Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

(Beifall bei der AfD)

Nun kommen wir zu dem Beitrag von Herrn Thomas Adasch für die CDU-Fraktion.

(Zustimmung bei der CDU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke zunächst einmal der FDP für die erneute Möglichkeit, über die Maßnahmen der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen zur Bekämpfung von Clan-Kriminalität zu sprechen.

Wie ich bereits im August-Plenum ausführen durfte, stellt die Bekämpfung krimineller Clanstrukturen die niedersächsische Polizei und Justiz vor große Herausforderungen, und sie ist Bestandteil einer landesweiten Schwerpunktsetzung. Kennzeichnend für das Phänomen sind der hohe Abschottungsgrad dieser durch ethnische Zugehörigkeit geprägten Gruppierungen oder Familienstrukturen, ihr hohes Mobilisierungs- und Aggressionspotenzial sowie die Ablehnung deutscher Gesetze und Normen.

Im Bereich der Clan-Kriminalität können Rechtsverstöße in ganz unterschiedlichen Bereichen beobachtet werden: von kleineren Ordnungswidrigkeiten bis hin zur organisierten und politisch motivierten Kriminalität. Aus diesem Grunde - der Kollege Genthe von der FDP hat es ja selber auch gesagt - wurde zum 1. März 2018 eine Landesrahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen unter Federführung des Innenministeriums und Mitzeichnung des Justizministeriums in Kraft gesetzt. Diese dient der Intensivierung der Bekämpfung von Clan-Kriminalität auf jeder Ebene, und zwar bereits deutlich unterhalb der OK-Schwelle oder der bandenmäßigen Begehungsweise.

Entsprechend der Landesrahmenkonzeption haben mittlerweile alle Staatsanwaltschaften Ansprechpartner „Clan“ benannt, die zumeist aus den OK-Abteilungen kommen. Diese Ansprechpartner sollen bei einschlägigen Einsatz- und Verfahrenslagen ergänzend zu der sachleitenden Staatsanwältin oder dem sachleitenden Staatsanwalt informiert werden. Sie dienen als Netzwerkpartner im Zusammenwirken mit der Polizei und agieren als behördeninterne Berater. Somit ist für ein entsprechendes Lage-, Hintergrund- und Phänomenwissen gesorgt.

Vor diesem Hintergrund wird die Einführung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft „Organisierte Kriminalität Clan“ unsererseits nicht für erforderlich gehalten. Darüber hinaus begegnen dieser Forderung allerdings auch erhebliche rechtliche Bedenken. Nach § 143 Abs. 4 des Gerichtsverfassungs

gesetzes können bezirksübergreifende Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung bestimmter Arten von Strafsachen eingerichtet werden. Demnach können Schwerpunktstaatsanwaltschaften für bestimmte Delikte oder Deliktgruppen bestimmt werden, nicht jedoch für bestimmte Beschuldigte. Letzteres wird allerdings von der FDPFraktion gefordert.

Zu den übrigen Forderungen sei noch Folgendes gesagt: Ansprechpartner für Clan-Kriminalität sind in den Polizeidienststellen bereits vorhanden, und die gute, bereits stattfindende lokale und regionale Zusammenarbeit der zuständigen Behörden wird durch eine Bezeichnung als zentrale gemeinsame Ermittlungsgruppe nicht verbessert.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in Niedersachsen gehen wir bereits heute flächendeckend, konsequent, niedrigschwellig und koordiniert gegen Clan-Kriminalität vor. Die Landesrahmenkonzeption vom März 2018 und diverse Polizeieinsätze auch unter Beteiligung verschiedener Spezialeinheiten unterstreichen das.

Ich freue mich auf die Beratungen im zuständigen Fachausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Kollege Adasch. - Für Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Helge Limburg.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Genthe, zunächst danke ich Ihnen für die Einbringung des Antrags und für Ihre Rede, weil sie u. a. unterstreicht, dass die Mär, die aus rechtspopulistischen Kreisen teilweise verbreitet wird - man könne über bestimmte Dinge nicht reden, und Polizei, Justiz und Politik würden aus Political Correctness oder weshalb auch immer wegschauen -, natürlich Unfug ist. Es ist wichtig, dass man, genau wie Sie das getan haben, Herr Dr. Genthe, differenziert, sich an dem orientiert, was das wirkliche Problem ist, so argumentiert und auch danach vorgeht. Sie haben das in Ihrer Rede beschrieben.

Zweite Vorbemerkung. Herr Ahrends, nur weil etwas geschehen ist, bevor Sie im Landtag waren, oder nur weil etwas geschehen ist, was Sie nicht mitbekommen haben, heißt das nicht, dass es

nicht geschehen ist. Der Kollege Dr. Genthe hat in der Tat bereits in der letzten Wahlperiode, in der 17., dieses Thema mehrfach angesprochen, auch durchaus in Kontroverse. Ich war nicht immer seiner Auffassung. Aber darum geht es ja nicht. Zu behaupten, es hätte Sie gebraucht, damit dieses Thema angegangen wird, ist schlicht und ergreifend Unfug. Das können Sie im Landtagsarchiv leicht nachlesen, wenn Sie sich die Mühe machen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Herr Limburg, könnten Sie das mit dem „Unfug“ vielleicht zukünftig unterlassen! Es braucht ja nicht zweimal in einem Satz vorzukommen.

Okay. Ich entschuldige mich. Was ich sagen wollte, ist, dass das nicht zutreffend ist. - Entschuldigung!

Dritte Bemerkung. Herr Kollege Ahrends, Sie stellen hier in den Raum, die niedersächsische Justiz habe Angst, die Gesetze anzuwenden. Ich finde, das ist ein starkes Stück, weil Sie der Justiz damit implizit auch unterstellen, sie erfülle aus Angst ihre Aufgabe, sich an die Gesetze zu halten, nicht. Ich habe für eine solche Behauptung überhaupt keinen Hinweis und sehe keine Grundlage dafür.

Zur Sache: Die FDP schlägt mehrere strukturelle Maßnahmen vor, wie die Repression, die Strafverfolgung, im Bereich der Clan-Kriminalität verbessert und intensiviert werden kann. Ich finde es grundsätzlich richtig, dass wir uns damit in dieser Form beschäftigen, weil natürlich alle Formen organisierter Kriminalität auch ein organisiertes Handeln der Strafverfolgungsorgane und der Justiz benötigen, sozusagen immer einen vernetzten Überblick und ein vernetztes Handeln benötigen. In den Ausschussberatungen wird festzustellen sein, ob genau diese Maßnahmen sinnvoll sind oder ob wir vielleicht noch zu einigen anderen Punkten kommen müssen.

Wichtig finde ich aber auch - das vermisse ich leider in dem Antrag der FDP -, dass wir den Aspekt der Prävention nicht aus den Augen verlieren. Denn gerade wenn Sie zu Recht kriminelle Familienstrukturen beschreiben, dann muss natürlich Repression ein Teil sein, aber dann muss es auch unser Anspruch als Gesellschaft sein, zu verhindern, dass sich die Kriminalität in diesen Bereichen von Generation zu Generation fortsetzt. Wir müs

sen um jede Generation neu werben und helfen, sie zu rechtstreuen Bürgerinnen und Bürger zu erziehen. Auch das sollte aus meiner Sicht ein wichtiger Aspekt in der Ausschussberatung sein.

Ich freue mich auf die Beratung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Danke, Herr Limburg. - Auf Ihren Beitrag hat sich Herr Ahrends zu einer Kurzintervention gemeldet.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Herr Limburg, ich denke, dass ich missverstanden worden bin. Ich habe nicht gesagt oder gemeint, dass die Justiz Angst hat. Ich will, dass das Gesetz in vollem Umfang ausgeschöpft wird, ohne dass man Angst hat, irgendwelche Repressalien von diesen Familienclans erwarten zu müssen. Ich erinnere an meine Ausführungen im letzten Plenum, als ich darstellte, dass es einen Richter gibt, der jetzt im Ruhestand ist und immer noch unter Polizeischutz steht. Seine Wohnung wurde mit Panzerglas versehen, damit er nicht beschossen werden kann; denn er erhielt Morddrohungen, weil er sich gegen Familienclans eingesetzt hat.

Das wollte ich nur damit sagen. Wir müssen einfach das gesamte Personal, das sich für diese Problematik einsetzt, also Richter, Staatsanwälte, Polizisten - und auch deren Familien - in Schutz nehmen, damit sie sorgenfrei arbeiten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt hat sich Innenminister Boris Pistorius zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon in der Sitzung des Hohen Hauses im August hatten wir das Thema der kriminellen Familienclans ausführlich behandelt. Dabei hatte ich deutlich gemacht: Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden haben auf die Entwicklung der Clan-Kriminalität frühzeitig reagiert und die entsprechenden Maßnahmen ergriffen, um dieser Bedrohung angemessen begegnen zu können.

Dieses konsequente Vorgehen ist auch notwendig, weil das Agieren krimineller Clans ohne Frage eine Gefahr für die innere Sicherheit darstellt. Die Bekämpfung dieser kriminellen Clanstrukturen ist deswegen ein Schwerpunkt der Arbeit der niedersächsischen Polizei.

Die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden als solche hatte ich schon im August im Detail dargestellt. Daher hier nur noch einmal in Kürze.

Die Polizeibehörden haben für einige besonders betroffene Regionen - es betrifft eben nicht alle Regionen gleichermaßen - bereits ab dem Jahr 2013 ganz gezielt Konzepte gegen die ClanKriminalität entwickelt. Diese regionalen Konzepte waren die Basis für die im März 2018 in Kraft gesetzte landesweite Rahmenkonzeption zur Bekämpfung von Clan-Kriminalität. Damit stellen wir u. a. einen frühzeitigen Informationsaustausch mit der Justiz und anderen Behörden sicher und geben bereits dem Einsatz- und Streifendienst das erforderliche Maßnahmenpaket von vornherein an die Hand.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten von der FDP, von einem „Weiter so“, wie Sie es im Entschließungsantrag formuliert haben, kann daher gerade im Hinblick auf die Landesrahmenkonzeption absolut keine Rede sein.

Sie fordern null Toleranz und Vernetzung der Behörden. - Dabei hätten Sie einfach im August zuhören und lesen müssen.

Sie fordern Maßnahmen - die bereits umgesetzt und längst Handlungsmaxime unserer Sicherheitsbehörden sind.

Sie fordern Ansprechpartner in den Polizeidienststellen. - Die gibt es bereits, und es gibt sie auch bei allen Staatsanwaltschaften.

Sie fordern Vernetzung über zentrale gemeinsame Ermittlungsgruppen in jeder Polizeidirektion. - Die Vernetzung ist unter Berücksichtigung - das ist wichtig - lokaler und regionaler Erfordernisse bereits Realität.

Sie fordern, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft „Organisierte Kriminalität Clan“ einzurichten - und denken dabei offenkundig nicht, jedenfalls nicht vollständig, an die Folgen. Sie ist weder erforderlich noch führt sie aufgrund der Fallgestaltungen, die regional höchst unterschiedlich sind, zu der geforderten sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren. Im Übrigen widerspricht sie auch dem Gerichtsverfassungsge

setz. Ich habe mich gerade noch einmal mit der Kollegin Barbara Havliza ins Benehmen gesetzt, die es genauso sieht wie ich. Die Tatsache, dass sich Clan-Kriminalität häufig dadurch auszeichnet, dass sie regionale Strukturen trägt, spricht eben auch gegen eine landesweite Schwerpunktstaatsanwaltschaft.

Insgesamt kann man festhalten: Die Vielzahl an Exekutivmaßnahmen, teils unter erheblichem Einsatz von Spezialeinheiten und -kräften belegt, dass wir bereits große Anstrengungen bei der Bekämpfung der Clan-Kriminalität unternehmen. Der Fokus liegt auf einem ganzheitlichen, nachhaltigen, regionale Besonderheiten berücksichtigenden Bekämpfungsansatz unter Beteiligung aller dieser phänomenbetroffenen Behörden und Institutionen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen als Landesregierung dazu, unsere Konzepte fortlaufend zu evaluieren. Das tun wir auch in Zukunft. Die Wirkung der initiierten Maßnahmen muss regelmäßig überprüft werden. Dafür bedarf es allerdings - lassen Sie mich das in aller Freundlichkeit sagen - keineswegs der Forderungen, wie sie in diesem Entschließungsantrag aufgestellt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die FDP-Fraktion hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Herr Dr. Genthe erhält eineinhalb Minuten.

Meine Damen und Herren, ich habe das Landesrahmenkonzept erwähnt. Wir hätten gern einmal hineingeschaut, haben das auch angefragt, aber leider nicht bekommen. - Das ist das eine.

Zweitens ist es nicht richtig, dass es in allen Polizeikommissariaten und in allen Polizeiinspektionen bereits Ansprechpartner gibt. Das stimmt so noch nicht, sondern das sollte eingerichtet werden.