Protokoll der Sitzung vom 24.08.2018

Der zweite Punkte ist: Ihr Beispiel gerade, dass Safia S. ein Beispiel für die Präventivhaft ist,

(Belit Onay [GRÜNE]: 74 Tage!)

bei der Erkenntnislage - - -

(Glocke der Präsidentin)

Sie haben Safia S. als Beispiel genommen, nur mit der zusätzlichen Annahme: Wir haben das Handy nicht. - Die dann in Präventivhaft nehmen? Wie soll das denn funktionieren?

(Zustimmung von Belit Onay [GRÜ- NE])

Was sind denn da bitte die gesetzlichen Voraussetzungen?

(Belit Onay [GRÜNE]: Wahnsinn!)

Da wird mir ja angst und bange!

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wenn das Ihr Verständnis dieser Präventivhaft ist, dann wird sie nicht auf Einzelfälle konzentriert sein,

sondern dann soll sie offensichtlich ein Standardinstrument werden.

(Glocke der Präsidentin)

Die dritte und abschließende Bemerkung: Sie sprechen von einer sorgsamen Beratung über das Polizeigesetz, aber die soll auf jeden Fall nur bis zum Ende des Jahres dauern.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Das schließt sich aus - es sei denn, Sie meinen mit „Ende des Jahres“ das Ende des nächsten Jahres.

Jetzt müssen Sie zum Ende kommen!

Letzter Satz, Frau Präsidentin.

Wir haben kein Interesse, die Gesetzesberatung künstlich zu verlängern. Aber wir müssen eine den Grundrechtseingriffen angemessene Beratungszeit vorsehen. Denn das, was Sie hier vorhaben, ist alles andere als einfach. Das ist eine Operation am offenen Herzen. Da einfach zu sagen, bis Ende des Jahres läuft das, ist verantwortungslos.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Herr Lechner möchte antworten.

Vielen Dank, Herr Birkner. - Ich habe nicht gesagt, dass Safia S. ein Beispiel für die Präventivhaft ist, sondern ich habe geschildert: Wenn Sie sich das Handy wegdenken, ist das ein Beispiel dafür, wie man im Vorfeld aktiv sein muss.

Wir haben im Untersuchungsausschuss diverse Sitzungen damit verbracht, über die Umfeldaufklärung zu sprechen und über die Instrumente, die man für sie braucht.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Umfeld und Vorfeld sind Unterschiedliches!)

- Umfeld und Vorfeld sind teilweise auch dasselbe.

Über diese Aufklärungsinstrumente haben wir dort diskutiert. Deshalb verstehe ich überhaupt nicht, dass Sie sich jetzt dagegen wehren wollen, dass wir diese Instrumente bei terroristischen Gefährdern auch im Vorfeld zu Anwendung bringen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das hatte doch bei Safia S. überhaupt kei- ne Grundlage!)

Ein Beispiel für die Präventivhaft war der Göttinger Fall. Da hatte man im Vorfeld all das konkretisiert, was ich vorhin gesagt habe, und hinzu kam der Faktor, dass sie einen Wagen anmieteten. Es gab trotzdem noch keinen konkreten Hinweis auf ein tatsächliches Geschehen, auf eine Straftat. Dann hat man sie in Gewahrsam genommen, dann hat man zehn Tage und zehn Nächte gearbeitet, und am Ende hat man sie gemäß § 58 a des Aufenthaltsgesetzes abgeschoben. Ich bin der Meinung, dass man das richtig gemacht hat, dass es richtig war, so zu handeln, und ich finde, dass wir das auch in Zukunft so machen sollten.

(Beifall bei der CDU - Belit Onay [GRÜNE]: Das hat doch damit gar nichts zu tun!)

- Natürlich!

(Belit Onay [GRÜNE]: Nichts mit Safia S.!)

Danke schön, Herr Lechner. - Bündnis 90/Die Grünen haben jetzt ihren Wortbeitrag durch Herrn Helge Limburg.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Jetzt musste er sein ganzes Redekonzept umschmeißen! - Zuruf von der CDU)

- Frau Hamburg, jetzt dem eigenen Redner zuhören!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich immer über Zwischenrufe, auch bereits im Vorfeld meiner Rede, egal von wem.

(Jens Nacke [CDU]: Wie kann man denn im Vorfeld einen Zwischenruf machen?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was die Bewertung der Arbeit des Untersuchungsausschusses und der Arbeit der Sicherheitsbehörden in Niedersachsen in der vergangenen Wahlperiode angeht, hat sich meine Haltung im Vergleich zu der Situation vor einem Jahr nicht verändert. Insofern bin ich ganz beim Kollegen Becker.

Aber dann, Herr Becker, folgt schon der erste logische Bruch in Ihrer Argumentation. Wenn Sie doch

sagen, dass unsere Sicherheitsbehörden grundsätzlich gut aufgestellt sind - das teile ich - und dass es aus Ihrer Sicht gar keinen Bedarf an grundsätzlichen Veränderungen gibt, dann müssen Sie sich schon fragen lassen, warum dann diese Koalition den Entwurf eines Polizeigesetzes vorlegt, das ganz grundsätzliche Veränderungen und - Herr Dr. Birkner hat es gesagt - einschneidende Eingriffe in Bürgerinnen- und Grundrechte in diesem Land vorsieht. Und wenn man die Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung und der Koalition fragt, warum das alles, wird das immer pauschal mit der Gefahr des islamistischen Terrorismus begründet. Das passt doch nicht zusammen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ganz aufschlussreich finde ich in diesem Kontext die Aussagen des Herrn Landespolizeipräsidenten. Der ist in der HAZ von Herrn Berger gefragt worden, ob denn die neuen Gesetzesverschärfungen die beschriebenen Fälle - sie sind hier alle diskutiert worden - hätten verhindern können. Dann kommt als Antwort, das sei eine zu hypothetische Frage, und dann kommen allgemeine Ausführungen zur Bekämpfung des Islamismus.

Ja, das ist natürlich eine hypothetische Frage. Das ist klar. Das stimmt. Aber wie Herr Dr. Birkner gesagt hat, muss es doch Aufgabe des Gesetzgebers und Aufgabe der Landesregierung sein, nüchtern und kühl abzuwägen, wo es wirklich Defizite auf der Befugnisseite gibt, wo wir auf der Befugnisseite nachsteuern müssen. Stattdessen berufen Sie sich einfach allgemein-diffus auf die latente Bedrohung durch den Islamismus.

(Sebastian Lechner [CDU]: Haben Sie nicht zugehört?)

Es gibt in diesem Land übrigens auch eine latente Bedrohung durch rechtsextremen Terrorismus. Das vergisst man gerne immer wieder. Ich darf nur an die Terrorgruppe Freital und an die Oldschool Society erinnern.

Es gibt also eine latente terroristische Bedrohung. Aber dann müssen wir doch genau gucken: Wo gibt es tatsächliche Defizite auf der Befugnisebene? - Da müssen wir dann nachsteuern. Stattdessen sieht der Polizeigesetzentwurf von SPD und CDU vor, einfach mal pauschal alle Befugnisse auszuweiten. Das ist keine seriöse Gesetzgebung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Bezogen auf die Präventivhaft, Herr Lechner, war das gerade in der Tat entlarvend. Ich bin Ihnen fast dankbar dafür, dass Sie das in öffentlicher Sitzung ausgeführt haben. Denn klar ist: Wenn Sie tatsächlich so unverfroren sein sollten, dieses Polizeigesetz in dieser Form durchs Parlament zu bringen, dann wird nicht nur die FDP klagen, dann werden auch Grüne und andere Bürgerrechtsgruppen dieses Gesetz nach Karlsruhe bringen, und dann wird es scheitern.

Es wird u. a. deshalb scheitern, weil Sie schwerwiegende Grundrechtseingriffe wie diese Präventivhaft eben nicht sachlich - im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung - begründen, sondern einfach pauschal Beispiele in den Raum stellen.

Als Beispiel für die Präventivhaft haben Sie gerade Safia S. genannt. Auf einen Hinweis von Herrn Dr. Birkner hin haben Sie dann gemerkt, dass das bei Safia S. vielleicht zu weit ginge. Dann haben Sie den Göttinger Fall genannt. Da frage ich mich schon: Wer misstraut hier eigentlich der Arbeit der Sicherheitsbehörden und der Justiz, Herr Lechner?

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Es ist der Polizei gelungen, die Personen festzusetzen. Es ist gelungen, rechtzeitig die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, um sie abzuschieben.