochene Nachfrage am Windenergiemarkt nicht mit kurzfristigen Lösungen im Hinblick auf Sonderausschreibungen ausgleichen können. Wir müssen aber alles dafür tun.
Die Bundesregierung hat über Herrn Peter Altmaier dem Herrn Ministerpräsidenten und mir in Gesprächen persönlich zugesichert, dass die Sonderausschreibung von 4 MW jetzt kommen wird. Wir gehen davon aus, dass die Gesetzgebung des Bundes zügig auf den Weg gebracht wird, und appellieren an unsere Bundespolitiker in den beiden Bundestagsfraktionen von CDU und SPD, diesen Gesetzentwurf so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen, damit die Sonderausschreibungen kommen und die Nachfrage wieder ansteigt. So können wir die nächsten ein bis zwei Jahre durch entsprechende Maßnahmen überbrücken. Das ist unser Ziel.
Bei aller Kritik, die sich an die Geschäftsleitung richtet, möchte ich aber auch betonen: Die Tür ist nicht geschlossen; die Tür bleibt geöffnet. Jeder, der mit uns sprechen will, kann das tun. Sie haben das Gespräch mit uns gesucht, wenn auch getrennt zwischen Betriebsräten und der Geschäftsleitung. Ich finde, es wäre ein gutes Signal aller Verantwortlichen, wenn wir uns jetzt zurückbewegen würden. Es ist immer besser, man redet miteinander als übereinander.
Ich fordere nur eines: einen fairen Umgang mit den Betroffenen, eine ordentliche Behandlung der Landesregierung bzw. der Vertreter der Bundesregierung. Insbesondere fordere ich, das notwendige Gespräch jetzt offen und konstruktiv zu führen und mit einem Ergebnis in den nächsten Wochen im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eines wichtigen Energiekonzerns für Niedersachsen abzuschließen.
Vielen Dank, Herr Minister. - Das Wort hat nun für die FDP-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Birkner.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, lassen Sie mich eingangs noch etwas zu Ihrer Bemerkung von vorhin sagen. Ich will eines deutlich machen: Wenn ein Parlamentarier sich herausnimmt, nach Ihnen zu sprechen, dann ist das nicht mit dem Vorwurf zu kommentieren, dies sei Taktik. Dieser Vorwurf deutet eher auf ein etwas gestörtes Parlamentsverständnis hin. Das Parlament ist nicht die kritiklose Bühne für Ihre Darstellung. Vielmehr müssen Sie sich mit dem, was Sie sagen, einer parlamentarischen Debatte stellen. Deshalb ist es selbstverständlich, dass Parlamentarier sich herausnehmen können, nach Ihnen zu sprechen. Das werden wir auch künftig so halten.
Ja, die Mitarbeiter von ENERCON sind in dieser schwierigen Situation auf jeden Fall zu unterstützen. Da steht die FDP-Fraktion selbstverständlich
auf der Seite der Mitarbeiter. Es ist allerdings sehr bemerkenswert - das ist zu Recht angesprochen worden -, wie sich die Geschäftsleitung der Firma ENERCON hier verhält.
Auch zu unseren Zeiten war es schon so, dass man mit politischen Forderungen gerade in Richtung Förderung der erneuerbaren Energien immer sehr schnell und direkt konfrontiert wurde, zum Teil sehr weit gehend, manchmal sogar unangemessen weitgehend. Wenn die Geschäftsleitung aber dann, wenn die Politik auch einmal Wünsche an sie hat, einfach abtaucht, dann ist das ein sehr gestörtes Verständnis von Verantwortung, das in aller Deutlichkeit zu kritisieren ist.
Wir fordern, wie es hier zu Recht bereits geschehen ist, dass die Verantwortung anerkannt wird, und zwar für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Konzern, und dass man sich nicht einfach zurückzieht.
Aber, Frau Modder und Herr Minister, viel mehr als Betroffenheitsrhetorik habe ich von Ihnen nicht vernommen.
Sie weisen darauf hin, dass man Alternativen bieten müsse. Übergangslösungen werden in den Raum gestellt. Es heißt, man brauchte eine Neuausrichtung; Kommunikation und Zeit würden benötigt. Alles das ist sicherlich richtig. Aber was sind denn ganz konkret die Vorschläge der Landesregierung? Was sind ganz konkret die Vorschläge von SPD und CDU, wie man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seitens der Politik zur Seite stehen kann?
Oder sind die Möglichkeiten vielleicht begrenzt? Dann sollten Sie das ehrlicherweise aber auch sagen und nicht den Eindruck erwecken, Sie könnten hier eine Lösung bewerkstelligen. Da haben Sie eindeutig zu wenig geliefert.
Das gilt umso mehr, als die Problematik, die mit den sogenannten Bürgerwindparks auf die Windenergie zugekommen ist, nicht überraschend vom Himmel gefallen ist. Das hat sich ja abgezeichnet. Das ist monatelang, wenn nicht sogar schon über
ein Jahr lang diskutiert worden und von der Windenergiebranche auch an die Politik herangetragen worden. Ich bin schon einigermaßen verwundert, dass Sie sagen, jetzt müsse Berlin sich bewegen. Was bitte haben Sie denn eigentlich in den letzten Monaten mit Blick auf diese Fragestellung getan? Sie haben doch sehenden Auges zugelassen, dass diese Situation entstanden ist! Insofern ist es nicht wirklich überzeugend, dass Sie jetzt hier diese Betroffenheitsrhetorik pflegen.
Aber die gesamte Problematik, die sich jetzt darstellt, ist - das ist eigentlich der politische Kern - Ausdruck einer fehlgeleiteten Energiepolitik, die auf eine Art Subvention - wir haben das hier heute schon gehört -, auf eine Umlage aufbaut. Aufgrund dieser Systematik ist das Wirtschaftsgeschehen immer auf politische Entscheidungen angewiesen und von ihnen abhängig, und damit ist es mit allen damit verbundenen Unsicherheiten konfrontiert.
Nachdem das EEG in den Anfangsjahren richtig und wichtig war, um in einer Nische eine Technologie zu etablieren, werben wir schon lange und auch weiterhin dafür, einen Weg zu finden - man hätte ihn schon längst finden müssen -, um zu einem marktwirtschaftlichen Geschehen zu kommen. Man darf nicht länger an der Umlage festhalten, weil Unternehmen wegen dieses Instruments in Fallen laufen, aus denen sie sich nicht mehr befreien können, weil sie nicht Herren des Marktgeschehens sind.
Lassen Sie mich noch eines zu den Regulierungen, die Sie jetzt kritisieren, sagen: Ihre Regierung hat die Regelung zu den Bürgerwindparks unterstützt. Es gibt eine Bundesratsentschließung, mit der SPD und Grüne damals genau diese Regelung wollten. Jetzt zu sagen, nun müssten doch mal andere liefern, ist nicht ganz konsequent und nicht ganz aufrichtig. Sie tun so, als ob Sie damit nichts zu tun hätten. Es darf nicht verschleiert werden, dass das Ergebnis Ihrer Politik ist. Dafür haben Sie jetzt auch die Verantwortung zu tragen.